„In erster Linie,“ sagt Maya Kadaan über sich selbst,, „bin ich Designerin“. 2007 ging die Syrerin aus Damaskus nach Genf, um dort an der University of Art and Design Schmuck- und Objektdesign zu studieren. Bis heute liebt sie es, kreativ zu sein und schöne, besondere, aber auch praktische Dinge zu erschaffen. Quasi nebenbei hilft sie geflüchteten Frauen dabei, sich eine Existenz aufzubauen oder zumindest etwas dazu zu verdienen.
Und das kam so:
In Genf jobbte sie neben ihrem Studium in einer Kunstgalerie, die sich auf die Darstellung von Krieg in der zeitgenössischen Kunst spezialisiert hatte, und kam so auch in Kontakt mit Flüchtlingen. Sie begann sich für geflüchtete Menschen, vor allem Frauen, zu engagieren, denn als Syrerin, der es im Ausland gut geht, sagt sie, sah sie es als ihre besondere Verantwortung an. Ihr Vater und viele ihrer Familienmitglieder, viele Freunde und Bekannte sind seitdem aus Syrien geflohen und sie weiß aus nächster Nähe, wie angstbesetzt und schwierig ein solcher Neustart in der Fremde sein kann.
Eine der Flüchtiglingsfrauen bot ihr damals an, einen Pullover für ihre Tochter zu stricken. Es stellte sich heraus, dass sie einen Strickbetrieb in Aleppo mit zwei Strickmaschinen hatte. „Als sie mir davon erzählte,“ sagt Maya, „sah sie aus als sei für sie ein Traum verloren gegangen.“ Sie bat sie, einen Pullover für sie selbst zu stricken. Viele Menschen sprachen sie auf diesen Pullover an, und so fing es an. Zusammen mit drei Frauen produzierte sie 70 Pullover und bot sie in einem Pop-up Store in Genf an. Sie waren am ersten Tag ausverkauft.
Sie suchte weitere Flüchtlingsfrauen, die ihre Designs umsetzen konnten, und fand sie.
Sechs ihrer besten Produzentinnen leben heute in Beirut. Die aus Syrien geflüchteten Frauen bekommen die von Kadaan entwickelten Designs per Email, Whatsapp oder Viper zugeschickt. In regelmäßigen Abständen fliegt sie auch hin und bespricht sich, kontrolliert und entwickelt weiter. Das Design steht dabei immer im Vordergrund. Es geht ihr darum, qualitativ hochwertige, anspruchsvolle und modische Kleidung zu erschaffen. Angenehm zu tragen und modern. Keine „Flüchtlingsmode“, die aus moralischen Gründen gekauft wird, sondern coole Designs, die nur eben von geflüchteten Frauen hergestellt werden. Der ethische Aspekt ist nicht ihr Verkaufsargument, sondern einfach Maya Kadaans Art, sich zu engagieren.
Doch der Aufwand ist hoch. Sie ist Geschäftsführerin und Designerin in einem. Neben der Suche nach geeigneten Mitarbeiterinnen ist sie auch noch als Stoffeinkäuferin, Social Media Manager, Kontrollerin und im Verkauf tätig. Für alle kleinen Labels ist es schwierig, Geschäfte zu finden, die ihre Designs anbieten möchten. In ihrem Fall, sagt sie, ist es noch ein bisschen schwieriger. „Viele Menschen hören, dass ich mit syrischen Flüchtlingen arbeite, und wollen schon nichts mehr damit zu tun haben.“ Sie haben ein Bild im Kopf, dass wenig mit Design zu tun hat und uncool und handgestrickt daher kommt. Doch genau um das Design geht es Kadaan. Sie möchte, dass Frauen auf der ganzen Welt sagen „Wow, was für ein tolles Design, was für eine gute Passform und – in zweiter Linie dann – wie gut zu wissen, wer meine Kleidung hergestellt hat“ und sich deshalb für ihre Kollektion entschieden. Sie sucht keine Kundinnen, die ihre Entwürfe kaufen, weil sie sich denken „ich bin so ein guter Mensch, weil ich Flüchtlinge unterstütze“. Gerade deshalb gehört Networking auch zu ihren Hauptaufgaben. Shops gewinnen, Mitarbeiterinnen suchen und betreuen, alles das bedarf vieler Kontakte und stetiger Kommunikation. Dass sie fließend Französisch, Englisch und Arabisch spricht ist dabei natürlich hilfreich.
Zur Zeit lebt Maya Kadaan mit ihrem Mann und ihrem Kind in Tunesien.
Auch hier hat sie sich auf die Suche gemacht nach geflüchteten Frauen, denen sie eine Chance geben kann. Der Concept Store Supersouk präsentierte ihre Kollektion zeitgleich mit der Fashion Week im Mai diesen Jahres. Die weißen Maxikleider mit unversäuberten Nähten und pyjamaartige Hosenanzüge aus pastellfarbener Seide fallen mir als erstes auf. Hochwertige Materialien, Bio-Baumwolle, Seide… Die Kollektion vereint casual chic mit femininen Details. Die Farben dieser Kollektion hat sie den Bonbons abgeschaut, die sie als Kind in Syrien so gerne gegessen hat.
Als stylish und minimalistisch beschreibt Maya Kadaan ihren Stil.
„Bei einem auffälligen Schnitt zum Beispiel“, erklärt sie, „reduziere ich die Details und lasse das ganze Outfit in einer Farbe, um es nicht zu überfrachten.“ Inspirationen holt sie sich auch bei den Frauen in ihrem Umfeld. Sie sieht einen bestimmten Typ und fragt sich: „Wie würde ich diese Frau am liebsten gekleidet sehen?“ Ungewöhnlich und gleichzeitig angenehm zu tragen sollen ihre Entwürfe sein.
Um diese bequemen Schnitte hinzubekommen hat sie noch einmal die Schulbank gedrückt. Zweimal die Woche lernte sie Schnittkonstruktion, um den Näherinnen ihre Visionen besser kommunizieren und um ihre Vorstellungen besser umsetzen zu können.
Das Label, unter dem sie ihre Kleidung produziert, heißt 8/02, das Geburtsdatum ihrer Mutter, einer der stärksten Frauen, die sie kennt. Denn auch darum geht es bei ihrer Mode: um starke Frauen. Die, die sie designen, die, die sie herstellen, und auch die, die sie tragen.
Weitere Einblicke in dieses tolle Label und seine spannende Designerin finden Sie hier:
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- Fotocredits: Stephan Burghoff
- Kooperation: Discover Tunisia