„D“ wie Dékolleté
Die Monroe, im roten Kleid mit tiefem Ausschnitt hundertfach gespiegelt. Sophia Loren, üppig dekolletiert während eines Banketts, blickt neidvoll in den Ausschnitt von Gina Lollobrigida. Diven, vornehmlich aus dem Filmgewerbe, verzichteten nicht auf das Reizen mit ihren Geizen. Doch ist eine Diva so viel mehr als ihr tiefer Ausschnitt. Cleopatra zum Beispiel, vielleicht die erste Diva der Geschichte. Sie vereinte Schönheit und Macht und setzte ihre politischen Ziele in hochgeschlossenen Kleidern, aber mit Kalkül durch. Oder Marlene Dietrich im androgynen Hosenanzug. Den Körper verbarg er. Das Unnahbare war Programm.
„I“ wie Intelligenz
„Ich bin frei, weil ich keine Konzessionen mache.“ Den Satz von Maria Callas kann man sich auf der Zunge zergehen lassen. Eine Diva hat sich ihre Position mit Leistung und Können hart erarbeitet. Das unterscheidet sie von den Stars und Sternchen aus den Realityshows. Sie hat den Markt, den er bedient, durchschaut. Nicht die Diva ist das Spielzeug des Publikums, sondern sie selber spielt nach ihren Regeln mit ihren Bewunderern. Sie bestimmt, was sie von sich preisgibt und was nicht, was wir von ihr wissen dürfen und was nicht. Sie narrt uns mit Wahrheiten und Erfundenem. , denn sie weiß: In dem Moment, in dem das Publikum sie versteht und als nahbar empfindet, ist sie nicht länger interessant.
„V“ wie Verführung
„Was erwartet ihr von mir? Dass ich alleine schlafe?“ Diese Frage von Elisabeth Taylor bestätigt das Vorurteil, wonach sich das Streben einer Diva darauf reduziert, möglichst viele Männer zu betören und dann fallen zu lassen. Doch eine Diva taugt nicht als Objekt der Begierden. Sie hält keine Versprechen. Das Berühren mag in Aussicht gestellt werden, wird aber nicht zugelassen. Es ist interessant, dass Männern, die in den Stand von Diven befördert wurden, jegliches verführerische Element fehlt. Bezogen auf einen Mann, wird der Titel „Diva“ zum Schimpfwort. Bestes Beispiel sind Fußballer, die nicht eben schmeichelhaft als „männliche Diven“ bezeichnet werden.
„A“ wie Anhang
Eine Diva duldet keine Götter neben sich, höchstens kleine, unscheinbare Anhängsel, die ihr die Schleppe der Abendrobe raffen oder ihr die Tür zur Limousine öffnen. Hier zeigt sich aber auch der Preis, der für die Unsterblichkeit gezahlt wird: Diven sind einsam. Wer etwa in das Gesicht der alternden Marlene Dietrich sieht, ahnt die Tragik, die hinter der Verehrung der Diven steht: die Angst, Erfolg, Schönheit und die Zuneigung des Publikums wieder zu verlieren.
(Anregungen zu dem Text aus Elisabeth Bronfen: Die Diva. Eine Geschichte der Bewunderung. München 2002.)