Ein Buch, auf das ich mich sehr sehr freue in diesem Sommer, ist ein dicker Wälzer, 900 Seiten lang, die Benjamin Moser über Susan Sontag zusammengetragen hat. Der Mythos der supererfolgreichen amerikanischen Schriftstellerin besteht darin, dass sie intellektuell einzigartig war, toll aussah und mit berühmten Männern und Frauen schlief. Für eine Frau wie sie gab es im New York der 50er und 60er Jahre wenig Vorbilder, also war sie das Modell. Eine der herrlichen Anekdoten aus ihrem Leben handelt von den Parties bei ihrem Verleger Roger Straus. Dort war es üblich, dass nach dem Essen die Frauen „nach oben“ gingen und die Männer bei ihren Gesprächen unter sich blieben. Die noch nicht dreißigjährige Susan Sontag blieb einfach sitzen und sprach weiter. „Susan brach mit der Tradition,“ erzählt die Dame des Hauses, Dorothea Straus, „und wir haben uns nach dem Dinner nie wieder aufgeteilt.“
Zu den Widersprüchlichkeiten ihres Lebens gehörte, dass sie die in einem Zeitalter geboren war, in dem man seine Homosexualität verbergen musste und sie auch noch als gestandene Frau nicht zu den Beziehungen stand, die sie zu Frauen unterhielt. Sogar als gegen Ende ihres Lebens ganz New York wusste, dass sie mit der Fotografin Annie Leibovitz zusammenlebte, leugnete sie, dass es sich um eine Liebesbeziehung handelte.
Trotzdem eine tolle Frau!
Benjamin Moser: Sontag. Die Biografie. Aus dem Englischen von Hainer Kober. Penguin, München 2020.