Im Hotel de la Terrasse in Varengeville-sur-Mer fühlt man sich schneller wohl, als man eingecheckt hat. Und plötzlch sieht man die Normandie mit ganz anderen Augen!
Die Normandie ist bekanntlich eine Region im Nordwesten Frankreichs, und wenn ich sie mir in meinen 36-Grad-Urlauben in Nizza, Toulouse oder St. Jean-de-Luz vorgestellt habe, dann als kalt, nass und leer. Mit wortkargen, irgendwie eigenen Bewohnern und latent besserwisserischen Touristen, die durch den Regen wandern, unter Schirmen essen und am Abend ihre nassen Anoraks auswringen.
Nun aber war ich in der Normandie. Und eins gleich vorweg: Alle meine Vorurteile haben sich als Quatsch herausgestellt.
Ich bin an die gut vierzig Kilometer langer Alabasterküste gefahren, um in Varengeville-sur-Mer Urlaub zu machen. Auf den gezackten Kreidefelsen und den apfelgrünen Anhöhen rund um den Ort thronen die prachtvollsten Gründerzeitvillen in gepflegten Parks, weshalb Spaziergänge hier besonders reizvoll sind. Es handelt sich zumeist um Zweitwohnungen, denn während ausländische Touristen seit Jahrzehnten die Cote dÀzur besuchen, scheint die Normandie eher in der Hand französischer Familien zu sein.
Sie reisen in ihren Ferien oder an langen Wochenenden aus dem zwei Autostunden entfernten Paris, aus Bordeaux oder Lyon an die Küste. Sonntags kommen sie zum Mittagessen in das Hotel de la Terrasse, wo ich gewohnt habe. Unter den großen, alten Bäumen im Garten oder im Wintergarten versammeln sich dann französische Großfamilien mit sichtlich stolzen Großeltern, mehreren jüngeren Paaren,jüngere Geschwister schaukeln im Garten unter den hohen, alten Bäumen.
Das Hotel de la Terrasse in Varengeville-sur-Mer ist dafür eine gute Kulisse
Ein massives, dreigeschossiges Haus in exklusiver Lage direkt an der Steilküste, erbaut im Jahr 1902 und seither im Besitz der Familie Delafontaine; gerade hat mit den Schwestern Mathilde und Victoria die fünfte Generation übernommen.
Das Hotel erinnert durch seinen Charme, die Einbettung in der Natur, die familiäre Atmsophäre und die Anwesenheit herrlich exzentrischer Stammgäste an den alten französischen Sommerferienfilm „Die Ferien des Monsieur Hulot“ mit Jaques Tati . Natürlich ist die Küche – wir sind ja schließlich in Frankreich – sehr gut! Die Speisen sind regional und saisonal, frische Meeresfrüchte, saftige Steaks, traditionelles Gepack, verfeinert mit Fleur de Sel oder Bordier-Butter.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir bei unserer Ankunft im Hotel – es hat 21 Zimmer, die sehr klein sind, daher hat das Haus auch nur 2 Sterne – das allerkleinste Zimmer erwischt hatten. Es misst 9 Quadratmeter inklusive Bad. Als unser Gepäck im Zimmer war und wir dazu, ging die Tür weder auf noch zu.
Auf meine Bitte hin konnten wir nach einer Nacht umziehen. Nicht dass das neue Zimmer größer gewesen wäre, aber es hatte ein raumhohes Fenster und wenn man es öffnete, hatte man einen herrlichen, weiten Blick auf das Meer. Das erklärt, warum das Hotel de la Terrasse, wie man sich hier erzählt, das Lieblingshotel von Wim Wenders ist.
Was mir in Varengeville-sur-Mer besonders gut gefallen hat
Hier kann man einen sehr erholsamen, genussvollen und zugleich völlig unprätentiösen Urlaub verbringen.Bei Sonnenschein packt man die Strandtasche und geht die paar Schritte durch eine Naturschlucht hinunter zum Strand, der am Fuß der Steilküste liegt. Eine bewirtschaftete Sonnenschirm/Liegestuhl-Armada sucht man hier vergebens.
Der Strand hat hier zwei Seiten. Bei Flut ist er wild und schroff. Bei Ebbe kann man kilometerlang spazieren gehen, die bizarren Felsbrocken bestaunen, manche haben einen Durchmesser von mehreren Metern, schwimmen gehen oder Einheimische beobachten, die zwischen den Steinen Meeresfrüchte sammeln. Bequemer ist es, eines der bodenständigen Restaurants aufzusuchen und sich dort Fisch oder Meeresfrüchte zubereiten zu lassen.
Die Austern geraten in der Normandie besonders prächtig, weil jede Flut – und am Atlanik wirken die stärksten Gezeiten Europas – ihnen Plankton, also Nahrung zuspült. Übrigens: Wenn Franzosen schon zum Mittagessen Weißwein und Austern bestellen, wirken sie dabei alles andere als dekadent, sondern es ist für sie selbstverständlich.
In den Austernbuden am Meer kosten zwölf große Austern 13 Euro, die Händler öffnen sie gegen einen kleinen Aufpreis, und zwar schneller, als man gucken kann. Ebenso frisch und preiswert sind sie in den kleinen Strandrestaurants mit Blick aufs Meer.
In Varengeville zu verweilen, bedeutet, sich vom Alltag zu entkoppeln. „Ich möchte im Einklang mit der Natur sein und sie nicht nur kopieren.“ Diese Worte von Georges Braque stehen auf der Mauer des kleinen Seefriedhofs, der hoch über dem Meer liegt. An diesem Ort ist der Maler begraben, nachdem er über 30 Jahre in diesem ruhigen Dorf gelebt hat. Die kleine Kirche ist mit drei Glasfenstern ausgestattet, die er entworfen und gestiftet hat.
Künstler waren und sind von diesem Ort fasziniert. Braque traf hier mit dem Bildhauer Alexander Calder, dem Maler Juan Miro und dem Architekten Paul Nelson zusammen. Claude Monet und Renoir fanden hier Inspirationen. André Breton traf mit Louis Aragon zusammen. Jeder Stein hat hier eine Geschichte zu erzählen. Für Touristen gäbe es eigentlich keinen Grund,nicht in Scharen über das Dorf herzufallen. Von den Normannen werden sie das allerdings nicht erfahren.
Wo? Hotel de la Terrasse, Route de Vasterival, 79119 Sainte-Marguerite-sur-Mer
Ein weiteres Bijou an der Küste der Normandie ist das Hotel „La Douce France“ im ganz besonders bezaubernden Ort Veules-les-Roses.




