Geduld haben. Zuversichtlich bleiben. Erkennen, wie reich das Leben auch in der Krise sein kann. Andere haben das auch geschafft! Zur Ermutigung eine Erinnerung an die mexikanische Malerin Frida Kahlo.
Die junge Frida war sich sicher: Ihr Leben würde ein Fest sein! Sie würde Medizin studieren, reisen, den tollsten Mann überhaupt heiraten und viele Kinder haben. Mit 18 Jahren wurde sie Opfer eines Busunglücks, bei dem sich eine Stahlstange durch ihr Becken bohrte. Ihre Wirbelsäule und ihr rechtes Bein waren mehrfach gebrochen, ein Fuß zerquetscht, das Schambein zertrümmert. Zwei Jahre musste Frida im Gipsbett verbringen. In dieser Zeit begann sie zu malen. Nach ihrer Entlassung aus dem Hospital war sie mit einer neuen Realität konfrontiert: einem zerbrochenen, verstümmelten Körper. Für ihre Zukunft bedeutete das: Operationen, Tragen von Korsetts aus Gips, Leder und sogar Stahl, monatelange Bettlägrigkeit, Schmerzen, Tablettensucht, Fehlgeburten, Rollstuhl. Doch das Leben ging weiter, wie das eben so ist, wenn man in eine Krise gerät. So wie wir es gerade alle erfahren. Nur traf es Frida ungleich schlimmer.
Einen Rückzugsort schaffen
Das neue, ihr auferzwungene Leben meisterte Frida auf die schillerndste und schönste Weise. Ihr Elternhaus, das „Blaue Haus“ in Coyoacàn, einem Vorort von Mexico City, war das Zentrum ihres Lebens. Wer noch Zweifel hat, ob die exzessive Verschönerung des Eigenheims derzeit ratsam ist, der orientiere sich an Frida Kahlo. Sie ließ das im Stil eines französischen Landhauses gebaute Gebäude indigoblau streichen und verwandelte den Garten in ein tropisches Labyrinth mit meterhohen Bäumen. Es gab Wasserläufe, einen Springbrunnen, einen Fischteich und Beete mit Dahlien, Amaryllis und Bougainvillea. Auf den Stufen einer nachgebauten aztekischen Pyramide war eine Sammlung präkolumbianischer Skulpturen ausgestellt; auf den Mauern standen Sukkulenten in schönen Terracotta-Gefäßen. Überall im Haus bereitete sie Stillleben aus. Aufgeschnittene Wassermelonen, Ananas, Papaya, Kokosnuss, Avocados und Orangen, dazu ein Strauß weißer Magnolien, eine Kammmuschel, Steine. Um sie herum waren ihre Haustiere. Das Eichhörnchen im Käfig, das Reh, Tauben, zahme Papageien, der Klammeraffe, das nacktes Hündchen, Katzen und Frösche.
Durch Kleidung inneren Halt gewinnen
Von wegen Jogginghosen, Wollsocken und Birkenstocks im Home Office! Frida Kahlo gehörte zu den Frauen, die sich über alle Vorstellungen hinwegsetzen, wie man sich zu kleiden hat. Mit ihren bunten indianischen Gewändern und überbordenden Accessoires brachte sie einen ganz eigenen Gegenentwurf in die Welt, einen ganz eigenen Ton, der in ihrem Fall jubilierend vor Lebensfreude war. Mit Damenbart und zusammengewachsenen Augenbrauen wandte sie sich gegen westliche Schönheitsideale. Manchmal trug sie mit Diamanten besetzte Zahnkronen, die glitzerten, sobald sie lächelte oder sprach. Es war ihre Art, sie hat es selbst gesagt, den auf sie wartenden Tod zu verspotten.
Jeden Morgen flocht sie sich bunte Satinbänder und Wollkordeln ins Haar, steckte es zu einem Mond oder einer Krone auf, schmückte es mit Seidenschleifen, Spangen, Kämmchen und frischen Blüten. Sie mochte Schmuck. Heute zwanzig Ringe, morgen weitere zwanzig. Billige Glasperlen, Muscheln, schwere Jadehalsbänder, Korallenketten und immer wieder Ohrringe. Goldene Tropfen mit Aquamarinen, kleine Hände, die Picasso ihr geschenkt hatte, Schmetterlinge mit frei herunterhängenden Stäbchen, die sich bei jeder Bewegung wellenförmig drehten oder die riesigen Blumenbuketts, die sie wegen ihres Gewichts nur zu Portraitaufnahmen trug.
