Wer über 40 ist und 40plus-Blogs liest, wird meine heutige Interviewpartnerin vielleicht kennen: Dagmar da Silveira Macedo. Die Autorin mit dem schönen Namen hat das Buch „How to survive als Frau ab 40“ geschrieben. 40plus zu sein, hat viele Vorteile, findet sie. In einem Café in Bielefeld saß sie mir gegenüber. Strahlendes Lächeln, eine Stimme wie gemacht für Mikrofone, offen, authentisch und humorvoll. Wetten, dass Sie heute eine Frau treffen, die Sie demnächst Freitagabends in den Talk Shows sehen werden?
Frau Macedo, was ist in Ihren Augen typisch für die Vierziger Dekade?
Ganz zentral ist das Kinderthema. Wenn eine Frau Kinder haben will, muss sie sich jetzt beeilen. Das Problem haben Männer so nicht. In meinem Buch geht es auch um die berufliche Situation. In den Vierzigern stellen sich viele Frauen die Frage: Will ich die nächsten 25 bis 30 Jahre weiter in meinem Beruf arbeiten? In den Dreißigern ist man immer noch in einer Ausprobierphase, jedenfalls denkt man das. Mit 40 wird es plötzlich ernst. Man bewirbt sich und hat plötzlich ganz viele, sehr viel jüngere Mitkonkurrentinnen. Mit 40 ist eine Frau in einer Situation, in der sie sich definiert und sich fragt: Bin ich jetzt alt? Bin ich jung? Bin ich dazwischen? Was ist meine Rolle? Die Vierziger Dekade ist die Mitte des Lebens, das zentrale Jahrzehnt, in dem sich etwas ändert. Das zeigt ja auch die hohe Scheidungsrate in dieser Dekade. Viele Menschen sind nicht mehr damit zufrieden, was sie sich aufgebaut haben oder in was sie reingerutscht sind. Bei vielen gehen die Kinder in diesem Jahrzehnt aus dem Haus. Nur-Hausrauen, die sich ausschließlich auf die Mutterrolle konzentriert haben, stellen sich dann die Frage: Was ist jetzt? Ich glaube, man tut gut daran, wenn man sich intensiv mit der eigenen Rolle in den Vierzigern auseinander setzt. Dieses Auseinandersetzen mit sich selbst – natürlich mit einer ordentlichen Portion Humor – das ist tatsächlich auch etwas, was ich mit meinem Buch erreiche möchte.
Wie gehen Sie mit dem Älter werden um?
Ich habe mich lange Zeit sehr jung gefühlt. Das liegt bestimmt auch daran, dass ich immer viel jünger geschätzt wurde, als ich tatsächlich war, auch viel jünger als meine kleine Schwester. Als ich in Richtung 40 ging, habe ich diese Zahl nicht mit mir verbunden. 40 fand ich alt. Tatsächlich bin ich mehrmals 38 geworden und habe mein wahres Alter lange beschönigt. Ich bin jetzt 49. Mit 48 habe ich mit der Arbeit an meinem Buch angefangen. Dadurch hat sich meine Einstellung zum Altern verändert. Je mehr ich mich mit dem Thema auseinander gesetzt habe, desto selbstverständlicher oder „egaler“ ist diese Zahl geworden. An einer Stelle des Buches habe ich geschrieben, dass man sich ein Zentimetermaßband nehmen und es an dem Durchschnittsalter, das Frauen heute erreichen, abschneiden soll. Danach macht man einen weiteren Schnitt an der Stelle, an der man altersmäßig jetzt steht. Der Schnipsel, den man dann in der Hand hält, sind die Jahre, die einem statistisch noch bleiben. Dadurch wird einem klar, wie kostbar das Leben ist und dass die Alternative zum Altern ist, jung zu sterben. Bei dem Gedanken spielt das Altern plötzlich gar keine Rolle mehr, sondern es wird einem klar, dass die Zeit, die man hat, kostbar ist.
Haben Sie Tipps für gutes Altern?
Ich glaube, dass Allerwichtigste ist, darauf zu achten, dass es einem selber gut geht und man mit seinem Leben zufrieden ist. Egal, in welcher Situation man sich befindet – ob man grad kein Geld hat, familiär irgendwas nicht stimmt oder man Angehörige pflegen muss – man sollte versuchen, sich trotz aller Widrigkeiten eins mit sich selbst zu fühlen und öfter mal innehalten und sich fragen: Wer bin ich? Was will ich? Was kann ich ändern und was nicht? Das, was man ändern kann, sollte man anpacken. Was man nicht ändern kann, muss man irgendwann akzeptieren und das Beste daraus machen. Wenn man sich zu sehr verstrickt, ist man nicht glücklich.
Ist es für Männer leichter, 40 zu werden?
