Es gibt Frauen, die noch im ganz hohen Alter extrem gut aussehen, sich extrem gut kleiden und selbstbestimmt und extrem geschmackvoll wohnen. Eine von ihnen war die amerikanische Malerin und Stilikone Georgia O´Keeffe (1887-1986). Als sie 96 Jahre alt war, machten Bruce Weber und John Loengard mehrere Schwarz-Weiß-Fotos von ihr in ihrem Haus in Abiquiu/New Mexico. Auf einem dieser Bilder sieht man eine Frau mit weißem, streng nach hinten gekämmtem Haar, das den Blick auf ein sehr schönes, ungeschminktes Gesicht mit tiefen Falten frei gibt. Sie trägt ein schlichtes, schwarzes Wickelkleid über einem weißen Wickelkleid. Ihre Augen sind geschlossen. Sie wirkt ruhig und nachdenklich und könnte ein buddhistischer Mönch bei der Meditation sein.
Das faszinierende Foto hängt zur Zeit in einer Ausstellung im Brooklyn Museum, in der 50 Kleider aus dem Besitz Georgia O´Keeffes zu 50 ihrer Bilder in Bezug gesetzt werden. Doch Vorsicht! Es besteht die Gefahr, dass man seine eigene Garderobe komplett entsorgen möchte, nachdem man gesehen hat, wie Georgia O´Keeffe sich kleidete.
Für ihre Auftritte in der Öffentlichkeit legte sie sich eine minimalistische, auch heute noch sehr modern wirkende Garderobe zu. Sie wirkte reduziert, streng und androgyn und reduzierte sich auf die zwei Farben Schwarz und Weiß. Sie bestand vornehmlich aus weißen Hemden und schwarzen Zwei-und Dreiteilern. Ihr Kleiderschrank enthielt 12 davon, einer war von Balenciaga. Dazu trug sie weiße Blusen und eine auffällige Kopfbedeckung, die aus einem flachen, schwarzen Hut über einem weißen, am Hinterkopf geknotenen Kopftuch bestand. Das wirkte unglaublich glamourös, war aber auch extrem praktisch, da es ihr Haar und ihr Gesicht vor der Sonne schützte. Sie favorisierte flache Schuhe, unter anderem besaß sie 8 Paar identische Ballerinas von Ferragamo in unterschiedlichen Farben.
Zu Hause in New Mexico trug die naturverbundene Künstlerin luftig bequeme Kleider, in denen sie in ihrem großen Garten, der zu ihrer Selbstversorgung diente, arbeiten und in ihrem Studio malen konnte. Die Schnitte waren weit, fließend, praktisch – und ausgesprochen ökonomisch. Kleider, die sich für sie bewährt hatten, ließ sie von sehr guten lokalen Schneiderinnen kopieren. In ihrem Kleiderschrank finden sich eine Menge serieller Outfits, darunter ein kimonoartiges Wickelkleid in 8 Kopien in unterschiedlichen Tönen von Weiß, Blau, Grün, Türkis und Adobe Rosa – Farben die zum blauen Himmel, den rosa und gelben Felsen und Lehmhäusern New Mexicos passten. Sie trug auch sehr gerne Hemdblusenkleider des finnischen Labels Marimekko, zu deren ersten Kundinnen sie gehörte. Sie war eben eine Frau mit sehr gutem Geschmack und registrierte genau, was zeitgenössische Designer schufen, was auch in der durchgehend ästhetischen Einrichtung ihres Hauses sichtbar wird.
Warum unterschied die Künstlerin zwischen einer öffentlichen und einer privaten Garderobe? In einer Zeit lange vor den sozialen Medien und Instagram begründete sie ihren Ruhm und Mythos neben ihrer Kunst auch durch eine makellose Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit. Es war Alfred Stieglitz, der ihr beigebracht hatte, sich ein Image zu schaffen, das so wiedererkennbar war wie ihre Bilder und das ihre progressiven künstlerischen Werte transportieren konnte.
Was erzählen diese Kleider über Georgia O`Keeffe? Sie hatte schon früh ein untrügliches Gespür dafür, wer sie war und wie sie sich präsentieren wollte. Und sie wollte sich nicht allzu viele Gedanken über ihre Kleidung machen, weil sie eine hart arbeitende Frau war, geradlinig und diszipliniert, die sich von den Weisheiten anderer frei gemacht hatte.
Georgia O´Keeffe: Living Modern. Im Brooklyn Museum in New York. Noch bis zum 23. Juli 2017.