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Graue Haare wachsen lassen. Mein Weg in 9 Fotos

Graue HaareIm Januar 2020 beschloss ich, mit dem Färben aufzuhören und mir graue Haare wachsen zu lassen. Weil ich schon einmal den Versuch der Entfärbung unternommen hatte, wusste ich, was auf mich zukam: Der Prozess der Haarentfärbung ist mühsam und unglamourös. Ich würde monatelang als Zebra herumlaufen und zwischendurch Selbstzweifel haben. Dass es sogar fast zwei Jahre bis zu meiner Entfärbung dauern würde, ahnte ich da noch nicht.

Januar 2020: Ich sehe mich auf einem Foto und beschließe, mir graue Haare wachsen zu lassen

Ich bin in den Winterferien in Südtirol und sitze nach einer Wanderung in meinem Hotelzimmer im Hotel Drei Zinnen. Es geht mir gut. Alles passt. Schöner Sessel, schöne Bluse, schöne haselnussbraune Haare. Einerseits. Andererseits stören mich schon lange die gesundheitlichen Nachteile, die >Kosten und der Zeitaufwand, die das regelmäßige Haarefärben mit sich bringen. Der handwerkliche Aufwand, das ehemals dunkle Haar einer Frau in einer zwei bis dreistündigen Prozedur durch eine Coloristin nachfärben und natürlich aussehen zu lassen, ist über die Jahre immer größer geworden.

2015 habe ich den Versuch, das Grau aus meinen Haaren herauswachsen zu lassen, über den ich im Blog schrieb, nach vier Monaten entnervt abgebrochen. Jetzt frage ich mich wieder, wie ich aussähe, wenn ich auf niemanden mehr Rücksicht nähme und gestehe mir ein: Mit den dunkel gefärbten Haaren bin ich nicht die Frau, die zur ihrem Alter steht und die ich sein möchte. Dieses Foto bringt es auf den Punkt: Es lässt mich meinen Wunsch nach einem authentischeren, meinem Alter entsprechenden Äußeren erkennen. Ich fasse den Entschluss, meine Haare nicht mehr zu färben.

 

April 2020: Ein Virus taucht auf und hilft mir beim Ergrauen

Noch im Urlaub in Südtirol werden die ersten Nachrichten über ein neuartiges, sehr gefährliches Virus publik, das sich von China aus über die ganze Welt verbreitet und einige Wochen später zum ersten Lockdown führt. Es beginnt eine Zeit der Angst, aber auch der Ruhe und Entschleunigung. Das öffentliche Leben wird heruntergefahren, Theater, Kinos, Restaurants, Kaufhäuser und auch Friseursalons sind jetzt geschlossen. Wie alle anderen auch arbeite ich zu Hause und interpretiere die Situation auch als eine Chance für meine Entfärbung. Ich lebe zurückgezogen und gerate gar nicht erst in Versuchung, die nun sichtbaren kleinen, weißen Haarwurzeln nachfärben zu lassen.

 

Mai 2020: Marie Antoinette

Nach sechs Monaten sind bei mir erst vier Zentimeter entfärbt. Auch wenn es immer wieder behauptet wird: Es ist nicht möglich, über Nacht zu ergrauen. Außer man ist Birgit Schrowange, die als RTL Moderatorin ihr Ergrauen zunächst unter einer Perücke verbarg und ein Jahr später mit echtem Silberschopf vor die Kamera trat. Oder man ist Marie Antoinette. Die französische Königin soll in der Nacht vor ihrer Hinrichtung im Oktober 1793 schlohweiß geworden sein. Aber das ist auch nur ein Gerücht.

 

Juli 2020: Streifen nicht nur auf dem Kopf

Ich liebe Streifen, aber auf meinem Kopf werden sie jetzt gewöhnungsbedürftig. In einem Buch über Diana Vreeland, legendäre Modeikone und ehemalige Chefredakteurin der amerikanischen Vogue, lese ich, sie habe alles, was ihr nicht an ihr selbst gefiel, betont, um unverwechselbar und einzigartig auszusehen. Um ihre große Nase noch sichtbarer zu machen, kämmte sie sich zum Beispiel die Haare streng aus dem Gesicht. Ich fokussiere mich auf das Streifenthema und trage jetzt häufig Streifenshirts zum Streifenkleid und zu den gestreiften Haaren.

 

September 2020: Der Tiefpunkt!

