Das Haus umbauen. Dem Hund Dogdancing beibringen. Öfters mal Nein sagen. Das und vieles mehr hatte sich Patricia Riekel vorgenommen. Die langjährige Chefredakteurin der Zeitschrift BUNTE liebte ihren Beruf leidenschaftlich. Voller Skepsis blickte sie dem Ruhestand und dem gefürchteten Stillstand entgegen. Wie hält man es aus, nicht mehr gebraucht zu werden? Wer würde sie sein, ohne Job und ohne Funktion?
Klug, charmant und mit viel Selbstironie erzählt die 72 Jahre alte Journalistin in ihrem Buch mit dem Titel „Wer bin ich, wenn ich nichts mehr bin?“ von Höhen und Tiefen nach ihrem Karriereende und ihrem Umgang mit dem Älterwerden. Wie sie die verrücktesten Zukunftspläne entwickelt, sich über Vergesslichkeit ärgert, lernt, ihren Nachfolger zu lieben. Und wie sie die neue Unabhängigkeit in vollen Zügen genießt. Weil die Rente nicht das Ende, sondern erst der Anfang ist – von der in ihren Augen mit Abstand spannendsten und glücklichsten Lebensphase überhaupt.
Das Kennzeichen der nachberuflichen Zeit, wenn man sich denn erst einmal an das neue Leben gewöhnt hat, ist laut Riekel eine große Freiheit. Frei von Terminen, von Druck, von Verpflichtungen. Und es ist auch eine innere Unabhängigkeit. Im Beruf oder in der Familie sind wir immer gebunden an das, was Menschen von uns erwarten und erhoffen. Dass wir da sind, dass wir unsere Pflichten tun, Leistungen bringen, „bella figura“ machen. Die Freiheit im Ruhestand bedeutet, dass wir diese Erwartungen nicht mehr erfüllen müssen.
Riekel gibt offen zu, dass sie am Anfang mit dem Ruhestand haderte und nicht untätig sein wollte. Sie malte, wollte ein Café und gar eine Pension eröffnen. „Nachdem ich aufgehört habe, zu arbeiten, habe ich versucht, weiter die Welt zu beeindrucken. Deswegen gab es hektische Betriebsamkeit. Aber das hat sich gelegt. Ich habe dann diesen Menschen wiederentdeckt, der ich in jungen Jahren war: ein bisschen versponnen, poetisch, träumerisch. Ohne Druck, schönen Gedanken nachhängen, vielleicht etwas notieren. Wer warst du so mit 16, 17, was hattest du für Träume, was für Hoffnungen? Wenn man sich daran erinnert und dahin zurückkehren kann, das ist ein großes Glück.“
Ihr Tipp für den Ruhestand: „Wenn man Bilanz zieht und feststellt, dass man ein erfülltes Berufsleben hatte, dann kann man gut damit abschließen. Das Gefühl, ich habe meine Sache gut gemacht, ich habe in entscheidenden Momenten handeln können, ich war nicht nur Spielball, das gibt ein gutes Gefühl. Trotzdem – umso bedeutender das Amt war, umso größer ist auch der Wichtigkeitsverlust. Es stimmt einen ein bisschen traurig, zu wissen, dass jeder Mensch ersetzbar ist. Damit muss man sich erst anfreunden.“
Patricia Riekel propagiert eine wohltuend positive Einstellung zum Älterwerden. „Altwerden bedeutet ja, dass man länger lebt und jeder Tag ist ein Gewinn. Deswegen finde ich Altwerden ziemlich schön, denn die Alternative heißt jung sterben. Die Einschränkungen, die man hat, finde ich normal. Es gibt Krankheiten und Zipperlein. Aber über allem schweben mein Vergnügen am Leben, meine Lust, mein Spaß und mein Humor. Wenn ich irgendwas nicht mehr kann, dann lache ich eher. Es ist auch nur ein Zeichen, das ich lebe. Der Tod ist das Ende und ich hoffe darauf, dass mein Körper und mein Geist sich auch darauf einstellen und dass eine Müdigkeit mich davonträgt.
ZUR PERSON: Patricia Riekel war 20 Jahre lang Chefredakteurin der Illustrierten „Bunte“ – und selbst häufiger Gast auf dem Roten Teppich. 2016 zog sie sich zurück, ein Jahr später hörte sie auch als Herausgeberin des People-Magazins auf. Riekel sitzt für die FDP in München im Bezirksausschuss Bogenhausen. Ihr Lebensgefährte ist der frühere „Focus“-Herausgeber und FDP-Landtagsabgeordnete Helmut Markwort. Das Paar lebt in München und am Starnberger See.
Patricia Riekel, Wer bin ich, wenn ich nichts mehr bin? Wilhelm Heyne Verlag, München 2021, 288 S., 20 Euro, ISBN: 978-3-453-20736-3