Wenn mir vor einem Jahr jemand gesagt hätte, ich würde freiwillig morgens meine Beine mit eiskaltem Wasser übergießen und nach der Sauna bis zum Hals in ein Kältebecken steigen – ich hätte höflich gelächelt und still weiter an meinem Latte Machiato genippt. Kälte und ich? Nicht kompatibel. Ich bin Team Heizdecke. Team extra heiß baden. Team keine Reise ohne Wärmflasche.
Und heute? Heute bin ich das ehrlich gesagt immer noch. Aber ich bende heute auch meine heiße Dusche mit einem Kneippguss über Arme und Beine. Und manchmal steige ich nach der Saune in kaltes Wasser. Ja, wirklich.
Wie kommt’s fragen Sie sich?
Letztendlich wurde ich überzeugt. Von Jessi von den Blubberfischen und von den Kaltwasseranwendungen selbst. Ich habe am eigenen Körper gemerkt, dass mir die Kälte gut tut, mich wach macht, meine Füße wärmer, meine Haut besser durchblutet und meinen Körper widerstandsfähiger. Letzteres bilde ich mir zumindest ein.
Sebastian Kneipp hat sich mit seinen Wasseranwendungen selbst kuriert. Seine Güsse, die ganz gezielt Körperregionen mit kaltem und warmem Wasser stimulieren, sind so einfach wie wirkungsvoll. Wenn man weiß, wie es richtig geht.
Meine wichtigste Erkenntnis ist nämlich diese: Kneippgüsse machen nur Sinn, wenn der Körper warm ist. Also nicht direkt nach dem Aufstehen, zack, unter die kalte Dusche. Nein, erst mal warm duschen, alles richtig schön warm machen. Erst dann gibt’s den Schenkelguss: einatmen, kaltes Wasser von außen am rechten Bein hoch, ausatmen, innen wieder runter. Dann links. Und meistens auch noch den Armguss. Kaltes Wasser von außen am rechten Arm hoch, innen wieder runter. Dann links. Klingt banal, ist aber wirklich gut aushaltbar und macht ein klitzekleines bisschen frischer – und stolz.
Was passiert? Die Blutgefäße ziehen sich zusammen, der Kreislauf kommt in Schwung, der Kopf wird klar. Und ich bin plötzlich bereit für den Tag.
Denn auch das ist wichtig bei den kalten Güssen: es geht nicht darum, die Zähne zusammen zu beißen und auszuhalten. Es geht darum, die Kälte zu spüren, den Kopf auszuschalten und den Körper seine Arbeit machen zu lassen.
Jessica Bendig-Di Domenico war früher Leistungsschwimmerin und leitet heute eine Schwimmschule mit dem wunderschönen Namen Blubberfische in Neuss. Sie ist überzeugte Saunagängerin und Eisbaderin. Abgesehen davon sieht sie auch noch umwerfend aus. Als mir Jessi das Video zeigte, in dem sie im tiefsten Winter mit fünf anderen Frauen nur mit einer Bommelmütze, einem Badeanzug, Hand- und Schwimmschuhen bekleidet schultertief im eiskalten Wasser stand, blieb mir der Mund offen stehen.
Wer mal reinschauen möchte: den Film „Eisbaden – Blubberfische Neuss“ gibt es auch auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=juG_dCg1BBw – lohnt sich.
Sie schwärmte von den Benefits. Eisbaden stärkt bei Frauen das Immunsystem, ist entzündungshemmend, reguliert Hormone und fördert einen klaren Kopf – ideal bei Stress oder Stimmungsschwankungen. Es strafft Haut und Bindegewebe, kurbelt den Stoffwechsel an, verbessert die Durchblutung und sorgt für einen frischen Glow. Gleichzeitig wirkt es stimmungsaufhellend und kann Schlaf sowie Energielevel positiv beeinflussen. Vor allem aber schenkt es ein gutes Körpergefühl, sagt sie. Dann zeigte sie mir ein Foto von der Eistonne, die sie im Garten stehen hat, weil es ja nicht immer Winter ist in Neuss und der Sandhofsee nicht immer eiskalt. Ich schaute sie mit großen Augen an. Angst und Neugierde zugleich machten sich bei der Vorstellung, bis zum Hals in kaltes Wasser zu steigen, in mir breit.
