Isabel Allende ist eine der beliebtesten Schriftstellerinnen der Welt. Die Romane der chilenischen Autorin wurden mehr als 50 Millionen Mal verkauft. Ihr „Geisterhaus“ führte in den 1980ern monatelang die Bestsellerliste an. Nun hat die 79-jährige Chilenin ihr „feministisches Vermächtnis“ geschrieben. „Was wir Frauen wollen“ heißt es auf Deutsch.
Allende beschreibt, dass es von ihrer Kindheit an ihr vordringlichstes Ziel gewesen sei, selbstständig zu werden – Gegensatz zu ihrer Mutter. Diese Chilenin ohne Ausbildung und eigenes Vermögen, Doña Panchita, kehrte in ihr Elternhaus zurück, als Isabel drei war – verlassen vom Ehemann, ohne Unterhalt, mit drei kleinen Kindern. Isabel wurde von ihrem Großvater erzogen: „Von klein auf nahm ich an, dass ich so früh wie möglich auf eigenen Füßen stehen und für meine Mutter sorgen müsste.“, heißt es im Buch. „Diese Annahme ergab sich aus dem, was mein Großvater mir vermittelte, der als unangefochtener Patriarch der Familie begriff, dass es ein Nachteil war, eine Frau zu sein, und mir die Waffen in die Hand geben wollte, damit ich nie abhängig sein müsste.“
Das sind die starken Teile des Buches, in denen Allende ihren Leserinnen erklärt, wie das Leben sie zur Feministin gemacht hat. Selbstverständlich war ihr Weg keineswegs, denn sie wuchs in einer konservativen Gesellschaftsschicht auf, in der höhere Töchter auf die Ehe und nicht auf die Selbständigkeit vorbereitet wurden. Erst ihre finanzielle Unabhängigkeit ermöglichte der Schriftstellerin ihre intellektuelle Unabhängigkeit – und umgekehrt! Schon als junge Journalistin hat sie sich für die Rechte der Frauen in der patriarchalisch orientierten chilenischen Gesellschaft eingesetzt. Auch in ihren Romanen spielen starke, eigenwillige Frauenfiguren eine wichtige Rolle.
Eine der eindringlichsten Passagen in „Was wir Frauen wollen“ ist die Beschreibung eines Schwangerschaftsabbruchs. Allende begleitete als Jugendliche eine Freundin zu einer Kurpfuscherin, die die Operation unter lebensbedrohlichen Bedingungen in ihrer Küche vornahm, denn im Chile der 60er-Jahre war Abtreibung strengstens verboten. Das freie Recht auf Abtreibung fordert die Schriftstellerin noch als 79-Jährige. Genauso wie das Recht der Frauen, selbst über ihren Körper zu entscheiden und das Recht auf sexuelle Lust und sinnliche Liebe. „Wer entscheidet über den Körper einer Frau und die Zahl der Kinder, die sie bekommen kann und will? Männer in der Politik, in Religion und Justiz, die eine Schwangerschaft nie am eigenen Leib erfahren, weder gebären, noch je Mutter sein werden. Solange Gesetzgebung, Religion und Gepflogenheiten den Vätern nicht dieselbe Verantwortung für eine Schwangerschaft zuweisen wie den Müttern, sollten Männer in dieser Angelegenheit ihre Meinung für sich behalten, es geht sie nämlich schlicht nichts an.“
Weniger überzeugend lesen sich jene Abschnitte, in denen Isabel Allende auf die Situation von Frauen heute eingeht. Sie reißt viele Themen an, darunter häusliche Gewalt, fehlender Zugang zur Empfängnisverhütung, fehlende gesundheitliche Versorgung von Frauen, Altersdiskriminierung von Frauen oder Frauen in Machtpositionen, geht aber nicht in die Tiefe.
„Was wir Frauen wollen“ ist keine Kampfansage, sondern das persönliche Bekenntnis einer Schriftstellerin, die im Alter zu sich selbst gefunden hat, sich nichts mehr beweisen muss und noch als alte Dame ihre große Liebe gefunden hat. Sie lebt mit ihrem dritten Mann, einem New Yorker Anwalt, in der Nähe von San Francisco. Es ist ein hoffnungsvolles Buch. Die Autorin vertraut den jungen Menschen, dass sie sich, wie sie selbst, für eine bessere und gerechtere Welt einsetzen werden. Und was ist nun Allendes Antwort auf ihre Ausgangsfrage? Frauen wollen Liebe und Respekt, Kontrolle über ihr Leben und ihren Körper und vor allem finanzielle Unabhängigkeit. Denn sie ist die Basis für alles.
Isabel Allende: „Was wir Frauen wollen“, erschienen bei Suhrkamp Insel 2021, übersetzt von Svenja Becker