Alle sind jetzt weg. Sitzen in verspäteten Zügen, warten in überfüllten Flughafenhallen auf ihre Koffer, stehen vor überfüllten Bahnschaltern in der Schlange, schwitzen in überhitzten Städten oder unter der sengend heißen Sonne am südlichen Meer. Einige, so wie Cerstin und ich – wir haben am Wochenende Tanja in Edinburgh besucht – machen ein ganz langes Gesicht. Unsere Eurowings-Maschine hatte auf Grund der Temperaturen von 38 Grad in Schottland so viel Verspätung, dass sie schließlich ohne das Gepäck der Passagiere nach Köln/Bonn abflog. Informationen, wann bzw. ob die Koffer bei uns ankommen, gibt es im Internet bisher nicht und am Telefon fühlt sich niemand zuständig. Es ist ein Wahnsinn. Ich jedenfalls bin, was Reisen betrifft, erst einmal bedient und frage mich: Wo, bitteschön, sollen denn in diesem Sommer die Ferien schöner sein als zu Hause? So wie zum Beispiel bei mir in Bielefeld.
- In Bielefeld ist natürlich, unter uns gesagt, ein bisschen der Hund verfroren. Eine Städtetour in Kopenhagen oder New York oder ein Badeurlaub an der Croisette in Nizza sind ohne Frage aufregender als eine Sommerfrische bei mir zu Hause. Aber unterwegs in einer Stadt, die wir noch nicht kennen, haben die meisten von uns das Bedürfnis, alles zu erkunden. Wir wären ständig auf Achse und würden die Sehenswürdigkeiten „abhaken“, egal wie hoch die Temperaturen auch kletterten. Bielefeld dagegen ist eine Stadt ohne Versuchungen, und deshalb sind Sie hier im Moment genau richtig aufgehoben. In meiner Stadt klappert kein Hop on/Hop off – Autobus die Sehenswürdigkeiten ab, weil es keine Sehenswürdigkeiten gibt. Gut, das ist jetzt ungerecht. Es gibt einen schönen Botanischen Garten, eine alte Burg und die Dr. Oetker Welt. Diese Orte kann man besuchen, aber, ganz ehrlich, man kann es auch lassen.
- Im ostwestfälisch-unaufgeregten Bielefeld genießt man die kleinen Dinge. Beim Bäcker an der Ecke gibt es jeden Tag eine sehr köstliche Erdbeertorte mit Schlagsahne. Im Café des Bauernhausmuseums gibt es sogar den besten Kuchen der WELT. Dafür müssten Sie in Rimini oder La Rochelle ganz schön weit weit laufen.
- In jedem Strandhaus und in jeder Stadt im Süden strömen jetzt sengend heiße Luft und das rauschen der Klimaanlagen durch die Fenster. Die armen Urlauber liegen nach Luft schnappend auf ihren Betten und vergessen vor Hitze, wer sie sind. In diesen Hundstagen riecht es überall unangenehm nach Schweiß und Deo, nur in Bielefeld nicht. Denn bei uns gibt es den Teutoburger Wald. An den lauen Abenden sitzt man in einem der leicht verstaubten Gartenlokale unter hohen Bäumen, trinkt ein Bierchen und isst Pickert mit Rosinen oder Würstchen und Kartoffelsalat. Man sitzt draußen unterm Sonnensegel an großen Tischen und redet über das Leben. Noch lange scheinen im Hochsommer die Sonnenstrahlen durch die Bäume und tauchen die Gärten in ein goldenes Abendlicht. Übrigens ganz ohne fiese Moskitos, die einem auf die Nerven fallen.
- Wenn einen in Bielefeld doch die schlechten Nachrichten einholen und man in andere, bessere Welten entfliehen möchte? Ich habe gelernt, dann meine Hängematte, eine Zeitschrift oder ein Buch und ein spritziges Getränk mit Strohhalm und klimpernden Eiswürfeln durchaus gewinnbringend einzusetzen.
Sie mögen es aufregender? Dann schauen Sie doch mal bei Cerstin rein. Sie ist gerade von ihrer sechsmonatigen Weltreise zurück gekehrt.