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Warum wir alle ein bisschen wie Iris Apfel sein sollten

Iris Apfel1. Einhundert Jahre Kaufrausch. Achtundachtzig Jahre, um genau zu sein. Mit zwölf Jahren kaufte Iris Apfel zum ersten Mal ein wichtiges Outfit: ein pfirsichfarbenes Kleid, einen Strohhut und ein Paar Schuhe für 12 Dollar und 48 Cent in einem Discount-Shop an der 14th Street, im New Yorker West Village. Apfel wollte auf eine Osterparade gehen und sich fein machen, die Mutter hatte ihr Taschengeld gegeben.

2. Iris Apfel, 1921 als Iris Barrel in Astoria, Queens, geboren und auf der Farm ihrer Großeltern außerhalb der Stadt aufgewachsen, ist das älteste Supermodel. Mit 97 Jahren unterschrieb sie einen neuen Model-Vertrag. Apfel ist berühmt für übergroße, runde Brillen, riesige Armreifen und Ketten, chaotisch wirkende, aber äußerst durchdachte Outfits. Bei Modeschauen der Haute Couture sitzt sie in der ersten Reihe. Ende August ist sie hundert Jahre alt geworden.

3. Iris Apfel lebt auf der Upper East Side in Manhattan. An der New York University studierte sie Kunstgeschichte, schrieb für 15 Dollar die Woche Kolumnen für die Zeitschrift «Women’s Wear Daily» und begann als Innenausstatterin zu arbeiten. Als sie einmal bei Loehmann’s einkaufen war, wurde sie von der Gründerin Frieda Loehmann mit denkwürdigen Worten bedacht: «Sie sind nicht hübsch, und Sie werden es nie sein. Aber das spielt keine Rolle. Sie haben etwas, was viel wichtiger ist: Sie haben Stil.»

4. Als müsse sie immer noch eine Beleidigung verarbeiten, die in einem Kompliment versteckt war, zitiert Apfel das Vorkommnis mit Frau Loehmann gerne und oft. Sie sei nicht hübsch, das wisse sie. Aber nie habe sie Schönheitsoperationen vornehmen wollen. Sie möge das Wort, ja das gesamte Konzept «hübsch» nicht. Hübsche Menschen würden hässlich, Stil aber vergehe nicht.

5. Apfels Stil lässt sich am besten als «mix and match» beschreiben, als Kombination aus Haute-Couture und Secondhand. Für ihre Kleider reiste sie weit und viel, früher nach Europa, Afrika, Asien, heute lokal, in New York, zu Flohmärkten, nach Midtown in den Fur District, zu Afro-Läden in Harlem.

6. «Stil ist keine Frage des Alters», so lautet zu Recht der deutsche Titel ihrer 2018 erschienenen Memoiren. Apfel, die sich scherzend zugleich als «Greisinnenstar» («geriatric starlet») und als «ältester lebender Teenager» bezeichnet, wurde spät zum Starmodel. 2005 fragte Harold Coda, damals Chefkurator des Kostüminstituts des Metropolitan Museum, ob sie für eine plötzlich abgesagte Show einspringen könne. Apfel war 84 Jahre alt, sagte selbstredend Ja.

7. Unter dem Titel «Rara Avis: Selections from the Iris Apfel Collection» zeigte das MoMA vierzig ihrer Outfits, zusammen mit Accessoires und Schuhen. Ohne Accessoires geht es nicht, sie sind Apfel wichtiger als die Kleider selbst: Klunker aus Glas und Plastik, aus Federn oder Metall.

8. Mit ihrem Ehemann Carl war Iris Apfel 68 Jahre lang verheiratet. Er sei ihr Prinz, ihr Pussycat, sagte Apfel. Und sie kleidete ihn ein, fast so schrill wie sich selbst. Noch mit neunzig Jahren trug Carl rosa Hemden und mit Nieten besetzte Baseball-Caps. Carl nannte Apfel seine «Kindsbraut».

9. Von alten Frauen, die jung aussehen wollen, hält sie nichts. Von jungen Frauen, die sich operieren, auch nichts. Noch weniger von der seit den Lockdowns so beliebten, schlabbrigen Loungewear. Und hat einen guten Rat parat: Jeden Tag leben, als sei es der letzte, denn irgendwann wird es wirklich der letzte sein, sagt sie

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