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Handtaschen – und andere lebenswichtige Dinge

HandtaschenDer Inhalt meiner Handtasche heute Morgen:

Autoschlüssel
Hausschlüssel
2 Zahnstocher
Blasenpflaster
1 Packung Dolormin Kopfschmerztabletten
1 Paar Handschuhe aus schwarzem Leder mit roten Punkten
1 zerknüllte Gesichtsmaske
1 benutzte Eintrittskarte für die Edward Hopper – Ausstellung in Basel
Lippenstift
Sehr altes, rotes Notizbuch
2 Filzstifte
Handy

Meine Handtasche ist ein Matchbeutel aus schwarzem Leder mit einem Henkel. Sie ist eine von 42 Handtaschen, die ich besitze. Am Wochenende beim Aufräumen habe ich sie gezählt. Handtaschen sind mir wichtig. So wie die Mandarina Duck-Tasche aus schwarzem Kalbsleder. Meine Arbeits-Tasche. Als ich sie mir als junge Lehrerin kaufte, war sie das bei weitem teuerste Accessoire, das ich mir je geleistet hatte. Wenn ich morgens im klapprigen Renault in die Schule fuhr, stand sie auf dem Beifahrersitz. Bei jeder Prüfung, jedem Elternsprechtag, jeder Konferenz, auf der ich eine Rolle einnehmen musste, war sie dabei. Sie hatte für mich einen gewissen Glamour, sie war smart, sie war elegant. Assoziationen, von denen ich hoffte, dass sie sich auf mich, die unsichere Berufsanfängerin, übertragen würden. Die Handtasche war Teil einer Rüstung. Es war eine Tasche, auf die ich mich immer verlassen konnte. Eine Lebensbegleiterin. Heute benutze ich sie kaum noch. Sie steht ganz vorne in meinem Taschenregal. Ich sehe sie gerne an. Sie enthält gute Energien.

Einige Jahre lang waren Handtaschen DAS Thema für mich. Gemeinsam mit Cerstin stellte ich sie selbst her. Wir nannten unser Label „musthaves“, ein Name, bei dem ich heute schlucken muss. Wir fuhren mit unserer „Kollektion“ nach Nizza und fotografierten unsere „Modelle“ für eine Homepage. Wir hatten Visitenkarten und Briefpapier. Wir fühlten uns wie richtige Handtaschendesignerinnen, was meinem eigentlichen Beruf, dem der Lehrerin, etwas Pfeffer verlieh. Handtaschendesignerin zu sein, war so lange interessant, bis irgendwann alle Fußballerfrauen Handtaschendesignerinnen waren. Deren Handtaschen wurden gekauft, unsere nicht so wirklich. Sie waren schön, aber sie waren nicht die 2.55 von Chanel. Sie waren keine Statussymbole. Bei Handtaschen ist es wichtig, dass andere Frauen sie erkennen, dass sie ein Begehren auslösen, dass andere sie auch besitzen wollen.

So wie die berühmte Birkin Bag von Hermès. Ich habe eine. In Blau. Ich habe sie in einer Hinterstube auf dem Wochenmarkt in Ventimiglia gekauft. Eine billige Fälschung, aber gut gemacht. Auf den ersten Blick sieht man es ihr nicht an, dass sie ein Fake ist. Aber ich weiß es. Ich sehe es an den Beschlägen, an den Nähten, am Leder. Ich fühle es. Sie ist leichter als das Original. Das entwertet sie für mich und deshalb benutze ich sie nicht. Sie verstaubt im Taschenregal.

Handtaschen erzählen die Geschichten unseres Lebens. Sie sagen etwas aus über die Frau, die sie trägt, über ihre Rolle im Leben, ihren Status, ihren beruflichen Erfolg, ihr Bankkonto. Oder über die Rolle, die sie nur vorspielt, aber gerne einnehmen würde.

Viele Frauen, auch ich, haben eine Vorliebe für Handtaschen, die ungeeignet sind für den Alltag. Viel zu klein, zu filigran, zu ausgefallen. Eine winzige Clutch aus giftgrüner Aalhaut, in die kaum ein Schlüsseletui passt. Eine kleine Umhängetasche von Dries van Noten, die sich ausbeult, wenn sie neben der Scheckkarte einen Lippenstift aufnehmen soll. Accessoires für ein Leben im Cocktailkleid, in den gelben Taxis in Manhattan oder den anthrazitfarbenen in Paris. Das Besondere an Handtaschen ist, dass sie uns transformieren können, dass sie uns dabei helfen, unsere Vision von uns umzusetzen.

Im Alltag bin ich oft mit einer BaoBao von Issey Miyake unterwegs, sie ist mehr praktischer Shopper als Handtasche.Oder ich nehme ein Einkaufsnetz. Es stammt aus Frankreich, seine Farben sind bleu, blanc, rouge. Es wiegt so gut wie nichts und baumelt locker am Handgelenk. Was sich darin befindet, ist für jeden sichtbar. Warum auch nicht?

Und die kleine, rote Tasche auf dem Foto? Sie ist aus Plastik und stammt aus einem 1 Euro.Laden. Ich trug sie auf dem Ladies Lunch, zu dem mich die Gräfin Oeynhausen-Sierstorpff freundlicherweise eingeladen hatte, einem Event, bei dem die Outfits eine große Rolle spielen. Es sind Fotografen großer Zeitungen und Agenturen anwesend. Es ist wichtig, gut angezogen zu sein, weil es das erste ist, was jede Frau an der anderen bemerkt. Die Kleidung, die Schuhe, die Handtasche. sie sind die Kriterien, nach denen man eingeordnet wird. Ich verbrachte im Vorfeld viel Zeit damit, mir zu überlegen, was ich anziehen würde. Da es für mich auch ein Arbeitstermin war, ich wollte über das Ereignis berichten, entschied ich mich für ein schlichtes, dunkelblaues Kleid, dunkelblaue Strümpfe und Schuhe. Die kleine, rote Tasche war der Farbtupfer. Beim Sektempfang sprach mich eine Dame an und fragte, ob ich die Tasche bei Gucci gekauft hätte. Was will man mehr?

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2 Kommentare

  1. 19/08/2020 / 16:15

    Ein toller Post und schöne Geschichten um das wichtigste Accessoire überhaupt. Ich liiiiiebe Taschen aller Art. Auch ziemlich unpraktische 🙂
    Liebe Grüße Tina

  2. Ursel
    Autor
    19/08/2020 / 17:52

    Danke, liebe Tina. Genieß jede einzelne Deiner Taschen.

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