Alle wollen sich neuerdings wieder in ihr kleines Nest zurückziehen, in der Hoffnung, die kalte Jahreszeit und besonders der komplizierte Monat November mögen schnell vorübergehen. Sie zünden die Kamine an, rollen Yogamatten aus, ziehen sich die Wollsocken an, drapieren die letzten Rosen aus dem Garten in Blumenvasen, stellen Kerzen auf und nehmen ein heißes Wannenbad. Sie wollen jetzt „öfter mal Nein sagen“ und „mehr auf ihre innere Stimme hören“. Sie investieren in neue Sofakissen, pastellfarbige Bettwäsche und Wolldecken. Sie essen die ersten Bratäpfel und trinken heiße Schokolade oder Bio-Tee. Aus dem Hofladen, nicht aus dem Supermarkt. Da ist er wieder, der Gemütlichkeitswahn – und wenn dann noch der Kürbiswahn dazu kommt, ist alles zu spät. Dann packt mich die Trotzreaktion, und ich will genau das Gegenteil.
Ich will keine Wolldecken kaufen oder ein Sofa, ich kaufe mir lieber goldene Biker Stiefel und Jeans mit Schlag. Oder einen Blazer mit kantigen Schultern, vielleicht sogar Netzstrümpfe und einen engen, schwarzen Rock mit Schlitz. Ach, ein enger Rock mit Schlitz – wie sehr er mir gerade fehlt! Oder ein Leopardenmantel! Damit marschiere ich dann durch Bielefeld, als sei ich auf dem Weg in eine New Yorker Wolkenkratzerbar voller gutaussehender Leute. Da lasse ich mir Häppchen zum Aperitivo servieren. Tue ich zwar nicht, aber ich liebe dieses erhebende, belebende, euphorisierenden Gefühl, es mir vorzustellen.
Auf meine Fantasie, meine Damen und Herren, ist echt Verlass!
Liebe Ursel, ich sehe das genauso, will das auch tun, Netzstrümpfe, kurzer Rock, High Heels, bin ich froh, nicht heute jung zu sein. Auf der Roas gilt solange gesund und fit.
Mir ist der Achtsamkeitsstress zu groß, das wellnessen zu lau und matschig, die Yogamatte zu langweilig und grau, der Tee daheim zu fad, Netflix kann ich auch noch im Altersheim stundenlang schauen. Gemütlich ist das neue fad. Einkochen, aufessen was eingekocht, selbst gemacht, gebastelt,…… langweilig@home, die neue Weiblichkeit?
Kulturpure Grüße
Autor
Netflix verschieben aufs Altersheim und bis dahin aus dem Vollen schöpfen. Guter Vorsatz.