Ein Showroom, in dem man sofort gute Laune bekommt. Im vorderen Bereich wirkt das Atelier wie eine Galerie und im hinteren fängt der Arbeitsbereich an. Dort ziert die Wand hinter dem Zuscheidetisch eine Tapete im 70er Jahre-Stil. Sie zeigt das „Signature-Muster“ der Marke. Darauf sind Birnen, Äpfel, Blüten und kleine Puddings vor pinkfarbenem Hintergrund zu sehen. Ich bin zu Besuch bei „Puddingtown“, dem Label in der Dr. Oetker-Stadt Bielefeld, in der es angeblich immer nach Pudding riecht. Strahlend tritt mir Friederike von Müller entgegen, ihr Hund Rocco trottet gemütlich hinterher. Zum Interview bittet die Designerin in die Werkstatt, zu den Nähmaschinen und dem Stofflager mit den bunten Jerseys und Seiden.
1. Was wären Sie, wenn Sie nicht Modedesignerin wären?
Trendscout. Durch die ganze Welt reisen, auf Flohmärkten und in Souks stöbern, besondere Dinge entdecken, Konzepte für Modefirmen erstellen – das wäre ganz meins. Ich finde einfach so gerne. Wobei es natürlich auch eine Last sein kann, wenn man immer findet und sammelt und sammelt.
2. Wie sieht Ihr tägliches Styling-Ritual aus?
Ein besonderes Styling Ritual habe ich nicht. Für mich sind die besten Tage die, wenn ich am Abend vorher schon weiß, was ich am nächsten Tag tragen will. Ich benutze Kajal, Mascara, Augenbrauenstift. Lippenstift eigentlich gar nicht, selten mal Rouge. Für einen 60er Jahre-Look ziehe ich schon mal einen Lidstrich. Wenn Fotos oder Filmaufnahmen gemacht werden, benutze ich ein Profi Make up aus den USA, Make up for ever. Meine langen Haare binde ich stets zu einem Zopf. Daher wird kein Friseur an mir reich.
3. Was tragen Sie, wenn Sie nicht Puddingtown tragen?
Ich bin kein Testimonial für irgendein Label. Ich bin Jeanshosenträger, im Winter gerne mit Rolli. Der Inhalt meines Kleiderschranks ist wie in einer Farbskala angeordnet. Da bin ich wie der Hauptdarsteller aus „American Psycho“. Was er an Anzügen hat, habe ich an Rollis. In allen Farben. Wie fast alle Frauen habe ich einen Schuhtick. Ich mag Keilabsätze und 6 cm Absätze, das ist für mich eine gute Arbeitshöhe. Was ich von meiner Kollektion will, möchte ich auch von meinen Schuhen: Man soll gut drin aussehen und sich wohl fühlen. Man hat nichts davon, hohe Hacken zu tragen und es darin grad bis zum nächsten Tisch zu schaffen. Dann kommt gute Musik und man fragt sich nur, wann dieser Abend endlich vorbei ist.
4. Stehen Sie als Werbefigur für Puddingtown unter besonderem Druck?
Nein, gar nicht. Ich präsentiere mich eher zurückhaltend. Viele denken bei Modedesignern an diejenigen, die sich selbst zum Kunstgeschöpf gemacht haben. Das kann man machen, muss es aber nicht. Mein Ansatz ist bodenständig. Wer bei mir einkauft, kommt nicht in einen elitären Laden, bei dem man klingeln oder sich extra schick anziehen muss. Ich glaube, ich nehme den Leuten auch die Scheu vor Modedesign. Eine Rampensau bin ich nie gewesen. Ich möchte meine Ruhe haben. Eigentlich bin ich ein Arbeitstier. Meistens trage ich meine Jerseykleider oder Jeans und Pulli. Oft sehe ich auch aus wie rückwärts aus dem Wald gekrochen, weil ich mit meinem Hund unterwegs bin. Ich lebe zwar Mode, aber nicht so immer unbedingt an mir. Wenn ich auf Feste gehe, habe ich oft für andere Frauen tolle Sachen genäht. Aus Zeitmangel bleiben für mich häufig nur die Musterteile übrig. Das ist echt schlimm, aber ich arbeite dran.
5. Wer oder was hat Ihren Geschmack geprägt?
Ich bin großer Fan der Zwanziger Jahre. In Berlin hätte ich gern den Tanz auf dem Vulkan mitgemacht. Auch Filme fallen mir ein. Faye Dunaway in “Bonnie& Clyde“ und „The Great Gatsby“ oder „Catch me if you can“ mit Leonardo di Caprio.
6. Glauben Sie, dass Kleider Leute machen?
Wenn ich auf Leute zugehe, hat das meist weniger mit ihrer Kleidung, sondern mehr mit ihrer Ausstrahlung zu tun. Ich mag es nicht, Menschen in Schubladen zu stecken. Ich selbst habe eine ganze Bandbreite von Kleidungsstücken. Es wäre fatal, wenn man mich über ein Kleidungsstück, das ich gerade trage, festnageln würde. Außerdem finde ich Kleidung gar nicht so wichtig. Gesundheit, Freundschaft, Ausgeglichenheit und Zufriedenheit sind in meinen Augen wesentlich bedeutender. Es ist ein ganz großer Luxus, wenn man die Möglichkeit hat, sich nach Tageslaune kleiden zu können. Leider verkommt Mode oft zu Kommerz und Konsum. Es ist ganz schrecklich, unter welchen Umständen Kleidung in Billiglohnländern wie zzm Beispiel Bangladesh produziert wird, damit sie hier billig verkauft werden kann.
7. Eine Frage, die Sie sich als Ü 40 Frau stellen?
Wie wird es als Ü50 sein? (lacht) Wenn Kundinnen kommen, die über ihre Besenreiter zetern, ist meine Standartantwort: Es wird nicht besser. Daher gilt: Wenn man auf etwas Lust hat, dann sollte man es jetzt machen. Ich bin jetzt 48. Bisher bin ich jedes Jahr gerne älter geworden. Alter ist für mich kein Thema, ich komme mir alterslos vor. Ganz ehrlich, ich fühle mich pudelwohl.
8. Warum veranstalten Sie regelmäßig Modenschauen?
In meinem Alltag hier im Atelier gehe ich auf meine Kunden und ihre Wünsche ein. Eine Modenschau dagegen zwingt mich, mich als Designer zu fokussieren. Was ich dort zeige, ist meine Vision. Jedes einzelne Modell steht für das, was ich wirklich will und was mich ausmacht. Eine Modenschau ist ein ganz wichtiger Motor für mich. Ohne sie bestünde die Gefahr, dass der Alltag mich auffrisst.
Friederike von Müller begann mit 13 Jahren zu nähen, weil sie unbedingt eine Flickenhose haben wollte, wie sie Campino, Sänger der Toten Hosen, trug. Die Münsterländerin absolvierte eine Ausbildung zur Maßschneiderin und studierte Modedesign. Von 1997 bis 2003 machte sie in New York Karriere, u. a. bei der Andy Warhol-Foundation und in verschiedenen Modefirmen, darunter Ecko Unltd. 2003 kehrte sie nach Deutschland zurück und gründete ihr Label „Puddingtown“. Schnell stieg sie damit zu einer überregional bekannten Marke auf.
(Portrait: Steffi Behrmann)