
Das erste, das mir in Mailand auffiel, waren die vielen Frauen aller Altersgruppen in Hosenanzügen. Ihre Selbstverständlichkeit. Ihre Kombination aus Power und Eleganz, Understatement und Weiblichkeit.
Der Erfinder dieses ikonischen Kleidungsstücks, Giorgio Armani, ist am 4. September 2025 im Alter von 91 Jahren in Mailand gestorben. Der Armani-Hosenanzug aber wird weiterleben. Er hat Modegeschichte geschrieben und wird es weiter tun, nicht nur in den Straßen Mailands.
In den 1980er-Jahren revolutionierte Giorgio Armani die Garderobe berufstätiger Frauen, indem er den klassischen Herrenanzug neu interpretierte: weichere Schnitte, fließende Stoffe und gedeckte Farben gaben dem Anzug Eleganz ohne Strenge. Damit wurde er zum Symbol weiblicher Stärke und Professionalität – ein Kleidungsstück, das Autorität ausstrahlt, ohne die Weiblichkeit zu verleugnen. Bis heute gilt der Armani-Hosenanzug als Inbegriff von zeitloser Power-Eleganz und steht für Selbstbewusstsein, Unabhängigkeit und Understatement.
Armani, 1934 in Piacenza geboren, war ein Meister der Reduktion. Mit klaren Linien und dem Mut zum Weglassen prägte er eine Mode, die nicht laut sein musste, um zu wirken. „Weniger ist mehr“ – für ihn war das nicht nur ein ästhetisches Prinzip, sondern eine Haltung zum Leben.
All das wird spürbar, wenn man das Armani/Silos Museum in Mailand betritt. In der ehemaligen Getreidespeicherhalle, die Armani selbst in einen Ort der Erinnerung und Inspiration verwandeln ließ, begegnet man seiner Vision in Reinform: Hosenanzüge, Kleider, Stoffe, die Stille und Kraft zugleich ausstrahlen. Ein Museum, das nicht nur Mode zeigt, sondern eine Haltung zum Leben – und ein Vermächtnis, das weit über die Laufstege hinaus wirkt.
„Meine Arbeit hat ein einziges Ziel: Frauen jene innere Stärke zu geben, die entsteht, wenn sie sich mit sich selbst und dem, was sie tragen, wohlfühlen“ (“My work has one single goal: giving women the inner strength that comes with being at ease, with who they are and what they are wearing.”, Vogue US, Mai 2021), sagte er in einem Interview 2021 in der US Vogue.
Kleidung war für ihn nie bloße Oberfläche, sondern sollte den Menschen sichtbar machen: „Mein oberstes Ziel ist es, Kleidung zu schaffen, die das Individuum feiert und beim Tragen fast verschwindet, damit zuerst die Persönlichkeit hervortritt“ (“My ultimate goal is to create clothes that celebrate the individual, almost disappearing when worn to allow the wearer’s personality to emerge first.”, British Vogue, Juli 2024). Auch in Zeiten der Überproduktion plädierte er für eine Rückkehr zur Qualität: „Ich würde mir wünschen, dass wir alle den Takt der Kollektionen verlangsamen und weniger, aber besser produzieren“ (“I’d love for us all to slow down the cycle of collections, and produce less, but of better quality.”, WWD, 25. April 2020) und hat angefangen, seine Kollektionen um ein Drittel zu reduzieren, um nicht für Outlets produzieren zu müssen.
Sein Credo lässt sich vielleicht am besten in einem Satz zusammenfassen, den er als den wichtigsten Ratschlag seines Lebens bezeichnete: „Der beste Rat, den ich je erhielt … wenn du Schönheit erschaffen willst, tue nur das Notwendige und nicht mehr. Diese Idee von ‘weniger ist mehr’ habe ich mir zu eigen gemacht“ (“The best advice I ever received … if you wish to create beauty, only do what is necessary and no more. That idea of less is more was a doctrine I made my own.”, The Times, 16. März 2015).
Das Schöne daran: Armanis Botschaft war nie an ein Preisschild und letztendlich auch nicht an sein Label gebunden.
Sie lässt sich auch mit einem einfachen, gut sitzenden Anzug oder schlichtem Kleid von der Stange umsetzen: klare Linien statt Überladung, neutrale Farben, die kombinierbar bleiben, und vor allem das Selbstbewusstsein, die eigene Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen. Von Armani können wir lernen, Mode nicht als lautes Statement zu verstehen, sondern als leise Verstärkung unserer inneren Haltung. Eleganz entsteht nicht aus Logos oder Preisen, sondern aus der Fähigkeit, mit wenigen, sorgfältig gewählten Stücken Stärke, Ruhe und Stil auszustrahlen.
Und auch wenn ich zutiefst der Meinung bin, dass mehr meistens mehr ist, nehme ich mir einmal mehr zu Herzen, wie befreiend es sein kann, Ballast wegzulassen und dem Wesentlichen Raum zu geben – in der Mode wie im Leben.
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