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Das etwas andere neue Jahr: zu Mitternacht gibt es Brexit

Nun ist es also soweit. Das etwas andere neue Jahr beginnt: zu Mitternacht gibt es Brexit. Jedenfalls bei euch in Deutschland – hier wird es erst 23 Uhr sein. Aber die Uhrzeit ist ja nur Nebensache. Grossbritannien ist total zerrüttet und der Brexit wird alles noch schlimmer machen. Das Schottische Parlament hat gegen den EU Austritt gestimmt, die Schotten selbst sowieso; die jungen Menschen wollen den Brexit auch nicht; und Boris Johnson hat überhaupt nur aufgrund des seltsamen Britischen Wahlsystems eine Mehrheit – nach Gesamtstimmen gezählt hat er sie nicht, die meisten Stimmen gingen nämlich an Parteien die nicht für diesen Ausgang stehen. Trotzdem kommt der Brexit. Es ist einfach nur tragisch.

Persönlicher geht’s nicht

Für mich geht es nicht persönlicher. Als EU Bürgerin wird es für mich und 3.6 Millionen weitere EU Bürger nun noch ungemütlicher werden; auch die EU ist hierfür mitverantwortlich. Gut ist hier gar nichts. Als Aktivistin gegen den Brexit ist es natürlich auch einfach traurig, dass es nun so ein Ende gibt – wobei ich immer von diesem Ende ausgegangen bin, aber kämpfen musste man natürlich trotzdem! Über fast 5 Jahre habe ich das nun schon gemacht, denn mein Aktivismus begann schon vor dem EU Referendum gleich nach der Wahl von David Cameron im Mai 2015. Seitdem ist viel passiert. Und so blicke ich diese Woche zurück.

Ich blicke zurück

Und denke an die vielen Menschen, die ich kennenlernen konnte. Die Menschen, die mir ihre persönlichen Geschichten und Probleme anvertraut haben. Die mir ihre Videos schickten, damit ich Kampagnen aufbauen konnte um Geld für the3million zu sammeln. Gut 60.000 Euro habe ich seit Sommer 2018 so gesammelt. Auch wieder nur vielen andere Menschen sei Dank. Hier spiegeln sich einige von ihnen in meiner Sonnenbrille bei einer pro-EU Veranstaltung in Edinburgh. Ich kenne sie natürlich nicht alle persönlich, aber ich werde sie nie vergessen.

Ich blicke zurück und erinnere mich an die Menschen, die ich persönlich kennenlernen konnte. Menschen, die ich oft erstmal nur von Twitter kannte. Eigentlich mache ich sowas nicht – einfach Unbekannte von sozialen Medien treffen. Aber manchmal springt eben der Funke über, und dann kann man es schon einmal wagen. Wie schön ist es dann, wenn diese Menschen von Twitter im echten Leben auch so wunderbar sind. Wie meine Freundin Julia – wir haben so manche seltsamen Situationen erlebt, einige waren erschreckend. Aber für die Freundschaft die daraus gewachsen ist bin ich sehr, sehr dankbar. Und mittlerweile blicken wir schon auf so einige andere Abenteuer zurück!

Ich blicke zurück und denke an die eher ungewöhnlichen Situationen, in denen ich mich auf einmal fand. Zwar kamen die natürlich nicht so ganz aus dem Nichts, aber auf einemal zur Lobbyarbeit im Bundestag auf Deutsche Politiker zu treffen – daran hatte ich vor ein paar Jahren zum Beispiel kaum gedacht.

Ich blicke zurück und muss schmunzeln, wenn ich mich an Megafone die nicht richtig funktionierten erinnere. An Protestmärsche mit einer Million anderer Menschen – Gleichgesinnte die zusammen für eine bessere Zukunft protestierten. Mein Schmunzeln verfliegt jedoch schnell wenn ich daran denke, warum ich hier meine grosse Sonnenbrillen trug: dahinter verheulte Augen – wieder eine konkrete Drohung. Aber ich wollte trotzdem marschieren. Für mich. Möglich war das letztendlich nur dem besten ‚Brexit Bodyguard‘ sei Dank. Dazu später mehr.

Ich blicke zurück auf viele Aktionen auf den Strassen in Grossbritannien und auch in Deutschland und Belgien. Aktionen die dazu gedacht waren, die Menschen auf die Situation von EU Bürgern in Grossbritannien aufmerksam zu machen. Zum Beispiel hier durch die Worte von EU Bürgern – alle an Theresa May gerichtet, die damals Premierministerin war. Verschiedene solche Aktionen habe ich gemacht. Über 700 post-its beschrieben. Ich habe sie noch alle. Ich würde sie gerne mal ausstellen. Sie erzählen eine wichtige – aber keine schöne – Geschichte.

