Jackie Kennedy, die schillernde First Lady, meisterte ihr Leben wie keine andere. Wie hat sie das geschafft?
Am 19. Mai 1994 starb Jackie Kennedy mit 65 Jahren in New York. Weder die Affären ihres Ehemannes und dessen früher Tod noch der Verlust von zwei Kindern und die unglückliche Ehe mit dem griechischen Reeder Aristoteles Onassis raubten ihr die Kraft, sie selbst zu sein. Viele Menschen wären an einer solchen Häufung von Schicksalsschlägen zerbrochen, nicht aber Jacqueline Bouvier Kennedy, die 1961 nach dem Amtsantritt ihres Mannes als Präsident der USA weltberühmt wurde.
Unvorstellbar muss die emotionale Achterbahnfahrt der First Lady gewesen sein, als sie am 22. November 1963 im offenen Lincoln Continental durch Dallas fuhr, und plötzlich Schüsse auf das Auto abgefeuert wurden. John F. Kennedy wurde von einer Kugel am Kopf getroffen, seine Frau saß direkt neben ihm und hielt ihren sterbenden Mann in den Armen. Er starb an den Folgen der Schussverletzungen und Jackie Kennedy wurde im Alter von 34 Jahren Witwe. Damit nicht genug. Sie hatte auch den Tod von zwei der vier gemeinsamen Kinder zu verkraften. 1956 kam das erste Kind, Arabella, als Totgeburt zur Welt. Im August starb ihr Sohn Patrick nach einer Frühgeburt, der Säugling lebte nur zwei Tage. Ihr zweiter Sohn, John F. Kennedy Junior wurde 1960 geboren. Seinen tragischen Tod bei einem Flugzeugabsturz 1999 erlebte Jackie Kennedy nicht mehr.
Ein neues Frauenbild schaffen
Das Staatsbegräbnis für den ermordeten Präsidenten fand am 25. November 1963 in Washington statt. Das Bild der jungen, schwarz verschleierten Witwe, der dreijährige John an ihrer rechten, die sechsjährige Caroline an der linken Hand, zur dumpfen Trommel hinter dem Sarg gehend, prägte sich ins Bewusstsein der Millionen Menschen ein, die in aller Welt das Ereignis im Fernsehen verfolgten. Mit ihrem untrüglichen Gespür für Bilder und Rituale hatte Jackie Kennedy, die Kunsthistorikerin und ausgebildete Journalistin, alle Einzelheiten der Trauerfeier selbst geplant.
Jackie Kennedy lebte in den fünfziger und sechziger Jahren ein Frauenbild vor, mit dem sie großen Einfluss auf die Popularität ihres Mannes, des 35. US-Präsidenten der USA ausübte. Sie repräsentierte einen neuen Typus Politikerfrau. Zwar wirkte sie eher diskret an seiner Seite, stand jedoch nie im Schatten des großen JFK. Ihr souveränes Auftreten und ihr Gespür für Mode verliehen ihr eine eigene Aura. Gemeinsam mit dem amerikanischen Designer Oleg Cassini erfand Jackie einen neuen Look. Schlichte Mantelkleider und Kostüme in A-Linie, ellenbogenlange Handschuhe, Kitten Heels, dreireihige Perlenketten, Pillbox-Hüte und große Sonnenbrillen in monochromem Schwarz prägten den Stil der First Lady. Jedes Stück musste ein Unikat sein. Nicht, dass plötzlich „irgendeine kleine Dicke“ mit den gleichen Sachen herumliefe. Jede neue Robe wurde von der Yellow Press gefeiert. Ob der pinkfarbene Georgette-Traum, in dem sie den sowjetischen Präsidenten Chruschtschow in Wien bezirzte, oder das blütenbestickte Seidengewand, das sie beim Bankett im Spiegelsaal von Versailles trug. Damit wurde sie zur Ikone einer jungen Mode, die bis heute von Millionen Frauen in aller Welt kopiert wird. Ihr Mann wusste, wie wichtig Jackies Ausstrahlung für ihn war. Als sie zum Staatsbesuch in Frankreich eintrafen, sagte er auf einer Pressekonferenz: „Ich darf mich als der Mann vorstellen, der Jacqueline Kennedy nach Paris begleitet.“
Das Home Office renovieren
Als Jackie zum ersten Mal die Räume des Weißen Hauses besichtigte, war sie entsetzt. Schrott. Alles Schrott. Ungelüftete Räume, defekte Fenster und Toiletten, Möbel wie in einem Mittelklassehotel, falsches Silber und keine Bücherregale weit und breit. „Hat Eisenhower nicht gelesen?“, fragte sie.
