Der Anfang war komplett missglückt. Eine unglückliche Liebesgeschichte zwischen einem Designerstück, das Yohi Yamamoto für Adidas y3 entworfen hat, und mir. Er hing in Düsseldorf, dieser Mantel, in einer Stadt, mit der ich sowie meine Schwierigkeiten habe. Aber das ist eine andere Geschichte. Da hing er jedenfalls, in einem schwer angesagten Shop an der Kö. Ein Mantel, der so aussah wie kein anderer Mantel, den ich besessen hatte. Dass er schwarz war und japanisch, schadete nicht. Gut, er war etwas groß. Die Stilgöttin, die mich bediente, nannte das oversized und klärte mich auf, das sei jetzt trendy. Ich stellte mir vor, dass ich dicke Pullover unter dem Mantel tragen würde. An der Kasse faltete sie den Mantel besonders behutsam zusammen, schlug ihn in weißes, mit dem Geschäftslogo bedrucktes Seidenpapier ein, umschnürte das Päckchen erst quer, dann längs mit einem glänzenden, schwarzen, ebenfalls mit dem Geschäftsnamen bedruckten Seidenband, schob es ganz langsam und vorsichtig in eine weiße Papiertüte und legte mit beiden Händen deren seidene Trageriemen in meine Hände. Sie lächelte. Ab jetzt wird jeder Spaziergang ein Schaulaufen, sagte ihr Blick.
Zu Hause vorm Spiegel war ich zum ersten Mal allein mit dem Mantel und mir. Was ich sah, war ich selbst und nicht das, was die Verkäuferin mir über mich eingeredet hatte. Ich erkannte nun die ganze Erscheinungswucht des Mantels. Er tönte zu laut, er war maßlos. Seine Egg Shape-Form (oben schmal, in der Mitte breit, unten schmal) sandte nur eine Botschaft: Ich mache dich gesichts- und konturlos. Ich mache Dich zu einer Frau, die unter diesem Riesenmantel etwas zu verbergen hat. Wahrscheinlich die Tageseinnahmen aus der Bank, die du gerade ausgeraubt hast. Zur Strafe verbannte ich ihn in den Kleiderschrank. Hinterste Ecke. Was man nicht sieht, kann einem als Investitions-Alptraum kein schlechtes Gewissen machen.
Ein Jahr später sah er für einen kurzen Moment das Tageslicht. Ich betrachtete ihn und mich, also ihn an mir im Spiegel und fand, dass das Verhältnis Mensch-Mantel nach wie vor komplett unausgewogen war. Ich sah in dem Teil aus, als ob er gleich die Haustür öffnen und mit mir spazieren gehen würde. Ein ärgerlicher Fehlkauf. Vielleicht würde nur noch die Trennung helfen, also Mantel in die Plastiktüte, Second Hand Laden und tschüß! Oder sollte er noch eine letzte Chance bekommen? Grundsätzlich hatte er ja Potential. Eigentlich hatte er genau das, was ein Mantel haben muss: Man würde notfalls in ihm wohnen können.
Ein zweites Jahr verstrich. Bei der nächsten Anprobe war es immer noch knifflig. Ich fand, die drei weißen Streifen waren zu viel Ornamentik. Geradezu erschlagend waren sie. Sie mussten weg. Überkleb sie doch, sagte eine Freundin. Ich knüllte den Mantel in eine Plastiktüte und trug ihn durch diverse Stoff- und Kurzwarengeschäfte. Schließlich fand ich ein Band, genau in der Breite der Streifen, 6 Zentimeter und fast genau im Schwarz des Mantels. Es klebte allerdings nicht, es musste aufgenäht werden. Ich maß die Länge der Streifen, schnitt 3 Stücke vom Band ab und befestigte sie mit Stecknadeln auf dem Stoff. Vor dem Spiegel sah ich aus wie ein schlecht gelaunter Grufti in einem tragbaren tiefschwarzen und sehr großen Zelt.
Das war es: Der Mantel war mir schlichtweg zu groß. So kam der Änderungsschneider ins Spiel. Der gute Mann rettete dem Mantel das Leben, jedenfalls das an meiner Seite. Er kürzte die Länge, was nicht ganz einfach war, denn die Egg-Shape-Form sollte unbedingt erhalten bleiben, er nahm etwas Weite aus den bauschigen Ärmeln und verengte die Manschetten.
So kam der Mantel doch noch groß raus. Er ist immer noch nichts für schwache Nerven, so ist es nicht. Entweder du siehst darin aus wie Christine Lagarde, also smart, urban und born to be chic, oder wie die weibliche Version von Rainer Calmund. Ein paar Kleinigkeiten sind zu beachten. Ein XXL-Mantel erfordert zum Beispiel eine Trägerin mit Modelmaßen. Ich kann damit nicht dienen, aber Schuhe mit hohem Blockabsatz haben sich beim Schummeln bewährt. (Zur Not geht’s auch ohne, wie die Fotos zeigen.) Der Lohn ist groß. Der Mantel bekommt dann etwas von einem gemütlichen Zuhause. Zur Not könnte man sich mit ein paar Kissen und einem Buch darin einrichten und die komischen Blicke der Langweiler in ihren anthrazitfarbenen Einheitsmänteln an sich abperlen lassen. Genau darum geht es ja im Leben meistens.
Falls Sie noch nach einer Idee für einen Übergangsmantel suchen, hätten wir hier eine Anregung für Sie.
Sie möchten noch eine Kleidergeschichte lesen? Dann bitteschön hier entlang.