Die Spätherbstsonne brennt noch auf die Weinberge und den Kalterer See, in dessen Nähe Castel Ringberg, das Weingut von Elena Walch liegt. Es riecht nach Most, kleine Traktoren knattern durch den Weinberg, aus dem Keller hört man dunkle Geräusche. Die Traubenernte ist so gut wie beendet, die harte Arbeit eines ganzes Jahres ist eingefahren und nun beginnt der Prozess des Keltern, bei dem alles darum geht dem Wein eine besondere Note zu verleihen. Der Keller unter dem Familiensitz, einem ehemaligen Jesuitenkloster, das 1620 erbaut wurde, reicht vier Stockwerke tief. In diesem Labyrinth lagern Rotweine in Eichenfässern und Weißweine in Stahltanks – wie etwa der für die Gegend typische Gewürztraminer, der bei Elena Walch nach Rosenblättern, Lychee und Akazienhonig duftet. Sie war es, die die Südtiroler Weinwirtschaft revolutioniert hat. Und das, obwohl sie eigentlich Architektin war und in Mailand und Venedig lebte und schließlich der Liebe wegen nach Südtirol zog. Sie heiratete in eine der bekanntesten Südtiroler Winzerfamilien ein, fand Gefallen an der Weinwirtschaft und ihr Mann ließ sie machen. So zog sie in eine Männerdomäne ein und wurde zur ersten Winzerin der Region. Lange war sie auch die einzige.
Damals waren die Weine aus der Region auf die Produktion großer Mengen ausgerichtet. Sie kosteten wenig und waren berüchtigt für die Kopfschmerzen am Tag danach. Ausgerechnet Signora Walch, die Quereinsteigerin, wollte das ändern. Sie setzte auf Qualität statt auf Quantität, baute nur in den besten Lagen an, sortierte mehr Trauben aus als die Nachbarn und investierte in die neuste Kellertechnik. Sie wurde von den Südtirolern argwöhnisch beäugt, sogar ausgelacht, aber der Erfolg gab ihr recht. Ihre hoch prämierten Weine machten sie zur Grande Dame des Südtiroler Weines. Nun haben ihre Töchter Karoline und Julia ihr Erbe angetreten. Die jungen Winzerinnen sind von Kindheit an mit dem Keltern vertraut und gleichzeitig in vielen Welten zu Hause. Karoline Walch studierte BWL in Graz und Weinwissenschaften in Adelaide. Julia wollte zunächst nichts wissen vom Thema Wein. Zu viel Risiko, zu große Abhängigkeiten von Wind und Wetter, zu viel Arbeit. Schließlich geht es um 60 Hektar Anbaufläche. Sie studierte Geschichte und Europawissenschaften in Toulouse und Brüssel. Doch irgendwann waren der Ruf oder die Berufung nicht zu überhören, und sie machten einen Master der Weinwirtschaft in Lyon.
Heute sind beide Töchter leidenschaftliche Winzerinnen. Jeden Mittag kommt die Familie zusammen, Mutter Elena kocht, und beim Essen dreht sich alles um die Frage, wie die jungen Frauen den Betrieb, der sich seit 100 Jahren im Familienbesitz befindet, fortführen können. Er besteht inzwischen aus sechs Weingütern. Castel Ringberg wartet auch mit einem guten gastronomischen Angebot auf, das sich auf den gepflegten Garten mit Blick auf den See, ein Bistro und die eleganten Salons in der ersten Etage des Schlosses erstreckt. Hier finden auch kulturelle Veranstaltungen und Verkostungen statt. Vielleicht schauen Sie ja mal rein und trinken ein Gläschen, wenn Sie in der Nähe sind.
Falls Sie das Weingut Castel Ringberg besuchen und in der Nähe wohnen möchten, hätte ich eine Hotelempfehlung. Schauen Sie doch mal hier.