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Leben im Hotel: das Le Negresco in Nizza, Madame Augier und ich

Das Negresco in Nizza ist eines dieser Hotels, wie man sie sonst nur aus Filmen kennt. Also, eigentlich nur aus einem, nämlich aus «Grand Budapest Hotel» von Wes Anderson, der 2014 in die Kinos kam. Die Filmkulisse ist nur genau das: eine Kulisse. Gedreht wurde der Film im ostdeutschen Görlitz, genau genommen in einem leerstehenden Görlitzer Warenhaus aus dem Jahre 1913.
Das Negresco in Nizza hingegen ist keine Kulisse, sondern echt. Und dabei doch ein bisschen wie im Film.
Ein Grand Hotel der ganz alten Schule. Für mich auf einer Stufe mit den beiden schönsten anderen Hotels, in denen ich je war: dem Mandarin Oriental Hong Kong und dem Peninsula ebenfalls in Hong Kong.

Das Negresco und ich waren Liebe auf den ersten Blick seit ich vor vielen Jahren einmal in der Hotelbar Le 37 in der wundervollen Gesellschaft von Ursel und Andreas hier einen Cocktail trank.

Der Eingang zur Bar führt durch die Lobby, die den Blick auf einen großen Saal im hinteren Teil des Hotels freigibt.

Lobby des Hotel Le Negresco in Nizza

Der sogenannte Salon Royal mit seiner Glaskuppel ist das Herz des Hotels und vielleicht sogar das Herz von Nizza.

Lobby im Negresco Nizza

Der Salon ist von Säulen getragen, zwischen denen meist leichte Vorhänge gespannt sind. Um ihn herum führt ein Gang, dessen Wände mit Kunst aus über 500 Jahren behangen sind.

Nana von Niki de Saint Phalle im Negresco Nizza

Eine große gelbe Nana dreht sich auf einem Podest und je nach Veranstaltung an diesem Tag findet man hier kleine gemütliche Sessel und Couches in grünem oder türkisfarbenem Samt auf passenden bunten Teppipchen, weiß eingedeckte Esstische mit leuchtendroten Samtstühlen oder auch einen leeren Ballsaal, der zum Tanzen einlädt.

Ich könnte mir vorstellen, dass es auch für Jeanne Augier Liebe auf den ersten Blick war.

Die Dame aus reichem Haus erwarb es im Jahre 1957 und machte es zusammen mit ihrem Mann, Paul Augier, zu dem, was es heute ist: ein Luxushotel, ja, aber auch ein Zuhause für sie selbst, ihre Tiere und ihre Kunst, in dem sie es sich und ihren Gästen in vielerlei Hinsicht schön machte. Viele Jahre lebte sie im 6. Stock des Hotels bis sie im Jahre 2019 im Alter von 96 Jahren starb. Zeitlebens lehnte sie die fast täglich eintrudelnden Kaufgesuche ab, so dass es bis heute eines der letzten unabhängigen Luxushotels der Welt ist. Schon nicht mehr ganz Frau ihrer Sinne vererbte sie das Hotel an ihre Tiere, was aber in Frankreich nicht möglich ist. Es ging an eine Stiftung, die Gewinne kommen verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen zugute, die sich u.a. für das obdachlose Tiere und Menschen einsetzen.

Badezimmer mit Glitzerwanne im Negresco Nizza

Madame Augier kaufte, was ihr gefiel und fand einen Platz im Negresco dafür.

Jedes Zimmer ist anders und überall gibt es überraschende, bunte und schrille Designelemente, wie die türkisblaue Glitzerwanne. Jedes Stockwerk ist in einem anderen Stil eingerichtet und an jeder Ecke lädt ein anderes Möbelstück zum Verweilen, Sitzen oder auch Liegen ein. Jeanne Augier liebte die Farben, Napoléon, Louis XVI und alle Arten von Kunst.
Entsprechend bunt und ekklektisch ist auch die Einrichtung des Hotels. Der Kronleuchter im Salon ist eine Zweitausfertigungs eines entsprechenden Kronleuchters, der im Kreml hängt. Der Kamin im Raum Versailles wurde in Einzelteilen aus einem anderen Teil Frankreichs eingeflogen. Damit er im Negresco stehen kann, musste die Bodenplatte extra verstärkt werden. Im Keller des Gebäudes gibt es eine eigene Werkstatt, in der die Möbel restauriert werden können.

Deluxe Zimmer mit Meerblick im Negresco Nizza

Wenn man im Negresco wohnt, hat man auch jetzt noch das Gefühl, bei Madame Augier zu Gast zu sein. Es ist ein bisschen so, als sähe sie in ihrem Privatmuseum noch immer nach dem Rechten. Es gibt Fotos von ihr und diverse Bilder, in denen sie und das Negresco von namhaften Künstlern und Künstlerinnen verewigt wurde. In den Niederlanden verliebte sie sich einmal in ein abstraktes Bild, das man ihr aber nicht verkaufen wollte. Sie entschied, daraus einen Teppich fertigen zu lassen, der nun alle Flure in den fünf Stockwerken bedeckt.
Man kann sie beinahe vor sich sehen, wie sie mit einem Zwinkern in den Augen und bestimmt auch ein bisschen Schadenfreude fortan die Flure ihres Hotels entlangschritt.

Hôtel Le Negresco Flur im 3. Stock

Alles hier ist ein kleines bisschen surreal und zugleich ganz wunderbar. Das gesamte Personal ist ausgesprochen herzlich. Keine Spur von überheblichem Snobismus, wie man es vielleicht erwarten könnte. Selten bin ich in einem Hotel so freundlich in Empfang genommen worden. Wer mag, bekommt eine Führung durch das Gebäude und Gäste, die sich die Zeit nehmen, um sich die verschiedenen Kunstwerke anzuschauen, werden gerne gesehen.
Entsprechend illuster ist auch das Publikum. Neben diversen Promis und Gästen mit zu viel Geld gibt es hier eben auch jede Menge Menschen wie mich, die sich einen Traum erfüllen und ein paar wunderschöne Tage in dieser traumhaften Kulisse verbringen wollen.

Jeanne Augier, das Hotel Negresco und ich

Das Hotel Negresco wurde vom Rumänen Alexandru Negrescu, der sich später in Henri Alexandre Negresco umbenannte, erbaut und 1913 erstmalig eröffnet. Mit seiner – von Gustave Eiffel konstruierten – pinkfarbenen Kuppel ist es eines der Wahrzeichen von Nizza geworden. Aber es ist noch viel mehr als das. Für die wahren Fans ist es – Jeanne Augier sei Dank – ein Wundergasthaus, in dem man sich verzaubern lassen kann.

Weitere Informationen:

https://www.hotel-negresco-nice.com/en/hotel#history

Photocredits: Stephan Burghoff

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