Abends trafen wir uns in der Sauna. Als sie dann vorschlug, mich bei meinem ersten Gang (ever) ins 8 Grad kalte Tauchbecken zu begleiten, siegte die Neugierde.
Einatmen. Runterklettern. Mit gekreuzten Armen vor der Brust das Herz schützen. Ausatmen. War schon kalt. Aber irgendwie auch machbar. Weiteratmen. Als ich nach einer Minute wieder draußen war, war ich stolz wie Oscar. (Machen Sie das aber nur, wenn Sie ganz gesund sind, also zum Beispiel nicht unter Bluthochdruck leiden, und vor allen Dingen auch nicht, wenn Sie alleine sind.)
Beim zweiten Mal hatten wir eine Kamera dabei. Das Grinsen auf dem Foto ist echt.
Klar, bis zu meinem ersten Eisbad in einem arschkalten See ist es noch ein weiter Weg. Trotzdem würde ich es zumindest nicht mehr hunderprozentig ausschließen.
Wenn Sie in der Nähe von Neuss leben, könnten Sie sich den Blubberfisch-Eisbadenden anschließen. Jessi bietet auch Schnupperkurse dazu an. Ich denke darüber nach.
Weitere Informationen dazu finden Sie hier: https://www.blubberfische.de/eisbaden/
Kaltes Wasser hat mich verändert. Nicht radikal, aber spürbar. Es hat mir gezeigt, dass ich mehr kann, als ich denke. Dass ich manchmal einfach nur raus aus dem Kopf und rein in den Körper muss. Und dass es unfassbar schön ist, sich selbst zu überraschen und mal wieder neu zu begegnen – morgens, nach der warmen Dusche, mit klopfendem Herzen und einem Lächeln im Gesicht, nicht trotz des kalten Wassers, sondern deswegen.
Kalt duschen war schon vor einem Jahr auf meiner Liste der besten Beauty-Tipps für Frauen über 50. Aber damals war das noch nicht so richtig ausgereift. Die anderen Tipps schon. Die gibt es immer noch hier:
5 Beauty-Tipps für Frauen über 50, die ich wirklich empfehlen kann.
Profis kaufen sich für die Kneippgüsse übrigens ein eigenes Gießrohr, zum Beispiel im Kneippverlag, das auf den Brauseschlauch aufgeschraubt wird. Durch den eingebauten Strahlbrecher wird der druckgeminderte Wasserstrahl erzielt, der eigentlich für die Kneippschen Güsse benötigt wird. Kostet 90 Euro. Alternativ gibt es bei Amazon für 40 Euro auch eine Hydrotherapie-Brauseschlauch-Kupplung.
Der normale Duschkopf tut es natürlich auch, aber der zerstäubt das Wasser, vermischt es mit Luft oder verteilt es ungleichmäßig. Für einen echten Kneippguss braucht es einen gleichmäßigen, weich fließenden Wasserstrahl, der ohne Druck über die Haut läuft – das reizt die Gefäße sanfter und gezielter. Ich denke über die Investition nach und werde berichten!
Hallo Cerstin,
danke für diesen spannenden und unterhaltsamen Artikel. Habe mich oft „wiedergefunden“. Allerdings habe ich tatsächlich schon seit einiger Zeit das Tauchbecken nach der Sauna aufgesucht. Mit Überhitzung vorher klappt es bei mir eigentlich immer und danach bin ich glücklich. Egal ob nach der Sauna oder nach einem heißen Bad im Sento .
Falls du Zeit und Lust hast: Es gibt eine sehr gelungene und anrührende Doku „The Ponds“ auf Netflix. In der wird über Eisbader*innen/Kaltbader*innen in London berichtet, die die verschiedenen „Ponds“ in Hapstead Heath besuchen. Und zwar genau nicht, wenn es im Sommer so voll ist, dass man kein Grün mehr sieht, sondern im Winter.
Danach hatte ich tatsächlich Lust, es auch mal auszuprobieren. Am liebsten natürlich in London. Aber vielleicht kennst du diese Doku ja schon.
Ganz herzliche Grüße
Christiane
Autor
Liebe Christiane,
nein, die Doku kenn ich noch nicht, freue mich also riesig über den Tipp. Und natürlich auch über das nette Feedback.
Vielen Dank auch fürs Mut machen, dran zu bleiben!!!
Ganz liebe Grüße, Cerstin