Zunächst einmal ein kleines Outing: Ich bin ein Fan von GNTM. Ich schaue nicht viel Fernsehen, erst recht kein Reality TV. Aber für Germany’s Next Top Model mache ich eine Ausnahme.
Ja, ja, ja, ich weiß. Unterschichtenfernsehen, kein gutes Frauenbild, zu viel (vermutlich choreographierter) Zickenkrieg, und eine Moderatorin, die sich selbst wahnsinnig toll findet und aus dieser Überheblichkeit heraus oft wenig wertschätzend mit vielen der Kandidatinnen umgeht.
Und ja, GNTM ist eine Castingshow. Natürlich müssen Frauen, die sich freiwillig für die Teilnahme an solch einem TV-Format melden, auch ein gewisses Maß an Selbstdarstellertum mitbringen. Ganz zu schweigen davon, dass es nicht immer die hellsten Kerzen auf der Torte sind. Was bestimmt hilfreich ist, wenn es darum geht, am Ende jeder Folge möglichst devot „Danke für das Feedback, davon konnte ich wirklich profitieren, ich will mich unbedingt verbessern, nächstes Mal werde ich mich noch mehr anstrengen und noch mehr als 100% geben“ in die Kamera und das leicht süffisant grinsende Gesicht von Heidi Klum zu hauchen.
Von mir aus könnte die gesamte Backstage-Coverage von GNTM wegfallen. Was ich nämlich hingegen liebe sind die Fotoshootings.
Die Klamotten, die Inszenierungen, die Filmsets, die individuelle Umsetzung durch die verschiedenen Kandidatinnen. Es macht mir auch riesigen Spaß zu beobachten, wie die Frauen von Woche zu Woche ein bisschen souveräner werden und mit großem Selbstbewusstsein und zunehmender Selbstverständlichkeit vor der Kamera stehen.
Denn das ist vielleicht das Wichtigste, das Frauen – egal welchen Alters – von GNTM lernen können. Je mehr man sich selbst mag, mit allen Ecken und Kanten, je zufriedener und entspannter man in die Kamera strahlt, desto besser werden die Fotos.
Das Mantra aller kamerascheuen Frauen: „am besten sehe ich auf Fotos aus, bei denen ich gar nicht merke, dass ich fotografiert werde“, ist nämlich absoluter Quatsch. Es sei denn, es ist ein sehr guter Fotograf mit einer sehr guten Kamera mit einem lichtstarken Objektiv und er erwischt einen in einem dieser goldenen Momente, in denen man sich gerade wahnsinnig über etwas freut oder an etwas besonders Schönes denkt oder eben gerade ganz zufrieden und entspannt ist. Das ist dann aber großer Zufall.
In den meisten Fällen erwischt einen die Kamera nämlich gerade in den weniger goldenen Momenten. Deshalb sind Fotografen stets darauf bedacht, solche Momente zu erschaffen. Der beste Trick für Pärchenfotoshootings, den ich mal bei einem Fotoshooting gelernt habe, besteht darin, eine der beiden Personen zu bitten, der anderen etwas ins Ohr zu flüstern, das sie zum Lachen bringt. Funktioniert eigentlich immer.
Genau das wissen die sogenannten fotogenen Frauen, deshalb gewöhnen sie sich an, diese Momente nicht einfach dem Zufall oder der Professionalität der Fotografin zu überlassen. Sie wissen, dass sie prinzipiell gut aussehen, tragen vorher noch ein bisschen Lippenstift auf, denn die Kamera schluckt viel Farbe, achten auf eine gute Haltung, um nicht auszusehen wie ein Schluck Wasser in der Kurve, entspannen sich, knipsen ihr schönstes Lächeln (oder auch nur den Klum’schen Schmunzelhasen) an und los geht’s.
Und natürlich ist dann immer noch nicht jedes Foto perfekt. Denn auch das kann man bei GNTM lernen. Bis mal so ein einziges Foto im Kasten ist, braucht es manchmal eben schon zehn, zwanzig oder auch mal hunderte von Fotos.
Und das bei Menschen, die vorher stundenlang von anderen Menschen, allesamt Profis, gestylt, geschminkt und frisiert wurden, die genau wissen, welche ihre Schokoladenseite ist, in welcher Haltung sie besonders gut, schlank, oder wie auch vorteilhaft rüber kommen. Die für GNTM ausgewählt wurden, weil sie alle – auch und gerade die sogenannten Plussize- und Bestager-Modells bei aller angeblichen Diversität – in der einen oder anderen Hinsicht einem aktuellen Schönheitsideal entsprechen. Weil sie einfach aufgrund ihrer Gene (die wenigen glücklichen), aufgrund von harter Arbeit an ihren Körpern und / oder einer strengen Disziplin einen Look haben, der gerade angesagt ist. Selbst die sehen nicht auf allen Fotos toll aus. Grund genug ein bisschen gelassener mit den eigenen Fotos zu werden.
Aber es gibt noch etwas anderes, das insbesondere wir Frauen über 50 von GNTM lernen können.
Und das ist, dass selbst diese Frauen, mit ihrer tollen Haut, perfekten Haaren und Maßen, die die meisten von uns vor Neid erblassen lassen, unsicher sind. Und es ist egal, ob es die jungen Mädchen oder die wunderschönen, in vielerlei Hinsicht gestandenen Frauen über 40 oder 50 sind. Sie ärgern sich über Schildkrötenhälse und Rückenfalten, sie sehen Makel und (angebliche) Unzulänglichkeiten, die den meisten Zuschauer:innen nur ein müdes Lächeln entlocken können. Denn offensichtlich ist es völlig egal, wie „objektiv“ schön jemand ist, es ist scheinbar nie genug.
Es ist ein Trugschluss, dass wir, wenn wir nur endlich die 5 kg abgenommen haben oder endlich mal den perfekten Glow im Gesicht oder das durchtrainierte Six-pack Bauchmuskeln oder lange Haare oder meterlange Beine oder was auch immer haben, dass dann endlich alles gut wäre und wir glücklich und zufrieden mit uns und unserem Körper.
„Schönheit beginnt in dem Moment, in dem du beschließt, du selbst zu sein.“, soll Coco Chanel einmal gesagt haben.
Und das ist es meiner Meinung nach auch, was man gerade mit ü50 von GNTM lernen kann.
Letztendlich ist es eine bewusste Entscheidung, ob wir uns selbst schön finden oder nicht. Mit 50plus hat man in der Regel so viel Lebenserfahrung sammeln können und so viele Hürden meistern müssen, dass es um einiges leichter ist, zu wissen wer man ist, als noch als unsicherer Teenager, der seinen Platz im Leben noch finden muss. Gerade wir sollten keine Zeit damit verschwenden, uns selbst ständig zu kritisieren und stattdessen anfangen uns selbst so zu mögen, wie wir sind.
Das reicht vielleicht nicht, um Germany’s Next Top Model zu werden. Aber für ein gutes Foto alle Mal. Probieren Sie es aus und dann ab in die nächste Runde… ganz egal, was Ihre innere Heidi Klum dazu sagen würde.
Sie wollen mal reinschauen? Alle GNTM Folgen gibt es bei Joyn unter https://www.joyn.de/serien/germanys-next-topmodel
Weitere Dinge, die ich über gute Fotos gelernt habe, gibt es hier: Advanced Selfie – 7 Tipps für gute Selbstporträts von Sorelle Amore und mir
Und wenn Sie jetzt Lust auf ein Fotoshooting in Paris bekommen haben… Als Frau ü50 alleine reisen – meine 7 besten Tipps für Solo Reisende in Paris
