Alle haben Angst. Alle sind nervös. Allen geht Corona auf die Nerven. Ich wollte das alles einfach mal vergessen, das Virus, die schlechte Stimmung, den Regen und das ganze Grau. Ich wollte endlich wieder mal die Sonne sehen und habe gemerkt, wie Reisen sich durch Corona verändert (interessanterweise auch verbessert) hat. Ich fuhr Anfang Januar von zu Hause (350 000 Einwohner, Inzidenz 300) in das Dorf nach Südtirol (1800 Einwohner, Inzidenz 3000), in dem ich seit 20 Jahren jeden Winter ein paar Tage verbringe. Leider ist es Hochrisikogebiet.
Irgendetwas ist immer gefährlich. Das ganze Leben ist ein Risiko. Zuhause tobt auch das Virus. Wir führen ein oft hektisches Alltagsleben. Arbeitstermine. Zweimal die Woche Biomarkt, Wochenmarkt, Supermarkt. Man hat Kontakte, redet mit dem Briefträger, dem Steuerberater und dem Installateur, weil die Heizung mal wieder defekt ist. Man geht zur Bank, in die Reinigung, zum Frisör, zur Krankengymnastik, zum Zahnarzt. Ganz ehrlich: Ich habe zu Hause mehr Risiko als im Urlaub im Hochrisikogebiet. Auf dem Zauberberg lebe ich abgeschieden, bin im Hotel rundum versorgt und tauche in die Natur ein.
Ich bin geimpft, geboostert; ich trage, wann immer es erforderlich ist, eine Maske. Trotzdem habe ich Angst vor dem Virus.
Deshalb habe ich vor der Abreise einige Vorsichtsmaßnahmen getroffen:
- Habe mit der Hotelbesitzerin telefoniert und mich nach dem Impfstatus der Mitarbeiter und der Belegung des Hauses erkundigt. Ich erfuhr, was mir für die Hotelbesitzerin leid tat, aber mir entgegen kam, dass das Hotel nur zu einem Drittel gebucht sei, denn viele Gäste stornieren ihre Buchungen.
- Habe mir vom Vertreter meiner Auslandskrankenversicherung zusichern lassen, dass sie eventuell anfallende Kosten auch bei einer Behandlung in einem Hochrisikogebiet übernimmt und mich im Fall einer schwerwiegenden Erkrankung (das gilt auch für Corona) nach Hause transportiert.
- Habe eine halbe Reisetasche voller Masken sowie Tests eingepackt, um jeden zweiten Tag einen Selbsttest durchführen zu können.
- Habe doppelt so viele Bücher wie sonst eingepackt, damit ich mich im Fall einer Quarantäne beschäftigen kann.
- Habe mir selbst versprochen, beim Wandern und Skilanglaufen kein Risiko einzugehen, nicht in die Hotelsauna zu gehen, keine Wanderhütte zu betreten, auch kein Geschäft und auf keinen Fall nach Bozen in den Schlussverkauf zu fahren. (Habe ich alles gut durchgehalten, nur Letzteres fiel mir schwer.)
Was ist mit der Angst vor einer Ansteckung?
Morgens nach dem Frühstück las ich in der Hotelhalle die Tageszeitungen bei einer zweiten Tasse Kaffee. In der ersten Urlaubswoche studierte ich besonders aufmerksam die Seite 5 im „Dolomiten“ mit den tagesaktuellen Inzidenzen für jeden Ort in Südtirol. (Das Zählen klappt dort übrigens wie am Schnürchen.) Jedes Mal war ich geschockt von den weiter steigenden Inzidenzen im Ort und testete mich. In der zweiten Urlaubswoche hatte sich die Angst abgenutzt. Vielleicht vergaß ich sie auch einfach unter dem knallblauem Himmel und bei strahlendem Sonnenschein. Ich glitt mit den Skiern mitten durchs Unesco Welterbe der Dolomiten, atmete die gesunde Höhenluft auf 1499 Metern Höhe, roch den Duft der Fichten, Lärchen und Zirben und hörte die ersten zwitschernden Vögel. Auch in der dritten Woche blieb ich achtsam, doch ich las keine Zeitungen mehr und ließ den ganzen Zahlenterror nicht mehr an mich heran. Kurz vor der Abreise googelte ich die Zahlen. In Südtirol waren sie gesunken, zu Hause lagen sie inzwischen bei über 1000, aber so genau wusste man es nicht.