Die meisten Menschen setzen Attraktivität mit Jugendlichkeit gleich, dabei ist schön, wer bei sich ist. Das bin ich in diesen Tagen nicht mehr. Durch ein gesellschaftliches Ereignis – Freunde von mir heiraten – verliere ich meinen Fokus und verändere den Blick auf mich. Plötzlich betrachte ich mich aus den Augen der Anderen; in diesem Fall sind es die Hochzeitsgäste, die Schönen, Jungen, Smarten. Zum Glück spricht mich niemand auf der Feier auf meine zweigeteilten Haare an; alle tun so, als gäbe es sie nicht. Doch ich bin schon vorab so verunsichert, dass ich nicht mal mehr Lust habe, ein schönes Kleid anzuziehen. Weil ich mich mit meinen merkwürdigen Haaren komplett nackt fühle, trage ich Hochgeschlossenes mit blickdichten Strümpfen – wie eine Rüstung. Ich sehe aus, als wäre gerade die Omma gestorben. Schlimmer noch. Ich komme mir vor wie die Omma, die so gut wie tot ist. Aus Kummer über mein Aussehen würde ich am liebsten unter einen Tisch kriechen, mich mit meinen eigenen Fingernägeln in die Erde einkratzen und den Deckel über mir zuziehen.

Dezember 2020: Wie mit Puderzucker bestäubt

Es gibt Dinge, die kann man nicht vorhersehen. Etwa wie man aussehen wird, wenn man aufhört, seine Haare zu färben. Ist meine natürliche Haarfarbe jetzt eigentlich weiß oder grau? Ich untersuche meinen Haaransatz und sehe sieben Zentimeter Weiß. So weiß, wie viele schöne Dinge im Leben. Wie der erste Schnee im Winter, wie die kleinen Häuser auf Belle-Ile, Puderzucker auf dem Zitronenkuchen oder ein cremiges Milch-Bad. Von jetzt an ist der Weg ganz leicht. Strähnchen einzufärben ist nicht nötig, da sich herausstellt, dass meine natürliche Haarfarbe inzwischen quasi von Natur aus gesträhnt ist. Von Schwarz über Braun bis hin zu Silbrig und Weiß ist alles vorhanden. Denn wir werden nicht gleichmäßig grau. Die Haare im Konturenbereich an den Schläfen verlieren meist als erstes ihre Farbe, die Haare im Nacken verblassen als letzte.

 

April 2021: Die Blondine

Wir machen neue Fotos für den Blog. Ich sehe sie und denke: Ich sehe weicher aus als früher, harmonisch und heiter. Fast hätte ich gesagt: wie eine Blondine. Dazu fällt mir ein Satz einer Freundin ein: Dass Du auch immer übertreiben musst.

 

Oktober 2021: Wieder in Südtirol

Ich komme gerade aus dem Pool. Viele Jahre war ich mit dem bangen Gefühl ins Wasser gegangen, dass, wenn ich schwimme, um mich herum eine bräunliche Suppe sichtbar würde. Oder dass mein Kopf in der Nacht auf dem Kopfkissen des Hotels bräunliche Flecken hinterlassen würde. Meine künstliche Haarfarbe war nämlich wasserlöslich. Ganz anders dagegen jetzt. Meine Haare sind weißer als die gekälkte Wand hinter mir. Milchig weiß mit einem Schimmer Bernstein.

 

November 2021: Wie sehe ich mich heute, wo ich komplett grau geworden bin?

Der lange Weg hat mir gezeigt: Hinter meinen grauen Haaren verbergen sich viele Unterstützer. Sie machten mir viele Geschenke. Ihr Geschenk war, mich in Momenten der Unsicherheit zu ermutigen, meinen Vorsatz umzusetzen. Mir die Angst davor zu nehmen, mit grauen Haaren nicht mehr sichtbar zu sein. Mir zu versichern, dass ein Abbruch des Experiments in ihren Augen kein Scheitern wäre.

Ich bin jetzt eine ältere Frau mit grau-weißen Haaren. Ich bin es gerne. Da ist kein Hadern, kein Gefühl des Defizits, kein Bedauern. Im Gegenteil. Ich bin mit dem Entschluss, meine Haare nicht mehr zu färben und mich dadurch in den Augen Vieler optisch um einige Jährchen zu verjüngen, meinen eigenen Weg gegangen. Das macht mich froh und auch ein bisschen stolz. Es zeigt mir, dass jeder Buchstabe in diesem Satz wahr ist: Ästhetik und Alter schließen sich nicht aus. Im Gegenteil.

