Staub hatte sich auf das Innere des legendären KaDeWe – Kaufhaus des Westens – am oberen Berliner Kudamm gelegt. Doch pünktlich zu Weihnachten verwandelt es sich in ein Dior-Wunderland – schon von außen an allen Fenstern zu erleben. Kundinnen mit dicken Portemonnaies finden hier Handtaschen, Sonnenbrillen und Kleidung aus der Dior Cruise -Kollektion 2023.
Mit diesem Event feiert das 1907 eröffnete Kaufhaus seinen 115. Geburtstag. Dank eines architektonischen Facelifts durch das niederländische Architekturbüro OMA von Rem Koolhaas zeigt es sich in neuem Glanz. Die Architekten entwickelten einen Masterplan für die Neugestaltung des Inneren und der Schaufenster. Die Umgestaltung im laufenden Betrieb dauert bislang sieben Jahre. Dabei geht es um mehr als um Innenarchitektur. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Zukunft der sterbenden Gattung Warenhaus. Wie kann ein neues architektonisches Konzept dabei helfen, das ein Kaufhaus wiederzubeleben? Wie verkauft man der Kundin Dinge, die sie eigentlich nicht braucht? Wie schafft man neue Einkaufserlebnisse, die den Konkurrenten Internet schlagen?
OMA hat im KaDeWe ein Rolltreppen-Feuerwerk gezündet: Wenn man hochschaut, schießen die eleganten, mit Walnussholz verkleideten Treppen wie Blütenblätter in alle Richtungen. Sie unterteilen das Gebäude in vier Quadranten mit jeweils eigenen Eingängen und zentralen Atrien. Aus einem großen werden so vier kleinere Kaufhäuser.
Die Frage ist: Funktioniert das? Ja und nein! Das neue KaDeWe ist in der Vorweihnachtszeit zu allen Tageszeiten proppevoll. Man sieht wenig preissensible Russinnen mit ebenso prall gebotoxten Gesichtern wie prall gefüllten Einkaufstüten. Aber auch junge Menschen, die es sich, mit welchen Mitteln auch immer, leisten können, eine Rolex ans Handgelenk zu schnüren oder im Gourmettempel in der 6. Etage am Champagnerglas zu nuckeln und Austern zu schlürfen.
Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auch auf, dass das Haus eigentlich nur noch eine Hülle ist. Alle Verkaufsflächen sind an die Marken vermietet. Präsentiert werden die gängigen Luxuslabels, so wie man sie in allen High End-Kaufhäusern auf der Welt sieht. Diese organisieren ihre Präsentationen und den Verkauf ihrer Produkte selbst. Alles buhlt um die maximale Aufmerksamkeit der Kunden – so wie im 270 Quadratmeter großen Pop-Up-Bereich von Dior in der ersten Etage. Alles im Haus ist teuer, kommerziell und beliebig. Was fehlt, sind Individualität, Originalität und Charme. Wo sind die neuen Marken, die Plattform für deutsches Design und spannende, lokale Brands aus Berlin?