Es war ihr Ziel, das heruntergekommene Haus ohne die Verwendung von Steuergeldern zu einem kulturell bedeutenden Ort zu machen, zu einem amerikanischen Versailles. Dazu umwarb sie reiche Bürger und Mäzene und erstand historisch bedeutende Antiquitäten von Museen und Sammlern. Das Resultat war sehr französisch, sehr elegant und luxuriös. Säle bespannt mit Seidentapeten in Rot, Grün, Blau und Gelb, ausgestattet mit chinesischen und orientalischen Teppichen, belebt mit Büchern, behängt mit alten Spiegeln, mit Landschaften von Cézanne, beschienen von mildem Kerzenlicht aus Kandelabern. Nach Abschluss der Renovierung 1962 sorgte sie für eine Sensation, als sie für eine TV-Dokumentation erstmals dem breiten Publikum die Türen des Weißen Hauses öffnete. Als Journalistin kannte sie die Bedeutung der Medien und das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Identifikationsfiguren, die der Politik ein persönliches Gesicht gaben. Für den Film wurde sie mit einem Spezial-Emmy ausgezeichnet.
h4>Feste feiern
Jackie Kennedy stilisierte das Weiße Haus ihres Mannes zum mythischen Märchenschloss „Camelot“, dem glanzvollen Hof von König Artus in Wales. Diesen Namen hatte sie selbst dem jugendlichen Regierungsteam um ihren Mann gegeben. „Es wird wieder große Präsidenten geben“, sagte sie dem Magazin „Life“ nach der Ermordung von JFK. „Aber es wird nie wieder ein neues Camelot geben.“
Mit Hingabe feilte Jackie an den Gästelisten von privaten Dinnerparties und Banketten, um die prickelndsten, glanzvollsten Mischungen zu finden. Sie brachte Politiker, Showbiz, Wirtschaft und Intellektuelle zusammen. Mit René Verdon engagierte sie einen französischen Chefkoch. Sie ersetzte die hufeisenförmige Tafel im Speisesaal durch kleine, runde Tische für jeweils 10 Personen, sodass die Gäste sich gut miteinander unterhalten konnten. Zwischen den Gängen durfte geraucht werden und nach dem Essen hieß es: Bühne frei für Stars und Künstler. Jackie engagierte Leonard Bernstein, Igor Strawinsky und das berühmte Tanzduett Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew für Auftritte. Auf ihren persönlichen Wunsch gab der fast 85jährige Cellist Pablo Casals, der geschworen hatte, nie wieder in dem Land aufzutreten, das die spanische Diktatur anerkannt hatte, ein Konzert.
Paar-Probleme aussitzen
Beste Manieren, Selbstdisziplin, vollendete Höflichkeit, dazu Bildung, Vielsprachigkeit, Charme und guter Geschmack – Jacqueline Bouvier war eine erstklassige Partie. Die Bouviers stammten aus einer Familie französischer Adliger. Sie hatte ihre Kindheit in einem Anwesen auf Long Island und einem Apartment an der Fifth Avenue in Manhattan verbracht. Die hochgewachsene Brünette sprach ihren Vornamen französisch aus, indem sie ihn auf der zweiten Silbe betonte. Sie hatte Kunstgeschichte und französische Literatur an der Sorbonne in Paris studiert. Ihren Abschluss erwarb sie an der George Washington University. Sie wurde Journalistin bei der „Washington Times-Herald“. Im Mai 1952 hatte sie die Aufgabe, den 35-jährigen Kongressabgeordneten der Demokratischen Partei, John F. Kennedy, zu interviewen. Der ambitionierte Politiker erkannte, wie nützlich es für ihn sein konnte, sie an seiner Seite zu haben. 1953 wurde er Senator von Massachusetts, im gleichen Jahr wurde die Ehe geschlossen. Nach der Heirat musste Jackie ihre berufliche Laufbahn aufgeben. 1960 bewarb JFK sich um die Präsidentschaft, mit Jackie als Wahlkampfhelferin an seiner Seite: attraktiv, schwanger und mit ihrer sanften, verführerischen Stimme zog sie die Menschen in ihren Bann. Mit 31 Jahren zog sie als First Lady ins Weiße Haus ein. Sie prägte das Bild einer weltoffenen, jungen und harmonischen Familie, die frischen Wind nach Washington brachte. Doch in Wirklichkeit war Jackie oft unglücklich, stand jedoch verschwiegen und loyal an der Seite ihres Mannes. Sie wusste von seinen außerehelichen Affären, die er mit Hilfe des CIA vor der Öffentlichkeit verheimlichen konnte, von den zahllosen Schauspielerinnen und Sekretärinnen, mit denen er sich vergnügte, ebenso wie von den Prostituierten, die er ins Weiße Haus bringen ließ.