 

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19 Kommentare

  1. Lamentosa
    17/11/2021 / 15:09

    Du siehst wunderschön aus!

  2. Katja
    17/11/2021 / 15:57

    Du Eiskönigin!

    Nun ist es also geschafft!
    Ich habe die Verwandlung mit Begeisterung von Anfang an verfolgt und freu‘ mich jetzt darüber.
    Dabei sind das ja eigentlich Deine Haare.

    Es ist so, so schön geworden!

  3. Ursel
    Autor
    17/11/2021 / 19:33

    Dankeschön!

  4. Ursel
    Autor
    17/11/2021 / 19:34

    Liebe Katja, Du bist eine meiner Unterstützerinnen. Danke dafür.
    Ursel

  5. Bärbel
    18/11/2021 / 07:43

    Liebe Ursel, ich sehe die Bilder und denke: es ist also zu schaffen. Fast 2 Jahre sind eine lange Zeit. Auch ich hatte mich mit Beginn des 1. Lockdown entschlossen, meine Naturhaarfarbe wieder erscheinen zu lassen, hatte ein gutes Gefühl dabei, hörte dann aber leider auf die Meinung anderer, die davon abrieten. Ich könnte heute viel weiter sein… Ja, ich möchte auch meine natürlichen Haare sehen. Das schließt auch ein, dass ich zu meinen (naturkrausen) Locken stehe und sie nicht mehr mühsam glätte. Das klappt schon mal, obwohl ich oft angesprochen werde, ob ich eine Dauerwelle hätte „machen lassen“. Warum überkommt mich immer diese Unsicherheit wegen der Meinung der anderen? Ich bin jetzt fest entschlossen, es erneut anzugehen bzw. bin schon dabei. Ich gehöre leider zu denen, die fast 60 Jahre brauchen, um sich so anzunehmen, wie sie sind. Aber es ist nicht zu spät. Hab einen schönen Tag!

  6. Ursel
    Autor
    18/11/2021 / 09:56

    Liebe Bärbel,
    ich freue mich wirklich sehr, wenn meine Geschichte Dich ermutigen kann, Deinen eigenen Weg zu gehen. Nicht jede Haarentfärbung muss zwei Jahre dauern, es kommt halt auf die Haarlänge an. Vielleicht ist ja im Frühling schon so viel von der alten Farbe bei Dir herausgewachsen, dass Du das Geld, das Du jetzt für Färbungen sparst, in einen sehr guten Friseur investieren kannst, der Dir eine schicke Kurzhaarfrisur schneidet – mit der Du dann die Zweifler und Kritiker in Deinem Umfeld sprachlos machst.
    Halt gut durch. Dieses Mal schaffst Du es.
    U.

  7. Susa Berg
    18/11/2021 / 11:30

    Liebe Ursel,
    herzlichen Glückwunsch, Du siehst toll aus. Na, toll ja auch schon vor zwei Jahren, aber jetzt für mich besonders stimmig und im Einklang.
    Was für eine spannende Reise!
    Herzliche Grüße,
    Susa

  8. Ursel
    Autor
    18/11/2021 / 13:47

    Dankeschön, liebe Susa – und herzliche Grüsse zu Dir nach Köln. Oder etwa Paris?

  9. Ursel
    Autor
    18/11/2021 / 21:46

    Danke für Dein schönes Feedback, liebe Marion. Ich habe mich sehr darüber gefreut.

  10. Jutta Küster
    20/11/2021 / 17:53

    Liebe Ursel,
    ich war sehr neugierig, wie Du Dich verändern würdest! Und ich bin begeistert vom dem Ergebnis!
    Du siehst wunderschön aus!
    Authentisch! Attraktiv!
    Ich kann erkennen, dass Du Dich gefunden hast!
    Du strahlst das aus! Herzliche Gratulation und eine dicke Umarmung!
    Liebe Grüße – Jutta

  11. Ursel
    Autor
    20/11/2021 / 23:33

    Danke, liebe Jutta, Deine Rückmeldung freut mich. Dir alles Liebe und pass weiter gut auf Dich auf.

