Zugegeben, die klobigen Schlappen mit Korksohle sind alles andere als elegant. Und ja, auch ich habe die Riemchenschuhe viele Jahre lang mit Krankenhauspersonal, Hippies und Pilgern auf dem Jakobsweg assoziiert. Doch beim Nachdenken über das Für und das Wider muss ich mir eingestehen: So abwegig finde ich den Schuh nicht mehr.
Als im Sommer 1990 Kate Moss in Jeans, Top und Birkenstocks für das Magazin „The Face“ fotografiert wurde, ging ein Hype um die Made-in-Germany-Sandalen los. Ich reagierte mit Kopfschütteln darauf. Niemals würde ich freiwillig solche Gesundheitsschlappen tragen. Daran hätte auch keine schöne Bildstrecke mit Kate Moss etwas geändert.
Dann kam Phoebe Philo. Die Designerin präsentierte ihre Frühling/Sommer-Kollektion 2013 für Céline. Sie schickte ihre Models in Birkenstock-Imitaten mit flauschigen Fellsohlen über den Laufsteg. Wie konnte sie nur? Solch unförmige Sandalen kombiniert mit dem Philo-typischen Minimalismus? Und noch dazu mit Pelzeinlage? Schrecklich. Ein einziger großer modischer Fauxpas.
Es sollte nicht lang dauern, bis die ganze Modewelt nachzog, und mit ihr wir, das Fußvolk. Allmählich begann ich, mich an den Anblick der klobigen Sandalen zu gewöhnen. Und als dann noch die wunderbare Schauspielerin Tilda Swinton Birkenstocks trug, kam ich ins Nachdenken. An ihr zumindest waren die Birkenstocks so hässlich gar nicht. Vielmehr sorgten sie kombiniert zu ihrem eleganten Outfit für einen gelungenen Stilbruch.
Im Sommer 2016 ließ ich Birkenstocks in einem Schuhgeschäft zum ersten Mal an meine Füße. Nach dem Wohlgefühl beim Anprobieren – dieses Fußbett ist Wellness! – realisierte ich, was ich da tat, und suchte schnell das Weite. Doch bald sollte ich akzeptieren, dass ich nicht gegen die Verführungskraft von Modetrends gewappnet bin. Ich wurde schwach. Seit 2017 besitze ich ein Paar Arizonas in Silber, den Birkenstock-Klassiker mit zwei Riemen. Seit diesem Frühjahr habe ich sie auch Blau.
Birkenstocks, die neuen Luxus-Schlappen
Anfang 2021 wurde das Traditionsunternehmen aus Linz am Rhein, ein Familienunternehmen in sechster Generation, von den Erben Christian und Alex Birkenstock verkauft – und dabei mit rund vier Milliarden Euro bewertet. Neuer Besitzer ist der französische Milliardär Bernard Arnault, der den Luxuskonzern LVMH kontrolliert. Wie passt die Korksandale zum Beuteschema Arnaults, zu dessen Portfolio Luxusmarken wie Louis Vuitton, Dior, Kenzo, Fendi, Bulgari, Moët et Chandon, die Kölner Koffermanufaktur Rimowa und der New Yorker Juwelier Tiffany gehören? Welche Auswirkungen wird das auf die Korkschlappe haben? Erste Sonderkollektionen in Zusammenarbeit mit Designern wurden auf den Markt gebracht. Die quietschgelbe Birkenstock Forager Sandale kostete bei Farfetch 625 Euro. Inzwischen ist sie runtergesetzt auf immer noch stolze 310 Euro.
Doch es gibt immer noch eine dickere Frau bzw. einen teureren Birkenstock-Schlappen. Das Künstlerkollektiv „Mschf“ aus Brooklyn kaufte für über 100 000 Dollar vier Exemplare der legendären Birkin Bag von Hermès. Dann zerlegten sie die heiligen Handtaschen und machten daraus Sandalen: Birkinstocks. Die Sandalen kosten zwischen 34 000 und 76 000 Dollar, je nach Größe. Zwei Paar wurden schon verkauft, an einen Rapper, und einen Kunstsammler.
Welch wundersame Entwicklungen im Biotop der Mode geschehen! Ein Wahnsinn!