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Charlotte Perriand in Paris

Charlotte Perriand in ParisAls sich die 24jährige Charlotte Perriand im Jahr 1927 im Pariser Atelier des Architekten Le Corbusier um eine Stelle bewarb, wimmelte der selbstherrliche Meister sie mit den Worten „Wir besticken hier keine Kissen.“ ab. Wenig später ruderte er zurück. Auf dem kurz darauf stattfindenden Salon d´Automne hatte er ihre „Bar sous le toit“ aus Metall gesehen. Sie hatte sie für ihre Dachwohnung an der Place Saint-Sulpice auf der Rive gauche entworfen. Schlichte, kühle Möbel für ein anderes, ein neues, freies und geselliges Leben.

Als die Innenarchitektin in Le Corbusiers Atelier zu arbeiten begann, war sie für den Entwurf und die Produktion der Möbel zuständig. „Le Corbusier erwartete von mir voller Ungeduld, dass ich den Möbeln Leben einhauchte“, sagte sie später über diese Zeit. Die Gabe, Dinge mit Leben erfüllen zu können, prägte Perriands Schaffen. Einige ihrer Werke wurden weltberühmt, darunter Freischwinger aus Stahlrohr und Leder, die Stahlrohrliege LC4 oder der LC2 Sessel und das LC3 Sofa – zeitlos elegante, kantige Sitzmöbel in Stahlrohr gefasst. Bezeichnend ist, dass Perriand diese Produkte entwickelte, sie aber unter Le Corbusiers Namen vertrieben wurden und werden. Lange, sehr lange wurde die Designerin einfach als eine Mitarbeiterin des großen Meisters abgetan. Eine fantastische, absolut sehenswerte Ausstellung in der Pariser Fondation Louis Vuitton hat ihr nun zu ihrem zwanzigsten Todestag eine Retrospektive eingerichtet und feiert sie als eine bedeutende Gestalterin der Moderne.Charlotte Perriand in Paris

Höhepunkt der Ausstellung waren für mich 7 originalgetreue, begehbare Nachbauten ihrer Entwürfe, darunter ihr 1934 entwickeltes simples Strandhaus, ganz aus Holz gemacht und auf Stelzen gebaut, mit einem offenen Patio zwischen den beiden Wohnflügeln. Es sollte einer breiten Bevölkerungsschicht ermöglichen, Ferien am Meer zu verbringen. Begehbar für die Besucher steht es nun im Wasserbassin vor der großen Kaskade des Museums.

Ihr innovatives Interieur für den Pariser Herbstsalon 1929 kommt ausschließlich mit Metall- und Glasmobiliar aus, trennt Schlafzimmer und Bad nur durch ein Mäuerchen ab und stellt die Duschkabine mitten in den Raum. Auch die „Behausung für einen jungen Mann“ aus dem Jahr 1935, ein von einem Netz unterteilter hoher Raum, links mit Arbeitstisch, Lesesessel und Aktenschrank, rechts mit Turnseil und Kletterstange vor einem Originalfresko von Fernand Léger, ist ganz auf einen modernen, unkonventionellen Lebensstil ausgerichtet.

Ein Foto aus jenen Jahren ist das Leitmotiv der Ausstellung. Es zeigt die aus Savoyen stammende Charlotte Perriand, selbst eine leidenschaftliche Skifahrerin, die in einer winterlichen Gebirgslandschaft mit nacktem Oberkörper und muskulösen Armen ihre Skischuhe in die Höhe reckt und dabei ihre berühmte Kette aus verchromten Kugellagerkugeln um den Hals trägt. Die Designerin wusste sich zu inszenieren. Inzwischen wurde sie von der einschlägigen Fachpresse zunehmend wahrgenommen und als Avantgardistin gefeiert.Charlotte Perriand in Paris

1937 verließ Charlotte Perriand Le Corbusiers Büro. Den roten Faden ihres insgesamt gut 70jährigen Schaffens bildet der Vorrang menschlicher Bedürfnisse vor dem Design, gepaart mit ihrem sozialen Engagement Ab 1931 fuhr sie wiederholt nach Moskau, eine Zeit lang liebäugelte sie mit dem Kommunismus.

Als Perriand 1940 auf Einladung der japanischen Regierung als Beraterin für Industriedesign nach Tokio übersiedelte, richtete sie im Land ohne Sitzmöbelkultur auf die Schnelle eine wegweisende Ausstellung ein, indem sie, angeregt durch den Anblick einer Zuckerzange aus Bambus, Bambusstauden zu Stühlen und Liegen bog, Wandteppiche stricken ließ und ihre Interieurs mit den Arbeiten ihrer Pariser Künstlerfreunde dekorierte. Wohnen war für sie eine Kunst und Kunst musste im Alltag gegenwärtig sein.
Charlotte Perriand arbeitete unermüdlich bis in ihre letzten Lebenstage. In den Sechzigerjahren entwarf sie für den Wintersportort Les Arcs in Savoyen gigantische Wohnblöcke mit insgesamt 30 000 Apartements.

Ganz oben im Gehry Bau schließt die Ausstellung mit dem japanischen Tee-Pavillon, den Perriand 1993 für das Pariser Hauptquartier der Unesco als Ort der Ruhe und Meditation entwarf. Auch dieses feine Wunderwerk, einschließlich der hohen Bambuspflanzen, wurde für die Ausstellung nachgebaut.Charlotte Perriand in Paris

Die 1999 mit 96 Jahren verstorbene Charlotte Perriand war ihrer Zeit weit voraus. In der Gestaltung von Möbeln und Häusern ebenso wie als Frau, die sich in ihrer gut 70 Jahre (!) währenden Arbeit selbst verwirklichte, sich für einen bewussten Umgang mit der Natur und humane Lebensbedingungen für alle Bevölkerungsschichten einsetzte und dabei die Grenzen zwischen Architektur, Design und Kunst verschwimmen ließ.

Le Monde nouveau de Charlotte Perriand. 1903 – 1999. Fondation Louis Vuitton Paris. Bis 24. Februar. www.fondationlouisvuitton.fr

Sie möchten noch einmal nachlesen, was ich sonst noch so in Paris gesehen habe? Bitte hier entlang.

Wie Sie schön elegant auf Charlotte Perriands Zweisitzer Platz nehmen können, zeigt Ihnen Cerstin hier. Bitte runterscrollen bis zum zweiten Foto.

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2 Kommentare

  1. Marly Jedelhauser
    11/12/2021 / 16:22

    wie wohltuend!!!!

  2. Marly Jedelhauser
    11/12/2021 / 16:23

    eine Designerin die Mut macht, auch heute!

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