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Warum ich Meghan Markle aus tiefstem Herzen bedaure

Manchmal beneide ich die Menschen, die jeden Morgen gut gelaunt aufwachen und mit einem Lied auf den Lippen aus dem Bett springen. Bei mir gibt es Tage, an denen mich eine leichte Melancholie befällt. Was mir dann hilft, ist neben dem Verzehr einer halben Tafel Zartbitterschokolade mit einem Kakaoanteil von 90% die Überlegung, dass es mir doch eigentlich gar nicht schlecht geht. Im Gegenteil. Es gibt vieles, für das ich sehr dankbar bin. Zum Beispiel dafür, dass ich ich bin und nicht Meghan Markle.

Royale Privilegien hin oder her – für nichts in der Welt möchte ich mit dieser Frau tauschen. Als »frischer Wind« war sie von den britischen Medien begrüßt worden, als eine Chance für das britische Königshaus, sich modern und weltoffen zu zeigen, allein durch die Tatsache, dass sie nicht nur eine „Bürgerliche“ ist, sondern auch so verrückte Dinge tut, wie selbst die Autotür zu schließen. Inzwischen wird die geschiedene, afroamerikanische Schauspielerin einem absurden Erwartungsdruck ausgesetzt und von der britischen Boulevardpresse als „keine von uns“ diffamiert. Was auch immer sie tut, nie wird sie es der Öffentlichkeit recht machen können. Jeder ihrer Schritte wird beobachtet und Kübel der Häme werden über ihr ausgegossen, so wie gerade wieder, weil sie auf Einladung von Elton John in einem Privatflugzeug nach Nizza geflogen ist. Ich bin mir sicher, dass die Presse auch ein Haar in der Suppe gefunden hätte, wenn sie nach Nizza geschwommen wäre.

Wenn man sich einmal klar macht, welchen Beschränkungen die Bedauernswerte durch ihre Heirat ausgesetzt ist, was sie alles nicht darf! Einfach mal eben allein das Haus verlassen und mit ihren Hunden durch den Wald laufen. Ihren Beruf ausüben. Spontan ins Kino gehen. Sich mit ihrem Mann in einer Bar einen kleinen Schwips antrinken. Bei einer Wahl ihren Stimmzettel abgeben. Eine politische Meinung äußern. Am London Marathon teilnehmen. Spontan shoppen gehen. Den sie ständig umlagernden Fotografen und Journalisten den Stinkefinger zeigen.

Wie couragiert die Herzogin von Sussex dagegen ankämpft, nicht nur als royaler Kleiderständer sondern als denkendes Wesen gesehen zu werden, zeigt die gerade erschienene Septemberausgabe der britischen Vogue, in der sie als „Guest Editor“ mitwirkte. Sie verzichtete bewusst darauf, auf dem Titelbild zu erscheinen. Laut Chefredakteur Edward Enninful sei ihr das „anmaßend“ vorgekommen. Lieber wollte sie den Frauen den Vortritt lassen, die sie für die Ausgabe für Portraits ausgesucht hat. 15 furchtlose, engagierte, brillante Frauen, die sie bewundert. “Forces for change“, wie sie sie nennt. Darunter die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern, die Klimaaktivistin Greta Thunberg, die muslimische Boxerin Ramla Ali, die kleinwüchsige irische Autorin Sinead Burke, Michelle Obama, Jane Fonda oder die legendäre Schimpansenforscherin Jane Goodall, deren Interview Prinz Harry durchführte. Für die 16. furchtlose, engagierte, brillante Frau wurde in der Mitte des Vogue-Covers ein verspiegeltes Quadrat freigelassen. Hier sieht die Leserin, wenn sie es denn möchte, sich selbst. Ein hübscher Coup. Für die Vogue, für Meghan Markle und für die Leserin.

Natürlich dauerte es nicht lange, bis es die erste Kritik aus der britischen Presse hagelte. Viel zu elitär sei die Septemberausgabe der Vogue und überhaupt solle sich die Herzogin um Wichtigeres kümmern, als über „die Korridore des Vogue-Hauses zu flitzen und Journalistin zu spielen“. Sie solle lieber „ein fleißiges Mitglied der Familie Windsor sein“, wetterte die Daily Mail. Als solches hat man anscheinend Kleiderständer zu sein und den Mund zu halten.

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