(Annabelle Gräfin Oeynhausen (in Talbot Runhoff), Michael Sailstorfer, Marina Wolf – auf der Vernissage der begehbaren Skulptur „Kopf und Körper“ im Gräflichen Park Bad Driburg. Foto: Ralf Meier von meierpress)
Ein kantiger Kopf auf Stelzen aus Lärchenholz. Er ist über eine Leiter begehbar wie ein Hochsitz. Gut sichtbar ragt die Skulptur des Künstlers Michael Sailstorfer über die Hecken des Irrgartens im Gräflichen Park Bad Driburg empor. Ein Gespräch über das „Kopf und Körper Bad Driburg“ betitelte Kunstwerk mit seiner Initiatorin, der Kunsthistorikerin Annabelle Gräfin von Oeynhausen-Sierstorpff, der Hausherrin im Gräflichen Park.
1. Wie ist die Idee für eine Skulptur im Zentrum des Irrgartens im Gräflichen Park entstanden?
Der Irrgarten ist 2009 gepflanzt worden. Mein Mann wollte dafür eine einfache Aussichtsplattform zimmern lassen. Ich habe die Idee eingebracht, das Projekt mit einem kulturellen Anspruch zu verbinden. Bei der Suche nach einem Künstler hat mich Roland Nachtigäller, der künstlerische Leiter des Museums Marta in Herford, unterstützt. Es gibt nur wenige Künstler, die architektonische Arbeiten machen. Daher haben wir zunächst an den Architekten David Chipperfield gedacht, haben ihn auch persönlich getroffen. Aber unser Budget war für ihn zu klein.
2. Warum haben Sie sich für Michael Sailstorfer entschieden?
Es war eine instinktive Entscheidung nach einem Schlüsselmoment vor vier Jahren. Beim Gallery Weekend in Berlin sah ich in der Galerie von Johann König Installationen und einen Film vom Michael Sailstorfer, die mich begeistert haben. Kurz danach gab es im Kurhaus Kleve eine Einzelausstellung mit ihm. Sailstorfer hat sich auf uns eingelassen, weil er das Thema Labyrinth schon in früheren Arbeiten thematisiert hat.
3. War es schwierig, das Kunstwerk zu finanzieren?
Es denken immer alle, dass wir unsere Matratzen mit Geld gestopft haben und ich nur meinen Mann zu fragen brauche, damit er mir ein paar Bündel Geld hinwirft. Aber das ist nicht so. Wir investieren eigentlich jeden Cent, den wir haben, im Unternehmen. Die Finanzierung war eine lange Geschichte. Im Sommer 2017 fanden in Münster die Skulpturenprojekte und in Kassel die Documenta statt. Bad Driburg liegt genau zwischen diesen Städten. Aus diesem Grund wollte ich gerne hier etwas veranstalten. Ich habe das für unsere ländliche Region als tolle Möglichkeit empfunden, uns besser zu vermarkten und Besucher anzulocken. Die regionale Kulturförderung hat mich leider nicht unterstützt. Da habe ich gesagt: Dann macht es eben die Diotima Gesellschaft allein. Schon seit vielen Jahren sammle ich bei meinen Ladies Lunches und bei jeder Führung, die ich durch den Park mache. Zu meinem 50. Geburtstag in diesem Jahr habe ich auch gesammelt. So konnte die Skulptur durch Privatspenden bezahlt werden.
4. Die Skulptur wirkt sehr rough. Passt sie an diesen lieblichen Ort?
Sailstorfers Arbeiten sind durch seine Materialien und Symbolik oft sehr rough. Er hat ja was Brachiales, da kommt eine starke männliche Kraft durch. Ich glaube, dass er nie was Liebliches im Sinn gehabt hätte. Die Arbeit ist sehr kraftvoll. Für mich war der Irrgarten vorher nur eine Hecke und jetzt hat er eine richtige Persönlichkeit.
