Alle schwärmen jetzt vom ihrem Home Office. Zwischen Telkos und Videokonferenzen grooven sie durch die Wohnungen wie Hugh Grant als Prime Minister in „Tatsächlich Liebe“ durch Downing Street No.1. Alle sagen, wie super sie ihre Tage strukturieren, ihre Arbeit managen, zwischendurch die Kids beschulen und die alten Eltern versorgen. Alle haben jetzt alles im Griff.
Und bei mir so?
Ich bin missmutig. Man sagt, eine Krise bringe das Beste und das Schlechteste im Menschen hervor. In der ersten Woche saß ich von morgens bis abends vorm Fernsehen. Bloß keine Fallzahlen verpassen, kein Statement der Herren Drosten, Wieler, Spahn & Co. Inzwischen bin ich gefasster, aber mich aufs Lesen und Schreiben zu konzentrieren, fällt mir immer noch schwer. Was geht, sind Kochen und Gärtnern. Ich habe mir Hochbeete gekauft. Ich möchte, wenn die Wirtschaft langsam wieder hochgefahren wird und die Älteren und Alten, also ich, „zu ihrem eigenen Schutz“ zu Hause einkaserniert werden, wenigstens meinen eigenen Salat und meine Kräuter haben.
Seit drei Wochen trage ich eine giftgrüne Schlabberhose und einen giftgrünen Rollkragenpulli. Giftgrün als Gegengift für den Virus. Schauen Sie gerne genauer hin, wenn Sie mögen. Es wird für lange Zeit das letzte Foto von mir sein. Da ich es vor der Ausgangsbeschränkung nicht mehr geschafft habe, zum Friseur zu gehen, kann ich mich bald nicht mehr fotografieren lassen. Wahrscheinlich werde ich weiße Haare haben, bevor der Friseur wieder öffnet. Auch egal.
Im Kühlschrank ist Gesundes, aber Appetit habe ich nur auf das, was ohne zu kauen einfach so runterflutscht. Am liebsten Haferflocken mit warmer Milch zum Frühstück, ein Süppchen am Mittag und Milchreis am Abend. Als Zwischenmahlzeit immer wieder gerne Rosinenbrot, dick bestrichen mit „guter“ Butter. Nervennahrung.
Klagen auf hohem Niveau, ist schon klar. Im Altersheim weinen jetzt die Großväter und Großmütter, weil sie einsam sind. Im Krankenhaus kämpfen die Infizierten um ihr Leben, ohne dass ihre Liebsten ihnen beistehen können. So viele Menschen bangen um ihre Jobs. Ich bin heute lediglich schlecht gelaunt und hypochondrisch. Beim Hüsteln am Morgen fragte ich mich: Ist es der Virus? Und wenn ja: Was wird aus mir, wenn der Verlauf schwer ist und die Intensivstationen voll? Wird man mich noch beatmen oder lässt man mich im Keller eines Krankenhauses ersticken?
Ich möchte wieder raus, in die Stadt, durch die Geschäfte gehen, in meine Buchhandlung, ins Kino, ins Museum. Ich möchte meine Freunde treffen, mit ihnen am langen Tisch sitzen, essen, reden, prosten, lachen, feiern, tanzen. Ich möchte mein schönes, freies Leben wiederhaben. Ja, Sie haben ja Recht. Ich tue mir leid, und ich jammere.
Und das Gute, das die Krise mit mir macht? Weil ich die Einzige in unserem Haus mit Nähmaschine bin, nähe ich jetzt Mundschutze/Mundschützer (?) für alle. Hier der Erstling. Habe schon 10 Vorbestellungen.
Und bei Ihnen so?
Hallo! Bitte nicht aufhören zu bloggen! Ich brauche IKNMLO für meine gute Laune und für´s zuversichtlich bleiben!!!
Mir hilft neben Gartenarbeit und Garten genießen- bei jedem winzigen Sonnenstrahl, die Musik.
Meine jahrelang gesammelten CDs von Bach bis Beatles, Jazz, Protestlieder- alles kommt ans Ohr und Herz und ich singe kräftig mit! Und ich vermeide jeden Schlabberlook und gucke sorgfältig, schon abends, was ich anziehen und welchen Schmuck ich tragen kann. Macht mir gerade mehr Freude und Spaß als in der „Vor-Virus-Zeit“ , Seltsam, oder? Woran dass wohl liegt??? Natürlich freue ich mich auch sehr, wenn ich wieder frei allem was mir Spaß macht, nachgehen kann.
Aber jetzt!! will ich auch gut leben! Gerade weil ich manchmal auch an den dunklen Krankenhauskeller denke…..
Zuversicht und Gesundheit wünscht Ihnen Marie
Autor
Liebe Marie,
danke für Ihren unglaublich bewegenden Kommentar. Wer Leserinnen hat wie Sie, der wird nicht aufhören zu bloggen. Tausend Dank und ganz herzliche Grüße.