Ja. Aber ich glaube, es verschiebt sich. Viele Männer fangen erst mit 40 an, eine Familie zu gründen, oder sie steigen aus ihrer alten Familie aus. Für sie ist es kein Problem, in dem Alter noch mal eine neue Familie mit eigenen Kindern zu haben. 40 ist für Männer ein Alter, in dem sie fest im Leben stehen, ihren Job haben und eine Position bekommen. Männer haben eher ein Problem damit, 50 zu werden. Sie geben es allerdings noch weniger zu als Frauen.
Wer sind Ihre Altersvorbilder?
Es gibt ein paar Schauspielerinnen, zum Beispiel Meryl Streep, die sich gut gehalten haben. Wobei man ja nie weiß, was sie dafür alles getan haben. Denn mit Sicherheit haben sie nicht nur 6 Liter Wasser am Tag getrunken. Das ist wohl eine Utopie. Aber es muss nicht immer jemand sein, der exorbitant schön oder berühmt ist. Zu meinen Vorbildern für gutes Altern gehören auch ganz normale Frauen. Das sind Frauen, die eins sind mit sich selbst und dadurch einfach etwas ganz Besonderes ausstrahlen, weil sie mit sich selbst zufrieden sind. Das macht nämlich glücklich – und schön.
Wie stehen Sie zum Thema „Schönheitsoperationen“?
Jeder ist selbst überlassen, ob sie etwas machen lässt oder nicht. Es ist einfach auch eine finanzielle Frage. Man darf aber nicht vergessen, dass man ja um die operierte Stelle herum weiter altert. Es ist ja sozusagen eine Baustelle, an die sich die nächste anschließt. Wenn man einmal damit anfängt, geht es immer weiter.
Haben Sie Erfahrung mit Botox?
Noch nicht, aber ich schließe es nicht aus. Vielleicht mache ich es irgendwann, wenn die Haut an den Augen mehr wird. Im Buch schreibe ich über eine Freundin, die schon viele Sachen ausprobiert hat, ohne dass man es sieht. Botox hat sie schon vor Jahren genommen, sie hat Hyaloronfiller und auch eine Brust OP. Wenn man es nicht weiß, würde man es nicht vermuten, weil es so gut gemacht ist.
Wann fühlen Sie sich alt, und was machen Sie, damit es wieder gut wird?
Ich fühle mich in einigen Klamotten alt, weil ich nicht mehr die Figur habe, die ich früher mal hatte. Da merke ich, dass sich an meinem Körper was getan hat. Auch wenn ich mir meine Haut ansehe, wird mir klar, dass sich was verändert. Es ist alles noch okay, aber ich merke z.B. an den Armen, dass ich sie öfter eincremen muss. In solchen Momenten denke ich schon mal: Ja, ich bin alt. Ich bekomme jetzt auch graue Haare, zwar relativ spät, aber es werden immer mehr. Ich kann ihnen beim Wachsen geradezu zugucken. Außerdem stört mich sehr, dass ich an den unmöglichsten Stellen zunehme und diese überflüssigen Kilos nicht einfach wieder abnehmen kann. Ein paar Tage fasten so wie früher, und ich bin wieder schlank, funktioniert nicht mehr. Andererseits will ich mich nicht kasteien. Ich habe keine Lust, Kalorien zu zählen. Ich möchte abends mit meinem Mann ein Glas Wein trinken, und ich möchte auch mal ein Stück Schokolade essen – ohne schlechtes Gewissen.
Was wird besser mit dem Alter?
Dinge, die ich nicht ändern kann, erkenne ich heute eher. Sie bringen mich nicht mehr so aus der Fassung wie früher. Es ist die viel beschworene Gelassenheit. Ich empfinde das tatsächlich so. Ich kann heute auch öfter „Nein“ sagen, wenn ich Dinge nicht schaffe. Natürlich passiert es immer noch, dass ich Termine doppelt lege, aber ich gerate dann nicht mehr so in Panik. Ich will auch nicht mehr alles hundertprozentig machen. 80% reichen auch. Ich kann mich auf meine Erfahrung verlassen und darauf dass mir schon irgendwas einfallen wird, wenn ich zu einem Termin gehe. Ich schätze und genieße kleinere Situationen anders, als ich das vorher gemacht habe. Mittlerweile fange ich sogar an, die Ausbrüche unserer pubertierenden Kinder zu genießen, obwohl die mich manchmal an den Rand des Wahnsinns bringen. Ich denke: Die Phase geht auch vorbei. Das finde ich sehr angenehm. Und dass es mir teilweise wirklich egal ist, was die Leute denken. Früher habe ich mehr Wert auf die Meinung anderer gelegt. Dass ich mich traue, meine Meinung heute klar zu sagen. Modisch habe ich immer schon meine eigene Meinung quasi „gelebt“. Ich war immer sehr bunt. Ich habe immer schon das getragen, was gerade nicht angesagt war.