1969 heiratete Jackie überraschend den griechischen Reeder Aristoteles Onassis. Zuvor hatte sie einem Vertrauten geschrieben: „Sollte ich jemals etwas Heilung und Trost finden, dann kann dies nur mit jemandem sein, der nicht Teil meiner alten Welt und meines Schmerzes ist.“ Die amerikanische Öffentlichkeit, die lieber am Bild der ewig trauernden Witwe festgehalten hätte, empörte sich über ihre neue Ehe. Die Medien bezeichneten sie fortan abfällig als „Jackie O.“ Eine Hochzeit aus Kalkül, wie es hieß. Die Gazetten schrieben, der selfmade-Milliardär mit zweifelhaftem Geschmack – die Barhocker seiner Yacht Christina waren mit der Vorhaut von Walen bezogen – bekäme das begehrteste Trophy Wife der Welt, sie erhielte finanzielle Sicherheit für ihre Kinder und sich. Die Anwälte des Paares erarbeiteten einen Ehevertrag, der Jackie jeden Monat einen großzügigen Betrag und für jeweils 5 Jahre Ehe 20 Millionen Dollar sowie im Fall seines Todes weitere 20 Millionen Dollar zusicherte.
Auch ihre zweite Ehe war turbulent. Der Grieche war 62 Jahre alt, als er Jackie heiratete – mit 39 Jahren war die Braut um einiges jünger, was bei den Kindern von Onassis für Missgunst sorgte. Nach sieben mehr oder weniger gemeinsam verbrachten Jahren starb Onassis. In dieser Zeit waren Fotos von Jackies Jetset-Leben um die Welt gegangen, das sie in weißen Capri-Hosen, Zehensandalen, Polohemden und großen Sonnenbrillen auf Capri und an Bord der Onassis-Yacht zeigten. Nach dessen Tod entbrannte ein bitterer Streit um die Erbschaft. Schließlich stimmte die Tochter des Reeders einem Vergleich zu, der der Witwe eine Abfindung von 27 Millionen Dollar einbrachte.
Zur Ruhe kommen
Jackie Kennedy zog nach dem Tod ihres zweiten Mannes nach New York. Nach der Ermordung von JFK hatte sie sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen und auf der Upper East Side ein Penthouse gekauft. Sie hatte gehofft, sich dort den Blicken der Öffentlichkeit leichter entziehen zu können als in Washington. Ihr Refugium mit 4 Schlafräumen, zwei Terrassen und direktem Blick auf den Central Park befindet sich an einer der prestigeträchtigsten Adressen Manhattans: 1040 Fifth Avenue, gegenüber vom Metropolitan Museum.
Nachdem sie in ihren frühen Jahren den Beruf aufgegeben und ihr Leben nach ihren Männern und Kindern ausgerichtet hatte, erfand sie sich nach dem Tod von Onassis als „working woman“ neu. Sie arbeitete als Verlagslektorin mit einem kleinen Büro und einem Gehalt von 200 Dollar pro Woche. Bei Viking Press, dann bei Doubleday gab sie in zwei Jahrzehnten über 100 Bücher heraus. Sie überzeugte ihre Nachbarin Carly Simon, ein Kinderbuch zu schreiben, und Michael Jackson, ihr seine Autobiographie „Moonwalk“ anzuvertrauen. Von kostbaren coffee table books schwenkte sie zu den Romanen von Nagib Mahfuz, um, den sie ebenso anwarb wie den Mythenforscher Joseph Campbell und dessen Fernsehinterviewer Bill Moyers. Ergebnis war das berühmte Werk „The Power of Myth“. In New York setzte sie sich für die Erhaltung der historischen Grand Central Station ein und unterstützte in den 80er Jahren Proteste gegen einen geplanten Wolkenkratzer.
Sie erwarb einen 340 Hektar großen Landsitz auf Martha´s Vineyard, die „Red Gate Farm“. Hinter deren hohen Buchsbaumhecken war sie geschützt vor den Linsen der Paparazzi, spielte Tennis, ging segeln und reiten. Sie ließ einen Gemüsegarten anlegen und ein Baumhaus für ihre Enkelkinder bauen. Der aus Antwerpen stammende Diamantenhändler Maurice Tempelsman war ihr letzter Lebensgefährte. Das Paar lebte von 1980 an zusammen und führte ein zurückgezogenes Leben in Jackies Apartment. Tempelsman verwaltete sehr erfolgreich ihr Vermögen; es gelang ihm, die Onassis Millionen zu vervielfachen. 1994 wurde bekannt, dass Jackie an Lymphdrüsenkrebs erkrankt war. Am 18. Mai 1994 verließ sie nach mehreren Chemotherapien das Krankenhaus und verstarb am nächsten Tag in ihrer Wohnung. Auf ihrer Beerdigung verlas Tempelsman Jackies Lieblingsgedicht, „Ithaca“ von Constantine P. Cavafy. Er endete mit den Worten: „And now the journey is over, too short, alas, too short. It was filled with adventure and wisdom, laughter and love, gallantry and grace. So farewell, farewell.“