Sie muss es wissen: Coco Chanel, Designerin, die die Modewelt revolutionierte und Unternehmerin mit 300 Angestellten, gilt als Doyenne des Glamour, der Emanzipation und des feinen Lebens. Immerhin wohnte sie ständig in einer Suite des Ritz. Heute beantwortet sie meine Fragen.
Frage: Ich bin mittlerweile Mitte 60. Soll ich, wenn ich gefragt werde, zu meinem Alter stehen?
Coco Chanel: Ich erinnere mich ungern an mein Geburtsjahr. Ich habe es aus meinem Pass entfernen lassen. Mein Alter variiert mit dem Tag und den Menschen um mich herum.
Frage: Ich bin zwar derzeit gut unter, aber man weiß ja nie. Sollte ich noch mal in die Verlegenheit kommen: Für welchen Mann sollte ich mich entscheiden?
Coco Chanel: Ich entschied mich für den Mann, der mir die größte Sicherheit bot. Der Herzog von Westminster zum Beispiel war der reichste Mann Europas. Er hatte überall Häuser. Auf jeder Reise habe ich neue entdeckt. In Irland, in Dalmatien, auch in den Karpaten gibt es ein Haus, das ihm gehörte. Ein Haus, in dem alles vorbereitet war, in dem man bei der Ankunft speisen und zu Bett gehen konnte, ein Haus mit poliertem Silberbesteck, livrierten Dienern, Autos (die siebzehn Rolls Royce in der Garage in Eaton Hall sehe ich noch immer vor mir!), mit geladenen Batterien, kleine, mit Benzin betankte Motorboote im Hafen. Zehn Jahre meines Lebens habe ich mit Westminster verbracht. Hinter seinem unbeholfenen Äußeren verbarg sich ein talentierter Jäger. Es erfordert Geschick, zehn Jahre an mir festzuhalten. Diese zehn Jahre des Zusammenlebens mit ihm waren geprägt von Liebe und Freundschaft. Er war die Liebenswürdigkeit und Güte in Person.
Frage: Und nebenbei vielleicht eine Affäre?
Coco Chanel: Jeder Mensch im Westen sollte einmal dem slawischen Charme erliegen, um zu wissen, was das ist. Ich war bezaubert. Nur diese Großfürsten sind alle gleich – sie sahen blendend aus, aber es war nichts dahinter. Grüne Augen, zarte Hände und Schultern, friedliebend, furchtsam. Sie tranken, um ihre Angst zu vertreiben. Hochgewachsene, schöne und prachtvolle Gestalten, aber dahinter – nichts, nur Wodka und große Leere. Mit dem Vetter des Zaren aß ich zu Abend. Am nächsten Tag sah ich ihn wieder. Ich sagte in aller Freundschaft: „Ich habe mir gerade einen kleinen, blauen Rolls gekauft, fahren wir doch nach Monte Carlo.“ Er sagte, er habe kein Geld, besitze nur fünfzehntausend Franc. „Ich lege noch einmal dieselbe Summe drauf“, antwortete ich. „Mit dreißigtausend haben wir genug, um uns eine Woche zu amüsieren.“
Frage: Das Leben ist oft so anstrengend. Wie komme ich zur Ruhe?
Coco Chanel: Dass ich gerne Selbstgespräche führe und nicht auf das höre, was andere mir sagen, liegt vielleicht daran, dass die Toten die ersten waren, denen ich mein Herz öffnete. Jedes Kind hat einen besonderen Ort, an dem es sich gern versteckt, wo es spielt und träumt. Bei mir war das ein Friedhof in der Auvergne. Ich kannte dort niemanden, nicht einmal die Toten. In diesem verwunschenen Garten war ich die Königin. Ich liebte seine unterirdischen Bewohner. Zwei namenlose Grabstätten hatte ich besonders gern, schmückte sie mit Mohn, Gänseblümchen und Kornblumen. Und brachte meine selbstgemachten Stoffpuppen hierher. Ich wollte sicher sein, geliebt zu werden, aber ich lebte unter Menschen ohne jedes Mitgefühl. Ich erfuhr keine Zuneigung.
Frage: Welchen Garderobe-Tipp haben Sie für mich?
Coco Chanel: Ich entwerfe Jacken, die die Frauen befreien. Es geht nur um Freiheit. Die Freiheit, Auto zu fahren, auf einem Fahrrad zu sitzen, zur Arbeit zu laufen. man muss vergessen können, was man anhat. Im Vergessen liegt die Freiheit.
Frage: Was macht ein gut gelebtes Leben aus?
Coco Chanel: Ein einfaches Leben mit einem Mann und Kindern – ein Leben mit den Menschen, die man liebt, ist das wahre Leben. Ich habe diejenigen verloren, die ich geliebt habe. Es gibt nichts Schlimmeres, als allein zu sein. Alles, was mir geblieben ist, sind Kleider und Mäntel. Eine Frau, die nicht geliebt wird, ganz gleich, wie alt sie ist … eine Frau muss von einem Mann betrachtet werden, der sie liebt. Ohne diesen Blick stirbt sie.
Frage: Welche Frau taugt zum role model?
Diane de Poitiers. Wenn sie mit dem König auf die Jagd ging, trug sie eine Maske, damit der wind und die Unbill des Winters ihrer Haut nichts anhaben konnten. Bei Vollmond trat sie nackt auf die Terrasse, um ein Mondbad zu nehmen. Drei Mal am Tag nahm sie ein kaltes Bad. Über ihrem Bett hing das Motte „Seule.“ Natürlich war sie nicht so sehr allein, immerhin hatte sie zwei Könige.
Antworten entnommen aus: Justine Picardie: Chanel. Ihr Leben. Aus dem Englischen von Gertraude Krueger und Dörthe Kaiser, mit Zeichnungen von Karl Lagerfeld. Göttingen 2011.
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