Soixante-dix

Eine rauschende Party sollte es geben, mit vielen Gästen, einem großen Abendessen, vielleicht mit einem DJ. Vor drei Wochen sagte ich die Party ab, wenige Tage darauf lud ich erneut dazu ein, nur um sie wieder abzusagen. Spätestens da war klar, dass dieses Datum, mein 70. Geburtstag, keine harmlose Sache ist.

Einige meiner Freundinnen habe ich ihre 70. und 80. Geburtstage einfach so durchwinken sehen. Bloß nicht zu viel Aufhebens machen. Bei mir war das mit den runden Geburtstagen immer anders. Sie wurden mit Pauken und Trompeten gefeiert. Es ging darum, Bilanz zu ziehen, Perspektiven zu formulieren und den Beginn eines neuen Lebensabschnitts zu feiern.

Nun also die 70. Wie sagte es ein Freund so schön? In der eleganten französischen Sprache gebe es nicht einmal ein eigenes Wort für diese unfassbare Zahl. Franzosen zählen in der Tat bis 60. Was dann folgt, sind Umschreibungen. Soixante-dix für 70, also siebzig zehn. Quatre-vingts für 80, also vier zwanzig. Bei 90 lautet der sprachliche Klimmzug: quatre-vingts-dix. Vier zwanzig zehn.

Soll man also mit 70 mit gesenktem Kopf durch die Stadt gehen und sich für sein Alter schämen? Fest steht: Die 70 hat ein Imageproblem. Die Siebziger Dekade geht mit dem so oft gehörten Kennzeichen einher, das sie eine Zäsur bedeutet zwischen vorher und nachher, dass Gesundheit und Glanz schwinden und sich dramatische Veränderungen einstellen. Osteoporose, Durchschlafprobleme, künstliches Knie, Vergessen von Namen und Telefonnummern, Rückenschmerzen, kleine und große Niederlagen, eine immer großer werdende Empfindsamkeit, Verluste.

Wer bei Altersangaben mit einer Sieben beginnt, gehört nicht mehr zum Club der Jungen. Er oder sie stellt fest, dass die Gesichter im Fernsehen immer jünger werden, dass Krankheiten, die Verrentung der Immobilie und der Pflegenotstand in Altersheimen zunehmend ein Thema im Freundeskreis sind, dass Banken keinen Kredit mehr gewähren, weil sie nicht wissen, ob man lange genug lebt, um das Geld zurückzuzahlen.

Was kann eine Frau tun, um mit 70 ihr Leben gelassen und selbstbewusst zu leben? Es ist wichtig, das Älterwerden zu akzeptieren und das Schwinden und Nachlassen der Kräfte und der Agilität anzunehmen. Ganz fatal ist es, wenn Menschen ihr Alter negieren und weiter dem Fetisch der ewigen Jugend folgen. Warum wirkt es so falsch, so abgestanden, sich mit 70 noch mal neu erfinden zu wollen? Mit 70 sollte es spätestens losgehen, dass die Frau das Leben, das sie bis dahin gelebt hat, ruhig, gefestigt und hoffentlich zufrieden ordnet und bewertet.

Stichwort: Alter und Würde. Die ewig Junggebliebenen, die, die im Alter Jugendlichkeit behaupten oder vorspielen, können weder ein interessantes Gegenüber noch ein Vorbild sein. Ihnen fehlt die Unabhängigkeit, sich dem allgemeinen Jugendwahn zu widersetzen und letztlich die Würde. Ganz platt: Die Frau, die ewig jung bleiben möchte, kann das mit dem guten Älterwerden nur schlecht hin bekommen.

Die 70 können, wenn es gut läuft, als eine Einladung zur Extraportion Lebensfreude und Lebensgenuss verstanden werden. Kurzformel: sich nicht unnötig unters Messer begeben, sich nicht mit Diäten kasteien, auf kein Dessert verzichten. Dankbar dafür sein, noch beweglich zu sein, aber kein Land mehr erobern zu müssen.

Was ich nun am meinem Geburtstag machen werde? Zum Glück ist noch etwas Zeit zu überlegen. Auf jeden Fall was Schönes essen und trinken.

Wenn Sie das Thema interessiert: Um interessante und souveräne Altersvorbilder geht es hier: https://stylerebelles.com/unangepasst-kuenstlerinnen-und-ihre-kleider/