Zu den letzten Fotos der großen amerikanischen Malerin Georgia O´Keeffe gehört eine Aufnahme des Fotografen Bruce Webber aus dem Jahr 1984. Da ist die Künstlerin 97 Jahre alt. Das Foto zeigt die Aufnahme eines sehr alten, sehr schönen Menschen. Es könnte ein Mann sein oder eine Frau. Mit klarem Profil, einem von tiefen Falten zerfurchten Gesicht und nach hinten zum Knoten gebundenen, weißen Haaren. Sie trägt einen schweren, schwarzen Herren-Kimono mit Samtkragen über einem weißen Kleid und einen großen, flachen Hut, ebenfalls schwarz. Sie sieht nachdenklich aus, asketisch und wie eine Person, die absolut mit sich im Reinen ist.
Georgia O´Keeffe befolgte ihr Leben lang diese vier Moderegeln, die sie sich selbst gab und die ihren eigenwilligen Stil ausmachten.
1. Betrachte Schönheitsideale mit großer Distanz
Schon als junge Lehrerin in Texas befreite sie sich von den damals herrschenden Schönheitsidealen. Auf die Frage einer Schülerin, warum sie ihre Haare zu einem strengen Knoten zusammenstecke und keine Löckchen trage wie die anderen Frauen, soll sie lapidar geantwortet haben, das sei nicht ihr Stil. Zugeständnisse an den männlichen Blick auf eine Frau zu machen, lag Georgia O´Keeffe fern. Wie sie aussah und was sie anzog, das war ganz allein ihre Sache. So entging sie der Falle, etwas so Instabiles wie Jugend oder Schönheit als Basis für ihren Selbstwert zu machen. Sie interessierte sich ihr Leben lang nicht für Hautpflege geschweige denn Make-up und benutzte trotz der aggressiven Sonne New Mexicos, wo sie in produktiver Einsamkeit lebte, nie einen Sonnenschutz. Die Künstlerin gehört zu den wenigen Frauen-Ikonen, die vorgelebt haben, wie man ohne Lippenstift, chemische Haarfarben und chirurgische Eingriffe altern und dabei gut aussehen kann. „Sie war schön, weil sie war, wie sie war und nicht versuchte, etwas anderes aus sich zu machen. “, so ihr Freund Juan Hamilton.
2. Reduziere deine Garderobe aufs Wesentliche
O´Keeffe trug ein Leben lang die gleiche Frisur, sie trug fast identische Outfits und sie hielt sogar ein Leben lang ihr Gewicht – 115 Pfund. Menschen in ihrer Umgebung äußerten den Verdacht, Georgia O´Keeffe habe nur ein Kleid besessen. Ihre Haushälterin löste das Rätsel. Die Künstlerin habe hundert Kleider, aber alle seien schwarz und nur wenige seien weiß. In O´Keeffes Garderobe befanden sich zwölf ähnlich geschnittene schwarze Kostüme und Hosenanzüge, darunter mehrere von Knize/New York, einem Ableger des Wiener Couturehauses, und ein maßgefertigtes Ensemble von Balenciaga. Ihre Lieblingsteile trug sie mehr als 60 Jahre lang.
3. Bleibe dir bei der Auswahl deiner Kleidung treu
Die Künstlerin hatte ein androgyne Bekleidungskonzept. Von ihren Herrenkimonos war bereits die Rede. Bei ihren Ausflügen in die Wüste trug sie schwere Cowboy-Stiefel, Jeans und Hemden, die sie bei einem bekannten New Yorker Herrenschneider in Auftrag gab.
Sie fühlte sich von fernöstlicher, insbesondere buddhistischer Philosophie angesprochen. Vom Bett ihres Hauses aus blickte sie jeden Morgen und jeden Abend auf eine kleine Bronze, eine Hand in der Haltung „abhaya mudra“, die bedeutet „Fürchte dich nicht. Sie besaß eine umfangreiche Bibliothek, darunter viele Bände mit spiritueller Literatur. Die Lektüre half ihr, Körper und Geist in einen ausgeglichenen Zustand zu bringen. Sie achtete darauf, sich von den vielen Informationen, die sie jeden Tag aufnahm, nicht verführen und ablenken zu lassen. Es ging m den Grundgedanken des Zen: nichts zu denken, nichts zu erwarten, bei sich zu sein.
Bei der Meditation, nach dem Bad am Morgen, beim Frühstück und nach dem Abendessen trug sie Kimonos. Sie hinterließ mehr als 20 Exemplare in gedeckten Farben; für die heißen Sommer waren sie aus leichter Naturseide und für den Winter waren sie gefüttert. Nicht ganz unwesentlich: Mit ihrem geraden Schnitt und den weiten Ärmeln, die den Körper lose umhüllen, erwiesen sie sich für O´Keeffe als praktisch, da sie sich 1955 einer Brustamputation unterzog und es ablehnte, eine Prothese zu tragen.
4. Bring Farbe in deinen Kleiderschrank
Hier und da fällt bei ihren Styling-Regeln auch ein Rat fürs ganze Leben. Etwa der, eine selbst aufgestellte Regel nicht als ehernes Gesetz zu betrachten. In ihren letzten zehn Lebensjahren wurde Juan Hamilton, ein 60 Jahre jüngerer Mann, zu O´Keeffes engstem Vertrauten. Er unterstütze die auf Grund einer unheilbaren Makulardegeneration erblindende Künstlerin im Alltag und inspirierte sie zu neuen Projekten. Hamilton brachte sogar Farbe in ihr Leben. Sie legte die todernsten schwarzen, knöchellangen Kleider und schwarzen Strümpfe, die sie seit ihren Studienjahren getragen hatte, ab und tauschte sie gegen leichte Wickelkleider aus. Sie ließ sich das gleiche Modell in zwanzig verschiedenen Farben von ihrem Schneider in Santa Fe nähen.
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