Was ist anders bei einer Reise in der Corona-Zeit?
Reisen in der Pandemie bringt für den Urlauber auch Vorteile. Reisende können sich spontan entscheiden und durchaus auch kurzfristig noch absagen. Weil die Hotels nicht ausgebucht sind, bieten viele Hoteliers ihren Gästen Upgrades oder lassen sie Lieblingszimmer auswählen. (Ich bekam ein Erkerzimmer mit sieben Fenstern. Wenn ich morgens aufwachte, zog ich die Vorhänge auf, sah einen knallblauen Himmel, Schnee, die Loipe und die von der Sonne beschienenen Berge.) Die Hotelbesitzer und Mitarbeiter freuen sich, dass endlich wieder Gäste kommen, die sie umsorgen und verwöhnen können.
Mein Fazit
Ich habe gesund gegessen, mich viel an der frischen Luft bewegt, gut geschlafen und die Akkus aufgeladen. Jeden Tag – vom ersten bis zum letzten – war der Himmel strahlend blau. Die Sonne hat geschienen, der ganze Urlaub kam mir vor wie eine Lichttherapie. Das Leben war dadurch wieder leicht und sehr schön. Ich war weiter vorsichtig, aber ohne Sorgen. Ich bin gesund geblieben. Und wenn nicht? Dann hätte ich trotzdem einen prima Urlaub gehabt.
Über das Zimmer mit den sieben Fenstern würde ich besser den Mantel des Schweigens hüllen und niemandem verraten, wo es liegt. Na gut, bei Ihnen mache ich eine Ausnahme. Sie finden es hier. Frau Watschinger, die Besitzerin, und ihre Damen werden sich freuen, wenn Sie anrufen.
In Südtirol gibt es abseits der Pisten und Loipen Gegenden, durch die man nur staunend wandern kann, weil sie so schön sind. Warum? Das erfahren Sie hier.
Liebe Ursel,
schön, ein bißchen Sonne in diesen trüben Zeiten genießen zu könnten und Coronapausen tun sowieso gut. Angstfreie Momente natürlich auch. Auf das Boostern würde ich mit heutigem Kenntnisstand allerdings verzichten …. Ich habe kürzlich ein sehr interessantes – und leider auch erschreckendes – Interview mit Prof. Martin Haditsch (Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie, Infektiologie und Tropenmedizin sowie für Virologie und Infektionsepidemiologie) gesehen, was doch sehr zweifeln läßt. Nun ja, unabhängig davon schaue ich mir gleich mal das Hotel an. Südtirol ist immer eine Reise wert.
Herzliche Grüße
Sandra
Autor
Danke für Dein Feedback, liebe Sandra. Ohne Booster hätte ich die Reise nicht angetreten. Er hat mir neben Maske, Selbsttests und großer Vorsicht ein Stück Sicherheit verschafft, auf die ich nicht verzichten möchte.
Ciao!
3 Wochen klingt nach Auszeit vom Feinsten. Ohne geboostert zu sein würde ich weder in Südtirol noch im heimischen Österreich in ein Hotel einziehen, ins Gasthaus gehen, in ein Kino, oder Theater gehen, länger verweilen.
Die Statistik gibt dem momentan Recht.
Nur der Vergleich macht die Medizin sicher.
Aller guten Dinge sind 3.
Kulturpur grüßt herzlich.
Autor
Dem kann ich mich nur anschließen.
U.