Kaffeekultur – vermutlich denkt ihr das sogleich an Wien. Mir zumindest kommt bei dem Wort sofort die Metropole Österreichs mit ihren unzähligen Kaffeehäusern in den Sinn. Japan hingegen eigentlich nicht, denn es ist ein Land, das für seine tief verwurzelten Teezeremonien, kunstvoll gefertigten Teekannen und eine jahrhundertealte Matcha-Kultur bekannt ist. Doch Kaffee? Der gehört auf den ersten Blick nicht in das traditionelle Bild Japans. Und doch – oder vielleicht gerade deshalb – entwickeln sich Coffee Shops im Land der aufgehenden Sonne immer mehr als wichtiger Teil urbaner Stadtkultur. Diese Orte sind aber mehr als nur ein Zwischenstopp für Koffein: sie sind Schaufenster für Design, handwerkliches Können und den unermüdlichen japanischen Stolz auf Perfektion. Und somit bietet die neue Kaffeekultur Japans einen sehr interessanten Blick auf das moderne Japan.
Kaffeekultur in Japan heisst: grosse Liebe zum Detail
Betritt man einen der zahllosen kleinen, oft versteckten Coffee Shops in Tokyo, Kyoto oder Osaka, wird schnell klar, dass hier mit Liebe zum Detail gearbeitet wird. Die Baristas wirken wie Künstler an der Espressomaschine – mehr, als sie das vielleicht sowieso auch anderswo tun. Was mir hierbei sofor besonders ins Auge fiel, war der Stolz der Mitarbeiter. Wie zum Beispile bei Kielo Coffee in Tokyo. Die Baristas dort erklärten mit einer fast wissenschaftlichen Begeisterung, wie sie die Aromen durch bestimmte Röstprofile hervorheben, von fruchtigen Noten bis hin zu dunkler Schokolade. Auf kleine Karten, extra auch auf English erhältlich, konnte man das Geschmacksprofil noch einmal genauer studieren.
Man hatte hier den Eindruck, dass sich die Angestellten regelrecht freuten, Touristen im Coffee Shop zu haben. Am dritten Tag kam heraus: sie sahen es ein wenig als Bestätigung, dass versiertere Kaffeetrinker – da Kaffee in Deutschland eben eher die Norm ist – immer wieder gerne in den Coffe Shop kamen. Das hätten wir sicher auch noch öfter gemacht, wenn es nicht weiter nach Hiroshime gegangen wäre. Ein wenig mehr zum Kielo Coffee gibt es hier.
Kaffeekultur ist in Japan oft auch ein wenig Designkultur
Doch die Faszination hört nicht beim Kaffee auf. Die Coffee Shops selbst sind oft ein kleines Erlebnis. Japanische Innenarchitektur spielt mit Kontrasten: raues, unbehandeltes Holz trifft auf Beton, minimalistisches Design auf liebevoll ausgewählte Dekorationen. Oft sind es kleine Details, die die Atmosphäre prägen: eine einzelne Vase mit einer sorgfältig arrangierten Blume, handgefertigte Tassen oder ein Sitzplatz mit Blick auf einen winzigen Zen-Garten. In diesen Räumen spiegelt sich die japanische Wertschätzung für Einfachheit und Harmonie wider, die in der Teezeremonie tief verwurzelt ist – hier nur eben mit einem modernen Kaffee-Twist
Kaffeekultur – Kulturwandel
Die Beliebtheit von Coffee Shops hat in Japan auch mit einem kulturellen Wandel zu tun. In einer Gesellschaft, die für ihren geschäftigen Alltag bekannt ist, bieten diese Orte eine Art Gegenpol: einen Raum zum Innehalten. Ob mit einem Buch, einem Laptop oder in stiller Betrachtung der Umgebung: hier laden die Coffee Shops, wie auch Teehäuser, noch dazu ein, sich eine Auszeit zu gönnen. In vielen Coffee Shops waren Laptops auf dem Tisch nicht angesagt!
Aber man muss auch einen weiteren Zusammenhang sehen: Bbesonders in Großstädten wie Tokyo, wo Platz ein Luxusgut ist, sind diese kleinen Rückzugsorte von unschätzbarem Wert. In Coffee Shop Ketten sah man so zum Beispiel jeden Nachmittag Schüler sitzen, die dort wohl ihre Hausaufgaben machten.
Kaffeekultur? Matcha machts auch
Trotz all dieser Begeisterung für Kaffee bleibt da aber noch die japanische Tee-Tradition. Matcha, das fein gemahlene Grünteepulver, ist noch immer das Herzstück der japanischen Teekultur. Zwar haben auch viele Coffee Shops Matcha-Getränke auf ihrer Karte – von Matcha Lattes bis hin zu Matcha-Cappuccinos – doch Puristen mögen das wohl als kleine Perversion betrachten. Schließlich war Matcha nie dafür gedacht, mit Milch und Zucker „verdünnt“ zu werden. Und dennoch: für viele, mich eingeschlossen, ist der Matcha Latte ein Genuss. Die Cremigkeit der Milch kombiniert mit der leichten Bitterkeit und den grasigen Noten des Matcha – ich finde, es ist wirklich die perfekte Kombination.
Ausserhalb von Japan ist übrigens der Matcha Latte in Uniqlo Cafes wirklich keine so schlechte Wahl! Den von Starbucks wollen wir dann aber lieber einmal gar nicht erst bestellen …