Haben Sie Bekleidungstipps für Frauen über 40?
Der wichtigste Tipp, den ich in meinem Buch anspreche, ist, dass man anziehen sollte, was man mag. Man sollte nur Kleidung tragen, in der man sich wohl fühlt. Ich finde es aber auch wichtig, einfach mal Dinge auszuprobieren. Ich nenne im Buch das Beispiel einer Freundin, die immer fand, dass sie sehr knubbelige Knie hat und sich nie getraut hat, Röcke anzuziehen. Sie hat in einem Blog eine etwas molligere Frau gesehen, die einen kniefreien Rock trug und hat es dann einfach für sich ausprobiert. Mittlerweile trägt sie gerne Röcke. Ansonsten bin ich der Meinung, dass man sich eine gut sitzende Basisgarderobe zulegen sollte, auch wenn man wenig Geld hat. Es bringt nichts, wenn man drei Schränke voll hat mit Klamotten, in denen man sich nicht wohl fühlt. Kleidung, die gut sitzt, erhöht auf jeden Fall das Wohlgefühl.
Und wie sieht es mit Haartipps aus?
Ich finde, fast alles ist erlaubt. Auch graue Haare. Und lange Haare. Oder beides. Es sollte zum Typ passen. Schwierig finde ich geflochtene Zöpfe. Das mag ich aber auch bei jüngeren Frauen nicht. Ich selbst bin noch nicht ganz bereit, meine grauen Haare zuzulassen. Ich lasse mir Strähnchen machen. Ich glaube, ich würde mir tatsächlich zutrauen, meine Haare raspelkurz zu schneiden, wenn mich das Färben zu sehr nervt. Meine Haare wachsen unheimlich schnell und sind unkompliziert. Mit meinen Haaren bin ich mutig. Ich denke mir halt immer, die wachsen ja wieder. Ich hatte schon ganz viele verschiede Frisuren in meinem Leben. Ich hatte schon fast alles, auch schon zwei Mal gar keine Haare. Anfang der 90er Jahre lebte ich in Berlin. In der Clubszene haben sich damals viele die Haare abrasiert. Als mein Nachbar seiner Freundin die Haare abrasierte, habe ich es auch getan. Mit markantem Make up und roten Lippen sah das super aus, aber ich hatte schon das Gefühl, dass ein starkes Make up her musste, um die fehlenden Haare wieder wett zu machen. Das zweite Mal war ein Versehen. Die Haare waren wieder auf 5 Zentimeter gewachsen, ich hatte sie gefärbt und die Färbung hat nicht funktioniert. Ich bat meinem damaligen Freund, mit der Schermaschine auf 2 Zentimeter zu schneiden, damit es kürzer wurde und ich es blondieren konnte. Er zuppelte mit der Maschine rum, ich war genervt, riss sie ihm aus der Hand, wollte ihm zeigen, wie er es machen sollte und das Malheur war da. Da musste ich natürlich alles abrasieren. Ich habe es dann zu meinem Modestil gemacht oder damit gespielt, indem ich zum Beispiel Mützen trug.
Abschließend, liebe Frau Macedo: Lesen Sie Frauenzeitschriften?
Sehr selten, eigentlich nur, wenn ich beim Friseur bin oder Zug fahre, aber auch da lese ich eher ein Buch. Was mich an ihnen stört, beschreibe ich auch im Buch. Teilweise geht es dort um Kleidungsstücke, die für die meisten Menschen unerschwinglich sind. Ich glaube, ich bin nicht der Typ für Frauenzeitschriften. Ich gucke lieber mal in Blogs.
Dagmar da Silveira Macedo, Jahrgang 1968, ist Autorin, Texterin und Redakteurin. Sie ist in Deutschland und Kanada aufgewachsen und hat außer Medienberatung noch Kunstgeschichte und Anglistik studiert. Nach Zwischenstationen in Berlin und London lebt sie mit ihrer Patchwork-Familie in Bielefeld. Neben ihrer Selbstständigkeit arbeitet sie dort halbtags an der Universität, wo sie für die Online-Kommunikation zuständig ist.
Mehr über Dagmar da Silveira Macedo erfahren Sie hier.
Dagmar da Silveira Macedo: How to survive als Frau ab 40. So leben Sie glücklich mit Falten, Pfunden und anderen Zumutungen des Älterwerdens. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag Berlin 2018. ISBN 978-3-942665-42-1. Das Taschenbuch kostet 9,99 EUR
Photo Credits: © Tanja Sperzel und © Zoë da Silveira Macêdo
Wie man möglichst entspannt mit dem Älter werden umgeht, ist immer wieder ein Thema bei uns im Blog. Sehr interessant auch, was Ingrid Resch dazu zu sagen hat.