Genervt vom Brexit? Dann fragt mal erst uns 5 Millionen EU Bürger in Grossbritannien und Briten in EU Staaten!
Vielleicht findet ihr es langsam nervig, dass ich hier wieder einmal etwas über den Brexit schreibe, aber die Sache ist klar: wir EU Bürger in Grossbritannien, und auch Briten die in anderen EU Staaten leben, brauchen Eure Hilfe. Unsere Situation ist mittlerweile so verfahren, dass nur noch ein grosser Aufschrei helfen kann! Und der muss auch aus den EU Staaten – von Euch – kommen. Denn das Problem ist: niemand dort hat bisher so recht verstanden, wie schlimm unsere Lage wirklich ist.
In der Presse steht relativ wenig. Wenn überhaupt, dann wird über den Brexit meistens in Bezug auf die Wirtschaft und Handel geredet. Auch wichtig, aber zunächst müssen doch wohl einmal die Menschen kommen, deren Leben nun bereits seit fast zwei Jahren direkt betroffen sind. Denn wir reden hier über die Zukunft von mindestens rund 5 Million Menschen, vermutlich eher mehr – aufgrund fehlender Meldepflicht in vielen Ländern kann man das nicht so genau sagen.
Schuld daran trägt an erster Stelle die Britische Regierung, denn sie hat uns EU Bürger hier sozusagen als Spielgeld mit in die Verhandlungen gezogen. Sie tat das unter dem Vorwand, dass nur so Briten in EU Staaten geschützt werden könnten. Totaler Quatsch. In Wirklichkeit hat die Britische Regierung überhaupt kein Interesse an den Briten, die in Deutschland, Frankreich, Spanien oder anderswo in der EU leben. Der zuständge Minister, David Davis, hat sich bisher noch nicht einmal mit ihren Interessengruppen getroffen. Es ist einfach nur abscheulich. Leider muss man sagen, dass die EU Position mittlerweile auch problematisch ist, weil der Entwurf des Vertrages, der den Britischen EU Austritt regeln soll, unsere Rechte nicht in ausreichendem Umfang schützt. Die EU kann das noch ändern. Sie muss es ändern.
Aber erstmal heisst es, dass wir – EU Bürger in Grossbritannien und Briten in EU Staaten – zusammen in einem Boot sitzen. Noch immer im Limbo. Die Zukunft in der Warteschleife.
Settled Status: einfach nur katastrophal
Ich, und die 3,7 Millionen EU Bürger in Grossbritannien, werden bald gezwungen sein, den sogenannten „settled status“ zu beantragen. Dabei handelt es sich nicht, wie leider ständig falsch berichtet wird, um eine Registrierung von uns, die unsere Rechte sichert, sondern um einen Antrag, der auch abgelehnt werden kann. Zudem werden wir, als Teil des Prozesses, am Ende Rechte verlieren, zum Beispiel das Wahlrecht bei Lokalwahlen. Wir müssen einen Polizeicheck durchlaufen, und dürfen für den ganzen Spass auch noch bezahlen. Der Antrag soll über eine App gestellt werden. Eine App, die auf dem iPhone nicht funktioniert. Stümperhafter geht es wirklich nicht!
Vielleicht denkt Ihr, dass das doch alles nicht so schlimm ist. Ist es aber! Denn wir sind schliesslich alle im Moment legal in Grossbritannien. Settled status nimmt uns existierende Rechte weg, und zwingt nachträgliche Kontrollen auf, die die negativsten Folgen haben können, auch wenn man absolut nichts falsch gemacht hat. Wie lange wir hier gelebt haben spielt dabei keine Rolle – der Antrag wird von mir genauso gestellt werden müssen, wie von einem EU Bürger der bereits seit Jahrzehnten hier lebt.
Die grösste Gefahr, die sich in dem Antragsprozess verbirgt ist natürlich die der Ablehnung. Denn wenn das passiert ist alles möglich – auch die Ausweisung. Seit letzter Woche ist die Problematik noch dadurch verstärkt, dass die Britische Regierung in das neue Datenschutzgesetz eine Klausel eingebaut hat, die den Datenschutz für Einwanderer die sich in einem Einwanderungsverfahren befinden, aushebelt. Wir EU Bürger könnten auch darunter fallen. Dies ist so schlimm, weil es bedeutet, dass man nicht erfahren würde, warum zum Beispiel ein Antrag für settled status abgelehnt wurde.
Wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, dann schaut Euch die Seit der the3million an – unsere Interessen- und Kampagnengruppe; für Briten in EU Staaten gibt es British in Europe.
Ihr seht also: katastrophal ist schon wirklich das richtige Wort. Und genau deshalb schreibe ich hier weiterhin über den Brexit. Denn wie gesagt: wir brauchen Euch!
Berlin, Brandenburger Tor: Nein zum Brexit – denn Brexit ist ein riesiges Problem, gerade auch für Frauen!
Und so war die Gelegenheit, letzte Woche am Europatag in Berlin vor dem Brandenburger Tor zu sprechen natürlich auch eine, die ich mir nicht entgehen lassen konnte. Niemals hätte ich gedacht, mal vor dem Brandenburger Tor eine Rede zu halten. Aber wie man so schön sagt: sag niemals nie! Und seit dem EU Referendum in Grossbritannien und Brexit ist sowieso alles, was ich mal für normal und planbar gehalten habe, vollkommen ausgehebelt.
Das Event lief unter dem Motto „Women for Europe – Europe for Women“. Dies ist im Bezug auf unsere Situation beim Brexit auch ganz entscheidend, denn Frauen werden von ihm viel schlimmer betroffen sein, als Männer. Sie arbeiten eher in den Branchen, die schon jetzt unter dem Brexit leiden. EU Bürgerinnen, die settled status beantragen, werden schneller Probleme bekommen, als Männer, weil ihnen öfter die richtigen Unterlagen fehlen – sie zum Beispiel durch Arbeit zu Hause oder Pflegeaufgaben nicht „richtig“ (also nicht dokumentiert) gearbeitet haben. Oder weil nicht alle Unterlagen auf ihrem Namen, sondern den des Mannes laufen. 150 Fragen zum settled status, die sich mit genau solchen Problemen befassen haben the3million an das Britische Home Office, das verantwortliche Ministerium, gestellt.
Brexit ist aber auch deswegen ein riesiges Problem für Frauen, weil es so wenige Frauenstimmen gibt. Das war schon während des EU Referendums so. In den Verhandlungen kommen Frauenthemen gar nicht erst vor. Und diejenigen Frauen, die sich gegen den Brexit stellen, werden tagtäglich auf schlimmste Weise dafür beschimpft – viel mehr und anders, als Männer.
Darum war es ganz wunderbar, in Berlin zu sehen, dass die Zukunft anders aussieht. Raise warriors, not princesses!
Was kann ich tun?
Wenn ihr uns EU Bürgern in Grossbritannien, und Briten die in EU Staaten leben, helfen wollt, dann:
- Schreibt eurem Europaabgeordneten und sagt, dass ihr nicht zufrieden seid mit dem, was bisher zu unseren Rechten verhandelt worden ist. Sagt, dass unsere Rechte aus den weiteren Verhandlungen herausgenommen werden, und separat – also unabhängig vom Ausgehen der Verhandlungen – bindend festgelegt werden müssen. Und, am allerwichtigsten, sagt, dass nur eine Regelung akzeptabel ist: und zwar die, die unsere Rechte so erhält, wie sie jetzt sind.
- Falls ihr Briten kennt, die in Deutschland oder anderswo in einem EU Staat leben, dann fragt sie doch einfach mal, wie es ihnen geht. Macht nur selten jemand – und das ist fast noch am schlimmsten: diese furchtbare Apathie gegenüber dem Schicksal von 5 Millionen Menschen.
- Wenn ihr ganz motiviert seit dann kommt am 23. Juni nach London, um mit uns gegen den Brexit zu demonstrieren.
Dankeschön
An Clara Mavellia, die Organisatorin des Berliner Events, und ihr tolles Helferteam; mehr Infos gibt es hier.
An Julia Griebling für die schönen Fotos.
Und an meine Freundin Julia, denn sie hatte die Idee, nach Berlin zu fahren.