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Sophie Taeuber-Arp in Basel

Am 14. Januar 1943 war es kalt in Zürich. Am frühen Morgen ging ein Notruf aus dem Haus von Max Bill und seiner Frau bei der Polizei ein. Die eingetroffenen Polizisten stellten den Tod einer Frau fest, die im Gartenhaus der Bills übernachtet hatte. Gestorben als Folge einer Kohlenmonoxidvergiftung, weil sie in der eiseskalten Nacht fror und den kleinen Kohleofen angezündet hatte. Die Polizei fand keine Anzeichen für Selbstmord oder ein Verbrechen. Es war ein tragischer Unfall.

Der Polizeibericht hält fest: französische Staatsbürgerin, Frau des Bildhauers Hans Arp. Beruf: Hausfrau. Ein paar Tage später wäre sie 54 Jahre alt geworden.

Sophie Taeuber-Arp war eine der größten Künstlerinnen der Moderne. 80 Jahre nach ihrem Tod erhält sie endlich! endlich! Die Anerkennung, die ihr viele Jahre versagt geblieben ist: Sie zieht mit einer Restrospektive im Museum of Modern Art in den Olymp der Kunst ein. Derzeit ist diese Ausstellung noch im Kunstmuseum Basel zu sehen, von wo aus sie über die Tate Modern in London im Herbst nach New York weiterzieht.

Die 1889 in Davos geborene Sophie Taeuber arbeitete zunächst als Kunsthandwerkerin. Schon mit 27 Jahren wurde sie Lehrerin an der Kunstgewerbeschule Zürich. Sie unterrichtete in der Textilklasse Komposition, Web- und Stricktechnik.

Sie liebte Ausdruckstanz und trat im dadaistischen Cabaret Voltaire – wo sie auch Hans Arp kennenlernte – auf. Es sah nicht danach aus, dass ein Paar fürs Leben aus ihnen wurde, als sie sich begegneten. Ihre Lebenslinien, hatten, äußerlich betrachtet, nicht allzu viele Berührungspunkte: das wohlerzogene, nüchterne, handfeste, emsige Schweizer Fräulein Professor und der spontane, geistreiche, amüsante, genießerische, temperamentvolle Charmeur Hans Arp, geboren und aufgewachsen in Strasburg.

Von der praktischen Seite des Lebens verstand er wenig. Selbst die Fahrkarten musste sie ihm lösen. Sophie Taeuber-Arp hatte an der Karriere ihres Mannes großen Anteil. Eigentlich führte kein Weg an ihr vorbei. Sie organisierte das berufliche Leben ihres Mannes, das private sowieso. Sie war zuständig für die finanzielle Sicherheit. Ihre Arbeit als Lehrerin und ihr dementsprechend solides Einkommen sicherte dem Ehepaar, vor allem ihm, das freie Arbeiten. Eine Rollenverteilung, die sie freiwillig, wie es scheint, übernommen hatte. Eine Frau, die ihrem Mann, von deren Talent sie mehr überzeugt war als von ihrem eigenen, den Rücken freihielt.

Zu ihren Lebzeiten stand Sophie Taeuber-Arp in der Kunst wie im Leben meist im Hintergrund. Dabei war die Künstlerin eine Pionierin der Avantgarde und ein vielseitiges Multitalent. Sie war Malerin, Bildhauerin, Verlegerin. Sie webte Teppiche mit geometrischen, abstrakten Mustern. Sie drechselte avantgardistische Puppen für ein Marionettentheater, kreierte Schmuck und Mode. Keine kommerziellen Teile, sondern kompromisslose Hochkultur im oberen Preissegment. Sie arbeitete auch als Innenarchitektin und Möbeldesignerin. Sie baute sich sogar ein Haus. Einen streng komponierten Monolith aus Bruchstein – in einem Vorort von Paris. Das Einzige, was diese mutige und experimentierfreudige Künstlerin nicht konnte: Sie konnte nicht auf sich aufmerksam machen. Eitelkeit und Wichtigtuerei waren ihr zutiefst zuwider.

Angesichts des näher rückenden Krieges flüchteten die Arps 1941 von Paris nach Sudfrankreich. Sie fanden einen Unterschlupf in Grasse. Ohne Geld und in völliger Ungewissheit über die Zukunft war ihr Alltag geprägt von Unsicherheit und Hunger. 1943 erhalten sie ein temporäres Reisevisum für die Schweiz, für einige Wochen. Am 13. Januar 1943 besuchte sie Max Bill und seine Frau Binia Spoerri. Am Abend kam auch ihr Mann vorbei. Es wurde spät und sie beschlossen, bei Bills zu übernachten. Es gab 2 Schlafplätze für Gäste. In einem Wohnraum mit Kamin und in einem ungeheizten Gartenzimmer mit einem kleinen Kanonenofen. Sophie Taeuber-Arp meinte, Kälte mache ihr nichts aus. Sie ging in den ungeheizten Raum. Nachts heizte sie den Ofen an und bemerkte nicht, dass die Luftklappe geschlossen war. Kohlenmonoxid vergiftete sie im Schlaf.

Nach dem Tod seiner Frau war Arp am Boden zerstört. Er brauchte Jahre, um zu einem normalen Leben zurückzukehren. In seinen Gedichten und Werken schwor er der Frau, die mit seinem Leben und seiner Kunst so eng verwoben gewesen war, bis zuletzt seine Liebe. Posthum betonte er immer wieder, dass ihr geradliniger Stil seine Arbeit maßgeblich beeinflusst habe. Er bestand darauf, dass seine Werke nur mit ihren zusammen ausgestellt werden durften. Was dazu führte, dass man lange Zeit ihren Namen nur in Zusammenhang mit seinem wahrnahm.
Eigentlich müsste man schleunigst in die Sophie Taeuber-Arp Ausstellung nach Basel reisen. Aber Sie wissen schon: Corona. Und darauf hat sich das Kunstmuseum Basel ganz wunderbar vorbereitet. Besucher können sich virtuell von Eva Reifert, der Kuratorin der Ausstellung, durch die Räume führen lassen. Ein sehr lohnendes Erlebnis. Hier entlang bitte.

Sophie Taeuber-Arp: Gelebte Abstraktion. Kunstmuseum Basel bis zum 20. Juni 2021.

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