Jeden Tag gegen 17 Uhr gilt in Großbritannien ein ungeschriebenes Gesetz: Man setzt sich und trinkt eine Tasse Tee. Britischer als im historischen Morris-Zimmer des Londoner Victoria & Albert Museums kann man ihn nicht einnehmen. Hier wird die Tea Time wie vor 200 Jahren zelebriert. Jeden Freitagnachmittag von 15-17 Uhr.
Ein Raum aus dem Jahr 1868, gestaltet vom großen Arts and Crafts Künstler William Morris. Bunte Bleiglasfenster, türkis gestrichene Wandverkleidungen aus Holz, handbemalte Tapeten, in deren Tiefe man sich verlieren kann. An der mit Stuck verzierten Decke glitzern riesige Kronleuchter. Im Raum blutrote Stühle auf dunklem Holzfußboden, die runden Tische sind mit weißen, gestärkten Tischdecken eingedeckt.
Das Viktorianische Zeitalter (1831-1901) gilt in Großbritannien als goldene Ära. Es brachte eine industrielle Revolution, soziale Reformen und Fortschritte in Wissenschaft, Technik und Kultur. Aber vor allem brachte es den Nachmittags-Tee. Die zusätzliche Mahlzeit wurde von der 7. Duchess of Bedford eingeführt. In der vornehmen Gesellschaft war es Brauch, erst spät zu Abend zu essen. Um ihre Hungerattacken zu bekämpfen, ließ sich die korpulente Dame als Zwischenmahlzeit eine Tasse Tee mit einer kleinen Auswahl an Kuchen und Plätzchen servieren. Sie machte den 5 Uhr Tee zu einer festen Einrichtung in ihrem Haus und begann, Freunde und vor allem auch ihren Mann, den Duke of Bedford, dazu einzuladen. Eine gute Gelegenheit, ihn zu sehen, weil er am Abend bevorzugt allein seinen Vergnügungen nachging.
Queen Victorias Nachmittags-Tees
Ab 1840 übernahm Queen Victoria die Idee des Afternoon Teas in ihren Tagesablauf und begann, täglich zu intimen Tees einzuladen. Das Londoner Victoria and Albert Museum (V&A) hat dieses Konzept aufgegriffen. Natasha Marks, die den schönen Beruf einer Lebensmittel-Historikerin ausübt, hat die herrliche Mahlzeit nach Rezepten aus dem 19. Jahrhundert zusammengestellt.
Nachdem der Gast im Morris Room Platz genommen hat, bringt der Kellner die dreistöckige Etagere mit den teils süßen, teils pikanten Köstlichkeiten. Serviert werden 5 kleine Sandwiches, darunter der Klassiker mit Gurke. Stammt aus dem Jahr 1859. Oder die klitzekleine Spargel/ParmesanTarte. Und was halten Sie von der Version Krabbenfleisch mit Mayonnaise, Muskatnus und Paprika – Gewürzen, die von der East India Company nach England gebracht worden waren. Der Einfluss Indiens wird auch am Schinkensandwich mit Chutney spürbar. Anschließend verspeist man fünf Küchlein, darunter ein mit Früchten gefülltes und mit Earl Grey Tee parfümiertes Scone und ein Stachelbeer-Törtchen. Auch ganz köstlich: ein Orangen-Törtchen mit Clementinen-Püree, kleinen Streifen von der Orangenschale, Mandeln und Pistazien nach einem Rezept aus dem Jahr 1891.
Die Speisekarte bietet eine Auswahl an sechs verschiedenen Tees und, falls Ihnen am helllichten Tag schon danach sein sollte, ein Gläschen Prosecco oder Champagner. Der Spaß kostet 30 Pfund bzw. 35 Pfund mit Prosecco und 38 Pfund mit Champagner. Anmeldung empfehlenswert. Und bitte essen Sie ein Stachelbeer-Törtchen für mich mit.