  12. Gisela Heuser
    14/04/2023 / 17:28

    Ich bin am Anfang des Prozess und bin immer noch am überlegen meine Haare heller zu färben. Meine Friseurin meinte, daß es nicht so auffällt wenn mein dunkles Haar heller wird und hat mir Strähnen in blond gesetzt. Ich finde es schön, aber nun ist das weiße Haar ca. 2 cm gewachsen nun kommen die Zweifel. Das ganze Haar hell färben und langsam raus wachsen lassen ???? Ich bin 84 Jahre.

  13. Ursel
    Autor
    14/04/2023 / 22:54

    Liebe Gisela,
    ich kann mir genau vorstellen, wie unwohl Du Dich mit diesen zwei Zentimetern fühlst. Der Weg zum natürlichen Weiß oder Grau ist lang und beschwerlich. Aber mit einer guten Friseurin an Deiner Seite und vielleicht der ein oder anderen Freundin, die Dich ermutigt, nicht aufzugeben, wird es Dir hoffentlich gelingen. Ich hatte das „Glück“, dass wir uns in der Pandemie befanden, während ich ergraute. Ich weiß wirklich nicht, ob ich ohne diesen Rückzug, dem wir alle ausgesetzt waren, durchgehalten hätte. Aber ich kann Dir sagen, dass ich sehr, sehr froh bin, dass ich diesen Weg gegangen bin. Ich halte Dir die Daumen, dass es dir auch so geht.
    Sehr herzliche Grüße,
    Ursel

  14. Anne
    21/06/2023 / 18:54

    Liebe Ursel,
    Deinen Blogbeitrag habe ich erst gerade bis zum Ende durchgelesen und sage erst einmal „Herzlichen Glückwunsch“, das sieht total super aus. Vor allem, weil das so ein schöner einheitlicher Farbton ist. Toll, dass Du das durchgehalten hast. Seit Anfang 50 bin ich in einer Phase, in der ich sage: „Grey is beautiful“. Früher als noch die ursprüngliche Farbe in vollem Glanz strahlte, habe ich meine Haare regelemäßig mit Strähnchen, Färbungen, etc. gequält. Dann hatte ich darauf keine Lust mehr und die ersten grauen Fäden zeigten sich. Plötzlich gehörte für mich das Thema Färben der Vergangenheit an. Mein Lebenspartner, die Familie und viele aus dem Freundeskreis finden das auch völlig o.k. Dann gibt es natürlich auch die „Nein-wie schrecklich“ und „Nichtssager“. Die Kommentare prallen an mir ab, man muss sich ja selber mögen. Bin bald 54 und die ein oder andere Strähne ist hinzugekommen, macht mir aber nichts aus und ich trage immer noch einen klassischen Longbob.
    Viele Grüße aus Bochum, Anne

  15. Ursel
    Autor
    21/06/2023 / 20:38

    Findevich absolut grossartig, liebe Anne.

  16. Lona
    26/09/2023 / 10:16

    Liebe Ursel, erst heute bin ich auf eure wunderbare Seite gestoßen und du hast mich besonders angezogen – wegen deiner tollen weißen Haare. Herzlichen Glückwunsch zu deiner Entschlossenheit und dem Ergebnis, du siehst großartig aus. Auf dem einen Bild erinnerst du mich an Agnès Varda (Regisseurin von AUGENBLICKE: Gesichter einer Reise) :))
    Bei mir (Jahrgang 54) sind die ersten weißen Haare Anfang 30 aufgetaucht (bei meinem jüngeren Sohn schon mit 15!) und anfangs habe ich die seitlichen Strähnen meines Longbobs Lila eingefärbt, meiner Liebe zum Punk geschuldet. Mit den Jahren wurde das Zuviel und ich hatte das große Glück, einen Friseur zu haben, der super gute Schnitte machte und nichts sonst, keine Dauerwelle, keine Farben. Aber ich hatte auch meine Höhen und Tiefen und einige Ausrutscher in Sachen Tönung….
    Ich freue mich sehr, die Stylerebelles kennengelernt zu haben und werde euch nun begleiten !
    Schöne Grüße
    Lona

  17. Ursel
    Autor
    29/09/2023 / 17:57

    Liebe Lona,
    Hab ganz herzlichen Dank für Deine schöne Rückmeldung. Wir freuen uns sehr darüber.
    Liebe Grüsse!

  18. Nixxon
    06/12/2023 / 23:07

    danke für das Teilen deiner Reise ❤️ ….es macht mir Mut, ich bin 45 und schon sehr grau….und hab es leider zu färben….du machst mir Mut so zu sein wie ich in Wirklichkeit bin. Schön….auch mit grauen Haaren!

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