Manche Kinderträume werden zeitnah wahr, wie das Monchichi mit rosa Haarschleife, das man sich so sehnsüchtig gewünscht hat und das dann endlich, endlich unterm Weihnachtsbaum liegt. Andere, wie der Drache als Haustier, zum Glück nie.
Einige, wenige brauchen Jahre. Jahre, in denen sie immerzu gut versteckt im Hinterkopf rumschwirren, Schublade „Sehnsucht“, und heimlich oder auch unheimlich darauf warten, realisiert zu werden. Das eigene Pferd oder der Pilotenschein zum Beispiel.
Ich war zehn Jahre alt (und begeisterte Mineralien- und Gesteinesammlerin), als mein Vater mir einen Lavastein schenkte. Ich las alles über Vulkane, was ich in die Finger bekam, und war mir sicher, eines Tages werde ich einen erklimmen. Nun sind Vulkane vor allem in unseren Breitengraden eher selten und so verschwand dieser Traum für lange Zeit in der Sehnsuchtsschublade. Der Lavastein bekam einen sicheren Platz, gut verwahrt in meiner Sammelkiste im Keller meiner Eltern.
Juli 2013, ich sitze in einem Motorboot, die Gischt peitscht mir ins Gesicht, am Horizont erscheint der Anak Krakatau, majestätisch schwarz, die Spitze in fluffige, weiße Wolken gehüllt, grüner Regenwald rund um den Fuß. Letzter Ausbruch vor 5 Monaten.
Das Boot geht vor Anker und wir waten durch das warme Wasser des indischen Ozeans über feinsten schwarzen Sand. Unser Guide drückt uns eine Flasche Wasser in die Hand und los geht’s. Üppige Vegetation weicht schnell einer kargen, schwarzen Steinwüste, verbrannte und mittlerweile ausgeblichene Äste bilden einen beeindruckenden Kontrast. Riesige Lavabrocken haben sich tiefe Schneisen in den Untergrund gefräst. Festes, anthrazitfarbenes, älteres Lavagestein und neues, poröses, tiefschwarzes liegen nebeneinander, dann sehen wir auch die ersten Bröckchen des tiefroten Gesteins, das tief aus dem Inneren des Vulkans hoch geschleudert wurde. Zwischendurch wabern kleine milchige, stinkende Gaswolken zwischen den Brocken hoch. Die Landschaft ist faszinierend und beängstigend zugleich, surreal.
Unser Guide führt uns bis zum äußeren Kranz. Ab hier wird es zu gefährlich, sagt er, denn noch immer spuckt der Vulkan kleine, heiße Schlackebröckchen und die Konzentration von Schwefelgasen nimmt zu.
In der Ferne sehen wir den Rakata, das Meer glitzert, ein einsamer Schmetterling, handtellergroß, flattert um uns herum. Viel zu schnell geht es wieder zurück.
Unter den Bäumen an der Küste hat unsere Crew einen Grill aus Bambusrohren gebaut, darauf marinierte Red Snapper, Calamares und Tiger prawns, frisch vom Morgenmarkt in Carita Beach. Danach gehen wir noch schnorcheln. Auf dem Rückweg habe ich ein breites Grinsen im Gesicht und zwei rote Lavabrocken in der Tasche, die ich meinen kleinen Neffen mitbringen werde. Kinderträume, vielleicht.