Sie hat sich nach ihrer Mastektomie neu erfunden. Ein Gespräch mit Stefani Nennecke, die eine wichtige Marktlücke füllt. Die Hamburgerin hat IPANII gegründet, ein Label für stylische Bademoden für betroffene Frauen.
Wen sehen Sie heute, wenn Sie in den Spiegel blicken? Eine gesunde, positive und meist recht starke Frau. Aber einmal im Jahr bin ich seelisch ein bisschen angekratzt und frage mich, ob wohl alles in Ordnung ist. Wenn ich die Kontrolluntersuchungen habe, habe ich 3-4 Tage vorher immer die Hosen voll.
Wie war Ihr Krankheitsverlauf? Ich hatte mehrere Male Vorstufen von Brustkrebs. Drei Mal in der linken Brust, dann hatte ich es zum ersten Mal in der rechten Brust, damals war es im Uhrzeigersinn überall verteilt. In der linken Brust wurde es entfernt und bestrahlt. Zwei Jahre später war es wieder in der linken Brust. Mir hat damals die Bestrahlung solche Probleme bereitet, dass ich eigentlich entschieden hatte: Sollte das nochmal passieren, lasse ich mich nicht wieder bestrahlen. Als vor 7 Jahren die Vorstufe in der rechten Brust entdeckt wurde, fragte meine Frauenärztin: Haben Sie darüber nachgedacht, sich die Brust abnehmen zu lassen? Hatte ich natürlich nicht. Es war für mich ein Supergau. Unser Sohn war damals erst 12. Ich war halt nicht alleine auf dieser Welt. Sonst hätte ich mich auf alternative Heilmethoden verlagert. Ich habe mir die Brust abnehmen lassen, das Risiko war einfach zu groß.
Wie hat sich Ihre Brustamputation auf Ihre Selbstwahrnehmung als Frau ausgewirkt? Ich war immer ein sehr eitler Mensch und meine Brüste waren das, was ich an meinem Körper am meisten liebte. Nach der Amputation ließ ich alles an Gefühlen zu, ganz egal, was kam. Zu Anfang habe ich gedacht, ich würde sofort einen Wiederaufbau der Brust machen lassen. Die Diagnose hatte ich zwei Wochen, nachdem ich eine Fotoagentur eröffnet hatte, bekommen. Meine Arbeit war für mich ein Heilmittel. Weil ich nicht immer nur dasaß und über meine Erkrankung nachdachte. Ich hatte das wahnsinnige Glück mit einem Mann zusammen gewesen zu sein, dem das völlig gleich war. Er sagte damals sogar, ich solle mir beide Brüste abnehmen lassen, damit wir auf der sicheren Seite sind.
Hat sich Ihre Einstellung zur Amputation geändert? Am Anfang war ich schon etwas gehemmt. Es war mir damals wichtig, dass es nicht sofort für jeden offensichtlich ist. Mittlerweile ist mir das schnurzegal. Ein halbes Jahr nach der OP hatte ich das Thema Wiederaufbau abgehakt. Meine Haltung hat sich komplett verändert. Am Ende des Tages ist die Brust nur ein Stück Fleisch. Jede Frau muss damit umgehen, wie sie damit umgeht. Mittlerweile merke ich gar nicht mehr, dass ich nur noch eine Brust habe.
Wie reagieren Leute auf Sie, wenn sie sehen, dass Sie eine Brust verloren haben? Eigentlich achte ich gar nicht mehr darauf. Es ist ganz raus aus meinem Kopf. Vor ein paar Tagen, als es frühmorgens schellte und ich ein enges T Shirt trug, habe ich gemerkt, dass die Frau an der Tür mich ganz irritiert anguckte und ganz schnell wieder wegsah. Ich dachte nur: Ja, gut. Ist nun mal so.
Wie kamen Sie auf die Idee, Bademode für brustamputierte Frauen auf den Markt zu bringen? Ich war immer ein sehr körperbetonter Mensch, bin wahnsinnig gerne am Strand, in der Sonne und im Wasser unterwegs. Als ich das erste Mal im Sommer nach der Amputation mit meinem Mann und meinem Sohn auf Fuerteventura war, habe ich am Strand gesessen in der Ausrüstung aus dem Sanitätshaus. Ich fühlte mich darin wie eine Hundertjährige. Ich wollte aber etwas tragen, in dem ich mich attraktiv finde und das ein bisschen sexy ist. Eine solche Bademode gab es nicht auf dem Markt. Da habe ich sie entwickelt.
Welche Botschaft vermittelt Ihre Kollektion? Sie macht Frauen Mut. Life is short and then you die. Man muss die Gelegenheiten beim Schopf packen. Ich möchte allen Frauen die Möglichkeit geben, sich am Strand wieder ansehnlich, sexy und wohl zu fühlen. Egal ob man jetzt eine Brust hat, keine oder noch beide Brüste. Es gibt viele Frauen, die sich nach ihrer Brust-OP nicht mehr an den Strand trauen. Die Frauen, die heute Brustkrebs bekommen, werden immer jünger. Sie sind zum Teil supermodebewusst und sie haben ein Recht auf schöne Bademode. Jede betroffene Frau hat ein Recht auf schöne Bademode.
Was ist das Besondere an Ihrer Kollektion? Mir war ganz wichtig, dass ich ein nachhaltiges Material verwende und in Deutschland produzieren lasse. Nach einiger Recherche habe ich dieses Material gefunden, von der italienischen Firma Carvico. Es wird aus Fischernetzen gewoben, was ich super finde, denn Wasser ist mein Element. Das Material ist ganz fantastisch, elastisch und kühlend. Bei mir hat es dazu geführt, dass ich gar keinen BH aus dem Sanitätshaus mehr trage. Wenn ich einen Geschäftstermin habe und nicht möchte, dass man meine Amputation sofort sieht, trage ich eines von meinen Bikini-Oberteilen. Meine Badeanzüge und Bikinis können von brustamputierten Frauen und Frauen, die ihre Brüste noch haben, getragen werden. Darauf haben mich meine Freundinnen gebracht. Sie sagten: Wir sind alle über 50, wir wollen nicht mehr die tiefen Ausschnitte haben, wie mögen das Material. Es wäre doch bescheuert, wenn Du das nur auf den Markt bringen würdest für Frauen nach einer Mastektomie.
Stefani Nenneckes Favoriten
Wichtigstes Kleidungsstück? Meine Jeans.
Kleidung, die erdet? Ich bin unheimlich gerne am Strand in Thailand. Das Land erdet mich. Dort bin ich die ganze Zeit nur im Bikini unterwegs. Er ist das Kleidungsstück, das mich erdet.
Moderegeln? Überhaupt keine. Jeder soll tragen, worin er sich wohl fühlt.
Sehnsuchtsort? Thailand
Lieblingsgericht? Gegrillter Fisch
Frauenikone? Eigentlich habe ich gar keine.
Zur Homepage von IPANII geht’s hier entlang.