In der Nacht, bevor sich alles zuspitzte und ich schließlich zum Friseur ging, um meine graue Haare überfärben zu lassen, dachte ich an Jean Seberg. Ich glaube, Jean Seberg wurde geboren, um diese extreme Kurzhaarfrisur in Weißblond zu tragen. Sie machte sie zu einem unverwechselbaren Typ. Ich dachte auch an die Queen. Ich kann sie mir gar nicht anders vorstellen als mit ihren silbergrauen Löckchen. Sie stehen ihr gut, weil ihr Gesicht markante Konturen und stets eine frische Farbe hat. Ja, die Queen sieht immer so aus, als sei sie im Morgengrauen auf einem ihrer Shetlandponys schon über die Felder rund um Schloss Balmoral geritten.
Die Frisur, die am besten zu mir passt, ist der haselnussbraune Bob.
Weil es die Farbe meiner Augen ist, weil es zu meiner Gesichtsform und zu meiner Haut passt. Haselnussbraun ist Teil meiner Identität oder zumindest meines Wunschdenkens über meine Identität. Die Veränderung, die vor sich ging, während meine Friseurin die grauen Haare haselnussbraun überfärbte, war unfassbar. Hätte ich es nicht selbst im Spiegel gesehen, hätte ich es nicht geglaubt. Die Uhr wurde angehalten, ja deutlich zurück gedreht. Innerhalb einer Viertelstunde wurde ich um, und das ist jetzt wirklich nicht übertrieben, zehn Jahre jünger. Die neue Haarfarbe reflektierte das Licht. Meine Augen, die unter dem Grau der Haare matt ausgesehen hatten, nahmen wieder Glanz an. Die Gesichtshaut, die aschfahl und bleich gewesen war, leuchtete. Ich fühlte mich wie neugeboren, so, als ob ich aus einer Sackgasse herausträte und das Leben jetzt wieder ein Füllhorn voller Möglichkeiten wäre. Ich sah aus dem Fenster des Salons. Draußen war Frühling, die Bäume blühten. Alles war ganz einfach wieder wunderschön.
Ich habe mein Leben mit grauen Haaren abgebrochen, weil es mir am Schluss zu deprimierend war und mir permanent schlechte Laune machte.
Die grauen Haare haben mich nicht froh gemacht. Ich fühlte mich mit ihnen alt, hässlich und merkwürdigerweise auch arm. Das lag vielleicht an der obdachlosen Frau, der ich kürzlich begegnete. Als ich sie beobachtete, während sie über die Straße schlurfte, hatte ich plötzlich das Gefühl, so enden zu können wie sie. Ich will jetzt nicht melodramatisch werden, denn bei mir besteht nicht die Gefahr, obdachlos zu werden. Ich fand nur, dass ich auf dem Kopf so ähnlich aussah wie sie mit ihrem schütteren, mausgrauen Haar.
Mein Fazit
Vor jeder Frau, die sich die Farbe aus den Haaren heraus wachsen lässt, habe ich großen Respekt. Mir ist es nicht gelungen, denn mir haben die grauen Haare nicht gefallen. Sie waren mir zu mausig, zu undefiniert. Ich trug ständig Mützen, um die gräulichen Haare zu verbergen. Um gegen zu steuern, hätte ich Farbe ins Gesicht bekommen und dazu einigen Aufwand betreiben müssen. Wimpern färben, Augenbrauen färben, vielleicht sogar Make up tragen. Das möchte ich aber nicht.
Vielleicht werde ich in einigen Jahren noch einmal den Versuch unternehmen, der Farbe adé zu sagen.
Aber lassen wir jetzt besser mal die Haare. Über Haare werde ich erst mal kein Wort mehr verlieren.
Falls Sie mehr über meinen Selbstversuch lesen möchten, hier die Links:
Mein Leben mit grauen Haaren: Um ein Haar
Mein Leben mit grauen Haaren: Die Krise und wie man sie überwindet
Mein Leben mit grauen Haaren: Der alte Zeitschriften-Stapel-Test
Mein Leben mit grauen Haaren: George Clooney und meine Nachbarin
Mein Leben mit grauen Haaren: Ein Selbstversuch (2)
Mein Leben mit grauen Haaren: Ein Selbstversuch (1)
Ich habe mir die Haare einfach rappelkurz abschneiden lassen, dass hat das rauswachsen erträglicher gemacht. Inzwischen ist alles raus, die Haare sind immer noch sehr kurz und ich sehr glücklich. Im Sonnenlicht leuchtet mein Haarschopf und ich muss mir nie wieder Sorgen um den „Ansatz“ machen. Juchhu!
Autor
Ganz ehrlich: Gratulation! Wahrscheinlich geht es nur so. Sollte ich noch mal einen Versuch starten, werde ich es auch so machen.