Schlimm war die Sache mit George Clooney neulich im Café. Ich wollte eigentlich in Ruhe Zeitung lesen, doch am Nebentisch tagte schnatternd ein gutsituierter Kaffeeklatsch der Seide-Kaschmir – Trägerinnen. Generation Doris Day. Eine der aufpolierten Damen warf laut in die Runde: „Habt ihr George Clooney in der Nacht vor den Oscars gesehen? Seitdem er graue Schläfen hat, finde ich ihn noch attraktiver. Bei ihm sieht das ja fantastisch aus, aber bei einer Frau?“ Ich nippte an meinem Milchkaffee und versuchte, wie eine Sphinx über die zu dunkel gefärbte Betonfrisur der selbstgewissen Dame hinweg zu lächeln, freute mich aber innerlich diebisch, dass ihr Haarton ziemlich unschmeichelhaft aussah. Die Frage, warum ein Mann sein Alter zeigen darf und eine Frau nicht bzw. ob es stimmt, dass ein Mann im Alter attraktiver wird und eine Frau hässlicher, beschäftigte mich für den Rest der Woche. Mein Leben mit grauen Haaren, ich sage es Ihnen, ist nicht so einfach.
Schön war die Begegnung letzten Sonntag am Gartenzaun. Ich redete ein bisschen mit der Nachbarin, der mit dem Putzwahn, die immer so leidend guckt – ich kenne sie nur mit Gummihandschuhen und weißem Kittel. Dass ich nie begreifen werde, wie man Putzen zu seinem Lebensinhalt machen kann, das ist ein anderes Thema. Doch miteinander reden ist ja nie verkehrt. Ich erzählte ihr, als ob man es nicht längst sähe, dass ich aufgehört habe, meine Haare zu färben und sie fragte postwendend: „Was sagt denn Ihr Mann zu Ihrer Ergrauung?“ „Ergrauung“ sprach sie aus wie ein Wort, das ihr Brechreiz verursacht und überhaupt hatte die Frage so einen gewissen Unterton. „Wie können Sie ihm das Elend zumuten?“ Dafür kann sie natürlich nichts, dass sie so redet. Das hat das Putzen aus ihr gemacht. Zum Glück parierte ich ganz locker: „Nichts sagt er dazu. Er ist ein kluger Mann. Er sagt, dass ich ein Gesamtpaket bin, das viel mehr ist als mein Haar.“ Ich hätte es auch bei den zwei ersten Sätzen belassen können. Der dritte war zugegebenermaßen gelogen. So säuselt er nicht daher, der Mann. Aber ich fand, dass der Zweck in diesem Fall die Mittel heiligt. Die Nachbarin guckte schön bedröppelt und begann, sich schmallippig wieder ihrer Obsession zu widmen und an ihrem ohnehin fast chromglänzenden Zaun herum zu feudeln. Und ich klopfte mir innerlich auf die Schulter, weil ich mir ein so grandioses Kompliment erfunden hatte.
Und so begann der Selbstversuch:
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