Ein Freitag Abend im November, 19.30 Uhr. Annabelle Gräfin Oeynhausen-Sierstorpff lud in den Roten Salon des Hotels Gräflicher Park in Bad Driburg ein. Der Berliner Philosoph Wilhelm Schmidt, der mit seinen Büchern zur Lebenskunst eine breite Leserschaft gewonnen hat, las aus seinem Bestseller zum Thema Gelassenheit. Sein Titel: „Gelassenheit – was wir gewinnen, wenn wir älter werden“.
Gelassenheit ist die Tugend, die in unserer Zeit als Anker gegen das Tempo unseres rastlosen, reizüberfluteten Lebens am meisten gesucht und beschworen wird. Schmid, 1953 geboren, traut bei der Suche nach Gelassenheit gerade der älteren Generation besonders viel zu. „Vielen Menschen erscheint es erstrebenswert, gelassener zu sein. Mir erschien das auch sehr wichtig nach einer großen Unruhe und Traurigkeit, die mich rund um meinen 60. Geburtstag überfallen hat. Ich fragte mich: Wie komme ich da wieder heraus? Wie bekomme ich Gelassenheit?“ Er orientierte sich am Beispiel seiner Mutter, einer Landwirtin und Mutter von 6 Kindern, von der er berichtet, dass sie nach einem arbeitsreichen Leben ohne einen einzigen Tag Urlaub im Alter zu einer entspannten, gelassenen und auch zärtlichen Frau wurde. Wilhelm Schmidt schaute ihr bei dieser Veränderung über die Schulter, um so viel wie möglich von ihr zu lernen. In seinem Buch zeigt er lebenspraktisch in 10 Schritten auf, wie Gelassenheit erreicht werden kann.
Die Basis für eine gelassene Lebensführung ist laut Schmid die Bereitschaft, sich Gedanken über die Phase des Lebens zu machen, in der man sich gerade befindet und Verständnis für die Eigenheiten des Alt- und Älterwerdens zu entwickeln. Große Bedeutung bei der Entwicklung von Gelassenheit kommt nach Wilhelm Schmid der Pflege von Gewohnheiten zu. Sie bedeuten eine wohltuende Auszeit von den zahllosen Entscheidungen, die wir dauernd treffen müssen. Lüste bewusst zu genießen, ob es jetzt ein schönes Essen ist, der (sich verändernde) Sex mit dem Partner oder der Partnerin oder eine Reise, kann ein weiterer Garant sein, um Glück und Gelassenheit zu erfahren. Viele ältere Menschen erleben, dass ihre Gartenlust größer wird. Dazu Schmid: „Warum lieben Menschen Gärten? Weil diese, wie Religionen, Balsam für die Wunde der Endlichkeit sind, die Menschen zu allen Zeiten schmerzte.“ Interessant auch Schmids ausdrücklicher Hinweis auf die Bedeutung der Pflege von Beziehungen und von Berührung, um Nähe zu spüren. „Die Berührung ist eine Aufmerksamkeit, ohne die ein Mensch seelisch und schließlich körperlich auszudörren und zu verwelken droht.“ Nur was tun im Alter, wenn das Bedürfnis nach Berührung zu-, aber die Bereitschaft anderer, uns zu berühren, abnimmt oder die Menschen, die uns früher berührt haben, leider schon nicht mehr bei uns sind. Schmid plädiert an den älteren Menschen, selbst für eine „Grundversorgung“ an Berührung zu sorgen, sei es durch seelische oder geistige Berührung oder in körperlicher Form durch regelmäßige Massagen, Körpertherapien, den Umgang mit Haustieren oder die Berührung des Wassers beim Baden und Schwimmen.
Wenn auch Sie zu mehr innerer Ruhe kommen möchten, empfehle ich Ihnen die Lektüre von Wilhelm Schmids Buch. Vieles, war darin steht, weiß man als älterer Leser. Trotzdem ist es anregend, sein ungeordnet vorhandenes Wissen noch einmal gebündelt präsentiert zu bekommen und sich wieder einmal bewusst zu machen, dass es sehr einfache Schritte sind, mit denen wir mehr Gelassenheit erreichen. Außerdem war es ein Vergnügen, den Autor in einem überschaubaren Zuhörerkreis und in privater Atmosphäre lesend und diskutierend zu erleben.
Die Veranstaltung fand im Rahmen eines Salons statt. Gastgeberinnen und Gastgeber, darunter die Gräfin Oeynhausen, haben sich in bisher 14 Städten dem Netzwerk des Salonfestivals angeschlossen. Es ist ein Gemeinschaftswerk von Bürgerinnen und Bürgern, um die Salon-Kultur wieder zum Blühen zu bringen. Initiatorin der Salonfestivals ist Claudia Bousset aus Köln, die das Netzwerk vor dreieinhalb Jahren gründete. Die Idee wird von der Süddeutschen Zeitung unterstützt. Es geht darum, kulturellen und politischen Austausch in Privathäusern unter Freunden zu ermöglichen – etwas, wonach Menschen sich in den Zeiten wachsender globaler Unsicherheiten sehnen. Für das weitere Gedeihen der Salonkultur werden noch Unterstützer gesucht. Wenn auch Sie Salonfreundin werden möchten, finden Sie hier Informationen.
Kooperation: Gräflicher Park Bad Driburg
Wilhelm Schmid: Gelassenheit. Was wir gewinnen, wenn wir älter werden. Insel Verlag Berlin 2014.
Vor einiger Zeit hat sich unsere Gastbloggerin Kristina Gedanken darüber gemacht, was im Leben wichtig ist und was nicht. Sehr lesenswert! Hier der Link zu ihrem Artikel.