„Frei sein, unabhängig sein, war für mich immer wichtig. Und das konnte ich auch, weil ich sehr früh angefangen habe zu arbeiten.“ Am 23. August 2022 ist Vicky Leandros endlich 70 Jahre alt geworden. Sie ist eine der bekanntesten deutschen Schlagersängerinnen. Allein von der Zahl ihrer verkauften Tonträger ausgehend, ist sie mit 55 Millionen eine der erfolgreichsten Künstlerinnen dieser Sparte.
„Geburtstage waren für mich nie besonders wichtig. Auf der anderen Seite ist der 70. doch ein Meilenstein und ein Grund nachzudenken – soweit man das nicht schon vorher getan hat“, sagte die Künstlerin, die auf Gut Basthorst bei Hamburg lebt, dem Besitz ihres geschiedenen zweiten Ehemanns Enno Freiherr von Ruffin. „Insofern wird einem immer mehr klar, dass das Leben endlich ist. Und dass man das Glück hat, überhaupt leben zu dürfen, das ist ja nicht selbstverständlich. Und dass es einem gut geht. Dafür bin ich auch dankbar.“
1952 kommt Vassiliki Papathanasiou auf der griechischen Insel Korfu zur Welt. Mit 6 Jahren kommt sie nach Deutschland und wächst nach der Trennung ihrer Eltern bei ihrem Vater Leo Leandros, einem Musikproduzenten, in Hamburg auf. Ihre Karriere, vom Vater sorgsam gesteuert, beginnt früh. Bereits mit 13 Jahren landet sie ihren ersten Hit. „Messer, Gabel, Schere, Licht“ verkauft sich 50 000 Mal. Mit 15 vertritt sie Luxemburg am Grand Prix Eurovision de la Chanson, wie früher der Eurovision Song Contest (ESC) genannt wurde, und gleich Platz vier. Im Jahr 1972 gewinnt sie, ebenfalls für Luxemburg, den ESC mit „Après toi“, das der Vater komponiert hatte. In der Folgezeit wurde sie zum Big Star Vicky, den Zusatz Leandros brauchte sie nicht mehr, . Sie sang nicht nur auf Deutsch und ihrer Heimatsprache Griechisch, sondern auch auf Französisch, Englisch, Spanisch, Niederländisch und sogar Japanisch.
Sie gab Konzerte in Südafrika, Asien, Lateinamerika und Kanada, sang in ausverkauften Hallen wie dem Pariser Olympia, der Yubin Chokin Hall in Tokio oder der Royal Albert Hall in London. Sie lebte kurz in Paris, nahm das Album „Across The Water“ in Nashville für den US-Markt auf – und kehrte den USA den Rücken, weil sie sich „gefangen“ fühlte, „zu weit entfernt von meinen Wurzeln, meinen Freunden und meiner Familie.“
Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere zieht sich Leandros allerdings ins Privatleben zurück, bekommt drei Kinder, lebt für eine Weile wieder in Griechenland. 2006 wagt Leandros sogar einen Abstecher in die Politik. Sie ist in Hamburg und Berlin als Kultursenatorin im Gespräch, lehnt jedoch beide Ämter ab. Stellvertretende Bürgermeisterin und Stadträtin für Kultur wird sie stattdessen wenig später in der griechischen Stadt Piräus. Das Amt gibt sie nach zwei Jahren aus Zeitmangel wieder auf – ihr Engagement bleibt jedoch. Die nach einer Hochzeit mit bürgerlichem Namen Vicky Freifrau von Ruffin heißende Sängerin gibt immer wieder Benefizkonzerte, erhält dafür 2015 das Bundesverdienstkreuz. Und auch der Ukraine-Krieg lässt sie nicht kalt: Zusammen mit ihrer Tochter nimmt sie geflüchtete Familien auf.
Auch mit 71 denkt Vicky Leandros nicht an den Ruhestand. Sie hat noch viele Pläne. Sie gab im Frühjahr zwei Konzerte in der Hamburger Elbphilharmonie und plant eine Tournee. „Ich gebe gern Konzerte – dabei kann ich vielseitig sein“, erklärt die Sängerin, „und mein Publikum kennt es auch so. Lieder seit den 70er-Jahren bis heute, auch von Jacques Brel und Michel Legrand – und all das in verschiedenen Sprachen.“
Im letzten Jahr brachte sie gemeinsam mit ihren Kindern ihr erstes Kochbuch heraus, ein echtes Familienprojekt. Der Titel „Ein Hoch auf das Leben“ könnte auch der Refrain eines Schlagers sein. Vor allem geht es um griechische Rezepte, aber eine veritable Hamburger Scholle mit Schinkenwürfeln kommt auch vor.
Auch andere tolle Frauen werden 70. Hier zum Beispiel ist Cyndi Lauper.