Ich blicke zurück und freue mich so sehr über neue Bekanntschaften, die ich bestimmt nicht gemacht hätte, wenn es den Brexit nicht gäbe. Klar: ich hätte lieber den Brexit nicht, denn es gibt nun wirklich so gar nichts positives an ihm direkt. Schönreden kann man hier nichts. Aber die Menschen und neue Bekanntschaften machen den Unterschied. Und wann sitzt man schonmal mit Axel Scheffler, dem Illustrator des Grüffelo, beim Abendessen? Hier beim Fundraiser der the3million mit der wunderbaren Mitgründerin der Organisation, meiner Freundin Maike.

Ich denke zurück an Anne Will, und wie ich da auf einmal auf dem Sessel sass. Es war auf jeden Fall eine interessante Erfahrung, auf diese Weise in die Wohnzimmer Deutschlands ‚gebeamt‘ zu werden. Ich fand es irgendwie seltsam. Aber vor allem ich bin froh, eine solche Plattform für ein so wichtiges Thema bekommen zu haben. Und das Team von Anne Will war einfach ganz fantastisch – inklusive Rettung am Tag nach der Sendung (das Taxi zum Flughafen war nicht gekommen) kam sofort.

Ich denke zurück an Designerin Cathy, die für mich ein T-Shirt entwarf – Women Against Brexit – das zum Bestseller aufstieg. Bis heute sehe ich manchmal andere Frauen damit durch London oder andere Städte gehen und muss immer ein wenig Innehalten, wenn ich daran denke, wie genau es zu diesem T-Shirt überhaupt kam – das ist zunächst mal gar keine gute Geschichte, aber ich liebe das T-Shirt vielleicht gerade deshalb so.

Und dann denke zurück an andere modische Statements gegen den Brexit, von Hüten mit Sternen zu vielen, vielen blauen Nägeln mit rebel nail. Nein, natürlich hilft sowas alles nicht wirklich, aber es macht ein sichtbares Statement dazu, wofür man steht. Und das finde ich gut. Auch Tatty Devine hat dabei oft geholfen, hier zum Beispiel ein paar der wunderbaren Stücken aus der EU & Me Kollektion. Selbst Männer können hier mal Statement per Schmuck machen, denn der kleine EU Pass aus der Kollektion geht auch für sie – ‚European at heart‘, so sein Text. Beim Träger hier könnte auch gut ‚allerbester Brexit Bodyguard‘ draufstehen. Dies ist eine ‚Rolle‘, für die ich natürlich niemals jemanden rekrutieren wollte. Nur durch Zufall wurde Axel sozusagen in sie hineingezogen – wenn ich an den Grund dafür denke, dann wird mir jetzt noch ganz anders. Gerade deshalb kann ich wohl bis heute nicht so recht in Worte fassen, wie unglaublich dankbar ich für alles bin. Und natürlich freue ich mich auch hier vor allem über die Freundschaft, die aus diesen eigentlich ziemlich unfassbaren Erlebnissen gewachsen ist.

Aber jetzt blicke ich nach vorne

Anders geht es ja auch gar nicht. Denn obwohl das viele von euch vermutlich nicht verstehen, weg möchte ich hier nicht. Jedenfalls nicht jetzt. Das liegt vor allem an einer Sache: ich liebe Schottland. Und Schottland wollte all dies noch nie. Schottland ist anders und die Schottische Regierung macht alles, was sie machen kann, um EU Bürgern zu helfen.

Beim Blick nach vorne bin ich nicht alleine. Franzosen, Rumänen, Spanier, Dänen, Holländer und so einige Deutsche – gemeinsam werden wir weiter für die Rechte von EU Bürgern kämpfen. Und dieser Kampf wird jetzt erst richtig beginnen.

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1 Kommentar

  1. Susa Berg
    04/02/2020 / 12:07

    Sehr berührender Text. Ich finde es auch furchtbar traurig, dass die Briten jetzt außen vor sind. Und für die Menschen dort wird es nach der „ersten Euphorie“ sicher noch sehr schwer werden. Nur zusammen sind wir stark.
    Zusammenhalt hast Du auch bei Deinem langen Kampf gegen den Brexit gefunden. Immerhin, etwas Gutes.

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