(Foto: Olivia Spengemann, im Hintergrund: Arbeit von Horst Perlick)
Ein Atelier mit zwei Schaufenstern. Sie geben den Blick ins Innere eines großen Raumes frei. Auf Kleiderpuppen werden nicht alltägliche Kleider präsentiert. Bemalte Kleider. Im rechten, hinteren Teil des Raums befindet sich die Nähwerkstatt. Wo wir sind? In Suncana Dulics Kleidergalerie „atelier D“ in Bielefeld.
1. Wie haben Sie Ihre Liebe zur Mode entdeckt?
Sie war immer da. Seit ich denken kann, habe ich Modedesigner werden wollen. Schon als kleines Kind – ich war noch nicht in der Schule – habe ich mir vorm Spiegel mit Stoffen und Sicherheitsnadeln Kleider an meinen Körper drapiert. Das konnte ich stundenlang machen, es wurde mir nie langweilig. Meine ersten Nähversuche mit der Hand waren die Kleider für meine Barbiepuppe. Das fand ich viel interessanter als die ganzen anderen Spiele. Für meine Freunde war ich dadurch ein bisschen anstrengend. Ich wollte immer diese Kleider nähen, ich wollte gar nicht wirklich mit ihnen spielen. Zu meiner ersten Nähmaschine bin ich relativ spät gekommen, mit 16. Ich habe zuerst einen Nähkurs in der Volkshochschule gemacht. Danach habe ich in den Sommerferien einen Job angenommen und in einem Laden Tee verkauft. Von dem Geld habe ich die Nähmaschine gekauft. Die einfachste, billigste Singer Nähmaschine. Singer musste es irgendwie sein.
2. Was wären Sie, wenn Sie nicht Modedesignerin wären?
Biologin oder Architektin. Eine große Persönlichkeit in meiner Familie war mein Großvater, der in der Heimat meiner Eltern ein bedeutsamer Architekt war. Er war eine Art Vorbild. Ein Vetter von mir studierte Architektur, und ich überlegte, das auch zu machen. Aber dann merkte ich, es ist mir zu weit weg vom Menschen. Mir wurde klar, dass ich etwas gestalten will, das nah am Menschen ist, mit dem ich Einfluss nehme auf die Persönlichkeit des Menschen. Mit einem Stuhl kann ich das nicht so direkt wie mit einem Kleid. Ich habe Mode immer architektural gesehen. Im Studium hat mich Schnittkunst am meisten interessiert. Für mich sind Kleider wie kleine Gebäude, in denen der Mensch wohnt.
(Fotos: Stefan Brückner, Cerstin Henning)
3. Was bedeutet Ihnen Kleidung?
Ich habe Kleidung immer mit Würde verbunden. Als junges Mädchen, als alle meinten, sexy herumlaufen zu müssen, habe ich das Gegenteil gemacht. Ich trug Männerklamotten, kurze Haare, Brille, und ich war der Schwarm. Ich wurde ganz anders behandelt, viel ernster genommen. Was man bei mir heute immer sieht, sind weite Hosen. Ich habe immer ein Sakko griffbereit. Man sieht mich nicht in bunten, schrillen Sachen.
4. Welche Rolle spielt Weiblichkeit in Ihrer Kleidung?
Das Spiel mit der Weiblichkeit ist eine ganz knifflige Nummer. Es muss ein Spiel sein zwischen Betonen und Nicht-Betonen. Je weniger eine Frau zeigt, desto mehr betont sie , was sie zeigt. Viele Frauen trauen sich das nicht zu. Sie denken, man müsse sich schmücken. Doch man muss aufpassen, dass man sich nicht dekoriert. Eine Frau ist kein Weihnachtsbaum.
5. Welche Selbstaussage möchten Sie mit ihrer Kleidung treffen?
Gut in der Welt zu sein. Etwas zu tragen, das meinen Kern ausmacht und das zu mir gehört.
6. Gibt es Designer, an denen Sie sich orientieren?
Yamamoto ist mein großer Held. Meine Mode ist sehr Japan-affin.