5. Der Kopf der Skulptur ist hohl. Was sieht er hier in Bad Driburg?
Am Anfang hat er viele Jugendliche gesehen, die da gerne Party machen. Wir müssen nach dem Wochenende immer viel Müll aufsammeln, was mich einerseits ärgert, andererseits freue ich mich, dass die Jugend kommt. Der Kopffüßler zieht viele Kinder und andere junggebliebene Parkbesucher an, die aufgeschlossen sind. Das freut mich sehr. Man hört immer fröhliche Stimmen im Irrgarten.
6. Bei Ihrer Rede auf der Vernissage waren Sie sehr bewegt.
Ich war schon sehr gerührt. Ich habe so lange für diesen Kopffüßler gekämpft und mich auch missverstanden gefühlt. Mein Anliegen ist, unsere Region als kulturelle Landschaft nach vorne zu bringen, aber man fühlt sich hier oft echt allein mit seinen Ideen. Da war ich sehr begeistert, dass die Stadt Bad Driburg sich dafür entschieden hat, das Kunstwerk zu fördern. Aber am Ende hat es einen anonymen Spender gegeben. Das ist einfach überwältigend. Er hat die letzte Tischlerrechnung übernommen. Wer es ist, weiß ich bis heute nicht.
7. Wie hat die Kunstwelt auf die Skulptur reagiert?
Von der Fachpresse war es eher wenig. Ich glaube, es war einfach zu viel los in diesem Kunstsommer. Aber in der Lokalpresse und online ist einiges gelaufen. Die Resonanz der Besucher ist ebenfalls gut. Ich habe selbst zahlreiche Gruppen geführt. Es hat mich auf jeden Fall sehr motiviert, weitere Kunstprojekte zu initiieren. Die Lesungen, Konzerte und Theaterstücke, die ich anbiete, werden leider immer weniger besucht. Gerade musste ich eine Lesung mit Feridun Zaimoglu absagen, das hat mich tief getroffen. Doch ich weigere mich, populistische Veranstaltungen zu machen, bei denen es um Lappalien geht. Ich möchte meiner Linie mit Veranstaltungen zu aktuellen oder regionalen Bezügen treu bleiben.
8. Ihre Sommer-Vernissagen sind inzwischen gesellschaftliche Ereignisse. Wer schafft es auf die Gästelieste?
Es sind keine geschäftlichen Veranstaltungen, sondern meine ganz persönliche Sache. Es sind die Mitglieder der Diotima Gesellschaft da, die die Aktivitäten überhaupt erst durch ihre Beiträge möglich machen. Es sind natürlich meine treuen Wegbegleiter und Freunde da, die ich gerne mit dem jeweiligen Künstler zusammen bringen möchte. Auch der Künstler soll ja das Gefühl haben, dass da Leute sind, die an seinem Werk interessiert sind. Ich finde die Gästemischung toll. Natürlich wünsche ich mir, dass noch mehr Kunstwelt kommt. Aber mein Gott! Es ist jeder so beschäftigt und nur weil ich so beweglich bin, kann ich nicht verlangen, dass jeder ständig nach Bad Driburg kommt.
9. Was trugen Sie in diesem Jahr auf der Vernissage?
Einen weißen Jumpsuit von Talbot Runhoff. Er ist lässig, aber auch elegant. Wegen der hohen Leiter wollte ich eine Hose tragen. Ich wollte eine sommerliche Leichtigkeit, natürlich auch eine Eleganz. Ich wäre nicht in Jeans gekommen, denn ich fand, es gab was zu feiern. Ich kleide mich eher intuitiv, aber wenn ich es mir überlege, passte der Jumpsuit ideal zum Kunstwerk. Er ist gerade geschnitten und hat hinten am Oberteil eine Öffnung. Genauso wie der Kopffüßler von Michael Sailstorfer.
Die nächste Veranstaltung der Diotima Gesellschaft im Hotel Gräflicher Park Grand Resort:
„Der schönste Aufenthalt der Welt. Dichter im Hotel.“ Tea Time und Lesung mit Rainer Moritz am 26. November um 15 Uhr.
Sie möchten mehr über Annabelle Gräfin von Oeynhausen-Sierstorpff erfahren? Hier stellen wir die Kunstexpertin als charmante Gastgeberin vor.