Bozen ist klein, aber fein. Schon nach meinem ersten Besuch in Bozen hatte ich mein Herz an diese Stadt verloren. An die Lage südlich des Alpenhauptkamms, das Licht, die Cafés, die Mischung aus Italienischem und Alpinem und an die Bewohner. Bozen und die Bozener haben einen Sinn für Poesie. Mitten auf dem großen Hauptplatz, wo andernorts ein Springbrunnen tröpfelt, steht hier ein Denkmal des Minnesängers Walther von der Vogelweide (ca. 1170-1230). Zu Lebzeiten Walthers hat es das „Parkhotel Laurin“ noch nicht gegeben, doch ist es nicht minder poetisch.
Das „Laurin“ ist mein Lieblingshotel in Bozen. Wenn ich an dieses Hotel denke, möchte ich auf der Stelle den Koffer packen und dort einchecken. Zum „Laurin“ fällt mir ein: alter Familienbesitz, mitten in der Bozner Altstadt, grün-weiß gestreifte Markisen über den Balkonen, echte Kokoschka-Bilder in den Zimmern, eine legendäre Hotelbar, in der jeden Freitag Jazz-Konzerte veranstaltet werden, zu denen sich die Einheimischen zu Cocktails und köstlichen Tramezzini treffen, um das Wochenende einzuläuten. Jetset und die Kinder der Reichen aus China und Russland, die in Jeans und Turnschuhen Selfies knipsen, sucht man in diesem traditionellen, familiengeführten Hotel vergebens. Vielleicht auch, weil es hier weder ein unterirdisches Spa noch Wellness noch Fitnessstudio gibt, nur einen altmodischen, unbeheizten Swimmingpool im Hotelpark. Zum Glück, möchte man hinzufügen.
Nicht großspuriger Oligarchen-Schick sondern Kultur ist das Pfund, mit dem dieses Haus wuchert. Im Laurin spielt Kunst seit über 100 Jahren eine Hauptrolle und begegnet dem Gast auf Schritt und Tritt. Der Kunstsinn des Hauses wird schon am Eingang erlebbar. Jeder Passant, jeder Gast, der am Laurin vorbeigeht oder eintritt, wird dazu eingeladen, sich auf eine eigene imaginäre Reise zu begeben. Hundert in Bronze gegossene Begriffe zu Sinneswahrnehmungen, die im Gehsteig vor dem Hotel eingelassen wurden, lassen Assoziationen zum Thema Reisen zu. Das Hotel ist ein Gesamtkunstwerk: Die verschwenderisch schöne Laurin Bar mit ihren hohen Decken, die ein eindrucksvolles Fresko des Jugendstilmalers Bruno Goldschmitt säumt, bietet eines der prächtigsten Interieurs der Stadt, wenn man von den ästhetisch etwas verunglückten Ledersesseln einmal absieht. Die Fries-Malereien zeigen Szenen aus der Sage des unglücklichen Zwergenkönigs Laurin. Der verlor alles, als er sich einmal verliebte. Von ihm und seinem Rosengarten ist nur noch jenes rote Leuchten in der Dämmerung geblieben, das wir Alpenglühen nennen. An einem poetischen Abend können es Liebende, die mehr Glück haben als Laurin, vom Hotelpark aus sehen und sich anschließend in den Irrgärten verlieren oder unter uralten Baumriesen romantisch speisen.