7. Wie verlief Ihr Berufseinstieg?
Schon während des Studiums habe ich als Designerin in einer Modefirma gearbeitet. Um meine eigene Fitness aufrecht zu erhalten und um keinen Schneiderbuckel zu bekommen, habe ich zeitgenössisches Tanztraining gemacht. Reiner Sport hätte mich nicht interessiert, ich wollte etwas Gestalterisches machen. Mein Lehrer hat angefangen, Stücke zu entwickeln, für die ich die Kostüme entworfen habe. Nach dem Studium habe ich 13 Jahre als Kostümdesignerin gearbeitet. Es hatte den Vorteil, dass ich damit komplett ortsunabhängig war. Und mit meinem Mann, einem Wissenschaftler, ins Ausland gehen konnte. Ich habe in Marseille, Heidelberg, Paris und London gelebt und dort große Tanzproduktionen und Theaterprojekte gemacht. 2011 bin ich nach Bielefeld gekommen und habe meinen Laden eröffnet.
(Fotos: Patrick Houben)
8. Für welchen Typ Frau entwerfen Sie?
Ich adressiere niemanden, sondern ich arbeite thematisch. Das Thema meiner jetzigen Kollektion ist Punkrock. Der Punkszene und ihrer Musik fühle ich mich sehr nahe. Ich habe mit dem Medienkünstler Patrick Houben zusammen gearbeitet, der aus der Musikszene kommt. Er hat bei mir Bilder mit Hochhäusern ausgestellt, die ihn an die Plattencover der Punkrockzeit erinnern. Ich schlug ihm vor, sie auf Stoff zu drucken, aus denen ich schmale Kleider, Shirts und Röcke gefertigt habe. Die Kollektion davor ist aus einer Kooperation mit dem Künstler Wolfgang Waesch entstanden. Seine Frauengestalten erinnern an Cartoons, haben aber zugleich etwas Damenhaftes. Diese Gegensätze unter einen Hut zu bringen, hat mich interessiert. Ich habe die Motive aus dem Stoff ausgeschnitten und in meiner Kleider eingebaut. Es ergab eine interessante Mischung aus cartoonhaften Motiven auf erwachsenen, femininen Schnitten. Eine andere Kollektion hatte den Stadtplan von London als Thema. Es begann als Witz, der sich verselbstständigt hat. Ausgangspunkt war die Ausstellung mit einem Londoner Fotokünstler bei mir zum Thema „London bei Nacht“. Wenn er London bei Nacht macht, dachte ich, kümmere ich mich um London bei Tag. In einer anderen Kollektion ging es um Aphorismen von Oscar Wilde und Gedichte von Goethe, die ich auf Kleidung gestickt habe.
9. Nach welchen Kriterien suchen Sie die Künstler für ihre Modekooperationen aus?
Wenn ich die Arbeiten sehe, muss irgendwas mit mir passieren, es muss richtig krachen. Da bin ich anspruchsvoll. Ich verfolge intensiv was in der zeitgenössischen Kunst passiert. Der Palais de Tokyo in Paris und das PS1 in New York sind meine Kultstätten. Von klein auf war ich Museumsgängerin.
10. Wer wäre Ihr Traumkünstler für eine Mode-Kooperation?
Ich hätte gern mit Man Ray oder René Magritte Mode gemacht. Bei ihm mag ich den Überraschungseffekt, den Humor. Ich mag die Bankertypen in Magrittes Bildern, ihre Anzüge und Vatermörder, die schwarzen Melonen, das Würdevolle, Von den Zeitgenossen mag ich Peter Doig sehr gern. Modemäßg wäre das schwierig, aber ich würde ihn gerne bei mir ausstellen.
11. Was haben Sie durch die Selbstständigkeit gelernt?
Dass man nicht nervös werden muss, wenn mal zwei Tage lang keiner in den Laden reinkommt. Das hier ist kein Bäcker.
atelier D, Rohrteichstraße 30, 33602 Bielefeld Tel: 0521-5849542