Im Pandemie-Winter 2020 fing alles an: Ich brauchte dringend eine Ablenkung, um mich durch die dunklen Tage des Lockdowns zu bringen. Gesucht, gefunden: Die bonbonfarbene Netflix-Kitschserie über eine Adelsfamilie im London im frühen 19. Jahrhunderts rund um die elfenhafte Daphne Bridgerton, dem Juwel der Londoner Ballsaison, und den Duke of Hastings zog mich damals in ihren Bann. Die acht Folgen mit aufwändig gestalteten Schauplätzen und Kostümen, melodiöser Filmmusik, geistreichen Dialoge – ganz zu schweigen von dem erfreulichen Anblick des Duke of Hastings, gespielt von Regé-Jean Page, waren die bis dahin erfolgreichste Netflix-Produktion weltweit.
Meine Begeisterung für die erste Bridgerton-Staffel war groß, und so freute ich mich auf die Fortsetzung. Was also gibt es Neues? Der attraktive Duke of Hastings hat leider keinen Auftritt mehr. Allein seine Frau flaniert mit einem Baby auf dem Arm weiter durch das Bridgerton-Stadthaus in Mayfair und den nordenglischen Landsitz ihrer Familie, wo die nächsten Sprösslinge unter die Haube gebracht werden müssen.
Basierend auf den Romanen von Julia Quinn wird dieses Mal die Geschichte von Anthony Bridgerton erzählt, Daphnes ältestem Bruder. Er ist auf Brautschau, weil sich das für den Mann im Haus nun mal so gehört. Dass er nicht viel von der Liebe hält, zeigte er in der ersten Staffel mit flüchtigen Amouren. Dieses Mal ist aber alles anders: Anthony erscheint jetzt als ein gereifter, doch immer noch arroganter und kühler Gentleman. Er hat sich die Haare zurückgekämmt und Gott sei Dank die Länge seiner Koteletten überdacht. Die Zuschauer bekommen erstmals Einblicke in seine traumatische Jugend, in der er nach dem Tod seines Vaters schon früh Verantwortung übernehmen musste. Traumata als Grund für die emotionale Unerreichbarkeit eines Mannes, inklusive einer Angebeteten, die ihm darüber hinweghilft: Kennen wir doch!
Nach Staffel 1 ist Staffel 2 so etwas wie die zweite Portion Zuckerwatte – man kann nicht aufhören, hat sich aber schon etwas übergessen. Zu viel Süßes, zu wenig Kerniges. Die Liebesgeschichte hat nicht den gleichen Schmelzfaktor wie die von Daphne und dem Duke of Hastings. Die charmanten Flirts der ersten Staffel gehen in Anthonys und Kates Seriosität verloren. Da hilft es auch nicht, dass sie sich Folge um Folge schweratmend ins Ohr flüstern, wie sehr sie einander begehren. Der Funke springt nicht über. Da herrschte mehr Chemie zwischen dem Duke of Hastings und seinem Silberlöffel, den er damals in Zeitlupe genüsslich abschleckte. Die Figuren der zweiten Staffel bleiben brav und blass, das Erzählmuster ist stereotyp: Alphamann trifft Alphafrau, Ego trifft Ego. Es gibt Missverständnisse, falsche Entscheidungen, auf denen trotzig beharrt wird, bis dann … Hach! Die Erzählfäden ziehen sich dabei immer wieder zäh in die Länge – ein Königreich für einen Degen! Nach vielen Stunden «Will they, won’t they» zwischen den Hauptdarstellern, nach endlosen Bällen, Blumenbuketts und Ballkleidern schlafe ich doch arg erschöpft ein.