Ich kann mich nicht erinnern, wann ich jemals so lange über einen Beitrag in unserem Blog nachgedacht hätte wie über den, den Cerstin vorletzten Freitag geschrieben hat. In „Graue Haare sind immer nur an anderen schön“ berichtet sie von ihren ersten grauen Haaren und wie sehr sie damit hadert. Im letzten Satz teilt sie uns mit, dass sie sie kurzerhand überfärbt hat.
Hm, dachte ich. Wie schade!
Auf die Gefahr, dass es irre klingt: Ich, die ich seit vielen Jahren meine Haare färben lasse, bedaure, dass Cerstin nicht natürlich grau wird? Ja, so ist es. Und jetzt erkläre ich Euch den Grund:
Zuallererst mal fand ich Cerstin sehr schön mit den ersten Anzeichen grauer Haare. Sollte sie sich je entschließen, ihre langen Haare grau werden zu lassen, wird sie eine sehr schöne Frau mit sehr schönen. langen, grauen Haaren sein.
Der zweite Grund hat mit mir zu tun. Im Frühjahr 2015 habe ich meinen gescheiterten Versuch, in Würde zu ergrauen und meine Rückkehr zum braunen Bob hier im Blog beschrieben. Mittlerweile sind drei Jahre vergangen. Sehe ich mich im Spiegel, denke ich: Schöne Haare. Doch ich weiß auch, welchen Aufwand ich inzwischen treibe, damit der braune Bob so aussieht, wie er aussieht, nämlich natürlich und wie von der Sonne beschienen – und nicht, als hätte ich mir einen braunen Kochtopf übergestülpt.
Die Färbe-Prozedur
2015 reichte es, wenn ich alle 6 Wochen die Ansätze nachfärben ließ. Meine Sitzungen beim Friseur sind jetzt aufwendiger. Inzwischen ist der Weißanteil der Haare gestiegen, sodass ich einmal im Monat färben und alle 6 Monate zusätzlich blonde Strähnchen einfärben lasse. Jeder Besuch im Friseursalon hat eine gewisse Komik, der Christine, meine Friseurin und ich mit Galgenhumor und Selbstironie begegnen. Bevor die Prozedur beginnt, bitte ich Christine, den Laden abzuschließen und die Fenster zu verhängen, damit mich möglichst keiner sieht. Nachdem Christine die Farbe auf mein Haar aufgetragen hat, sehe ich aus, als hätte sie mir einen Kuhfladen um den Kopf gelegt. Den Kuhfladen umwickelt sie mit einer durchsichtigen Plastikfolie, was mich auch nicht attraktiver macht, und setzt mich damit für ca. 60 Minuten unter eine Wärmehaube. Das ist die Zeit, in der ich meinen Kopf tief über die Frauenzeitschriften beuge, um mich intensiv dem Studium der Königshäuser zu widmen. Die Gala bewährt sich hier mehr als die Bunte, denn sie ist großformatiger und bietet ein prima Schutzschild für den Fall, dass ein Bekannter den Laden betritt.
Jede Sitzung dauert zweieinhalb Stunden. Wenn mir die normale Färbeprozedur schon langwierig erscheint, will ich besser über das Strähnchen-Procedere den Mantel des Schweigens hüllen. Gut, es ist jetzt nicht so, dass ich dazu im Salon übernachten müsste, aber einen kleinen Imbiss für Christine und mich habe ich dann schon dabei.
In der Farb-Sackgasse
Das alles muss eine Frau wissen, bevor sie sich auf den Weg – oder soll man sagen: in die Sackgasse begibt, nicht zu ihrem Grau zu stehen. Sobald wir den ersten Schritt in diese Richtung gehen, haben wir die Sackgasse betreten. Aus ihr wieder heraus zu finden, ist nicht einfach. Wem es nicht gelingt, der fährt irgendwann vor die Wand, sprich: der Aufwand, dunkel gefärbtes Haar auf dem Kopf einer älter werdenden Frau noch natürlich aussehen zu lassen, wird so groß, dass man ihn nicht mehr leisten möchte und gezwungen ist, umzukehren.
Eine andere Sackgasse, die schnell betreten und nur schwer wieder zu verlassen ist, sind Beauty-Eingriffe. Über die Botox-Sackgasse hat Dagmar da Silveiro Macedo letzte Woche bei uns berichtet.
Über die Umkehr mache ich mir vermehrt Gedanken. Der Mann meiner Wahl meint dazu: Kein Problem. Ich solle mir einfach die Haare auf 5 Millimeter abrasieren lassen, für ein halbes Jahr an einem südeuropäischen Strand Urlaub machen und ein Hotel nehmen, das so billig ist, dass es nicht mal Spiegel hat.
Zeigt mal wieder, dass eine Frau die entscheidenden Fragen im Leben besser allein löst. Oder etwa nicht?
Letzten Oktober habe ich den Schritt gewagt zu weißem Haar und nur positive Resonanz geerntet. Ich fühle mich so viel wohler als mit den gefärbten Haaren. Wer Lust hat, kann die ganze Geschichte auf meinem Blog Sweet Sixty unter „Nie wieder färben“ nachlesen.
Liebe Grüße
Karin
Autor
Liebe Karin,
vielen Dank für den Hinweis auf Deinen Blog. Toll gemacht. Kompliment!
Herzliche Grüße,
Ursel