20 Jahre nach ihrem Unfall musste ihr rechtes Bein bis zum Knie amputiert werden. Nach ihrer anfänglichen Weigerung, eine Prothese zu tragen, ließ sie sich ein Jahr vor ihrem Tod ein prothetisches Bein anfertigen. Es trägt einen Schnürstiefel aus feinstem, roten Rindsleder, ist mit chinesischen Motiven bestickt und einem grünen Spitzenband mit weißen Federn verziert. Zwei Glöckchen klingelten leise bei jedem ihrer Schritte.
Paar-Probleme lösen
Fridas große Liebe war Diego Rivera, der bekannteste Maler Mexikos. Mit ihm verband sie eine der stürmischsten Liebesgeschichten des 20. Jahrhunderts. Gut, er war 20 Jahre älter als sie, aber der Star der mexikanischen Bohème. Die gepeinigte Künstlerseele des charmanten Frauenhelden bedurfte allerlei weiblichen Zuspruchs. Obwohl er Frida vergötterte und ihre Kunst auch in der Öffentlichkeit der seinen weit überlegen rühmte, kam es vor, dass er tagelang mit einer jungen Assistentin oder wohlhabenden Sammlerin verschwand. Frida reagierte darauf mit eigenen Ausbrüchen aus ihrer Ehe. Bekannt wurden ihre Affären mit Leo Trotzki, dem amerikanischen Fotografen Nickolas Muray, dem jungen Heinz Berggruen und der italienischen Fotografin Tina Modotti.
Das Leben feiern
Frida wusste, wie man feiert – ausgelassen und kreativ. Zu ihren Gästen gehörte Mexikos Künstlerelite und Mitglieder der kommunistischen Partei, in die Frida und Rivera eingetreten waren. Auch internationale Gäste wie die Rockefellers, Gary Cooper, Orson Welles und Frank Lloyd Wright kehrten in der Casa Azul ein. Die Gastgeberin trank viel, am liebsten Brandy und Tequila, gut gereift; sie rauchte Kette und erzählte gerne zotige Witze. Sie sang und sie tanzte, obwohl sie eigentlich gar nicht tanzen konnte. Zu großen Festen ließ sie ihren Innenhof in einen mexikanischen Pueblo verwandeln. Mariachi, die traditionellen Dorfmusiker, spielten bis zum Morgengrauen unter Lampions und bunten Vögeln aus Pappmaché. Auf den grün, gelb, blau und pink eingedeckten Tischen stand mit Tieren bemaltes mexikanisches Geschirr, wie man es auf den ländlichen Märkten kaufen konnte. Und erst das Essen! Tortilla mit ein paar Blättern Sauerampfer und Amaranth, einigen Stängeln Koriander, etwas Salbei und Oregano, dazu Wildspargel; weißer und roter Reis, der zum Huhn gereicht wurde; pikant gewürzte Garnelenküchlein; und zum Nachtisch in Honigwasser eingekochter Rhabarber.
Einer erfüllenden Arbeit nachgehen, unabhängig davon, ob sie Erfolg verspricht oder nicht
Sie war aber auch eine verletzliche, einsame Frau, geschaffen für enge Freundschaften, überemotionale Briefe und Tagebücher und vor allem für die Kunst. Ein Großteil ihres Werkes sind Selbstporträts. Darin thematisierte sie ihre körperlichen Verletzungen und ihre Eheprobleme auf eine Weise, die verstörend wirken kann. Sie malte sich mit aufgebrochenem Körper, die Wirbelsäule als bröckelnde griechische Säule, nur von einem Gipskorsett zusammengehalten. Oder inmitten blutiger Laken nach einer Fehlgeburt, denn nach ihrem Unfall konnte sie keine Kinder bekommen. Über ihrem Himmelbett war ein Spiegel angebracht. Um nach Operationen im Liegen arbeiten zu können, ließ sie sich eine hängende Staffelei anfertigen. Zu ihren Lebzeiten blieb ihr Werk weitgehend unbeachtet. Frida galt als die exotische, schöne Blume im Knopfloch des großen Diego Rivera.
Frida Kahlo wurde 47 Jahre alt.