Das MARTa Herford lockt seit dem letzten Wochenende mit der ganz wunderbaren Modeausstellung „LOOK! Enthüllungen zu Kunst und Fashion.“ ins Museum. Ein echter Hingucker! Gezeigt wird ein überbordendes, buntes Angebot aus 90 aktuellen Fotografien, Skulpturen, Videos, Malereien und Installationen von internationalen Künstlern aus den Jahren ab 2000. Das Angebot an Themen ist breit. Es geht um digitale Influencerinnen, Strategien der Verführung und Entfremdung durch Kleidung, einen kritischen Blick hinter die Kulissen der Modeindustrie und innovative, digitale Techniken in der Herstellung von Bekleidung. Hier einige Arbeiten, die mich ganz besonders angesprochen haben:
Britta Thie ist Schauspielerin, bildende Künstlerin und hat früher als Model gearbeitet. In ihrem Video „Shooting“ thematisiert sie den immensen Druck, der in der Modelwelt auf junge Menschen ausgeübt wird. Sie ist in einer Doppelrolle zu sehen. Auf der linken Seite des Bildschirms imitiert sie die befehlsartigen Zurufe eines Fotografen während eines Shootings. „Schultern buckeln, knochiger, arroganter, leiden, mehr leiden, arroganter, arroganter leiden….“ Auf der rechten Seite spielt sie sich selbst, ein Model, das unbezahlt ein Testshooting bei einem Fotografen durchführt und im Gegenzug die Fotos für ihr Portfolio erhält. Wie eine Marionette führt sie die in schnellem Tempo wechselnden Ansagen aus, die immer aggressiver erfolgen und zu absurden Bewegungen des Models führen.
Die Installation von Christian Haake stiftet Verwirrung. Er hat ein Ladenlokal mit Eingang und zwei Schaufenstern in das Museum gebaut, Gebrauchsspuren und Patina inklusive. Es ist leer, so wie wir es mittlerweile in fast allen Innenstädten sehen. Ein geschlossenes, verlassenes Geschäft, das die Kehrseite der Konsumkultur mit ihrer Schnelllebigkeit und Verlagerung ins Internet darstellt.
Die isländische Künstlerin Hrafnhildur Arnardóttir beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem künstlerischen Potential des Themas „Haare“. In Herford gestaltet sie einen ganzen Raum, in dem sie knallbunte Büschel aus synthetischem Haar lianenartig von der Decke hängen lässt. Herrlich!
Wang Bin dokumentiert in seinem Film die prekären Arbeitsbedingungen in der Modeindustrie. Er hat seinem Film „15 hours“ in einer einzigen Einstellung gedreht. 15 Stunden dauert die Arbeitsschicht der chinesischen Näherinnen in einer Fabrik in Huzhou. Über 200 000 Wanderarbeiterinnen fertigen hier in rasendem Tempo an der Nähmaschine Jeans.
Ein Raum im Museum hat sich in einer Werkstatt verwandelt, in die „Insel im MARTa“. Es ist Kunstwerk und Arbeitsort zugleich, sehr witzig gestaltet von dem belgischen Künstler Adrien Tirtiaux. Hier können die Besucher verweilen oder sich kreativ betätigen und aus einem überbordenden Fundus von Stoffresten ihre eigenen Kleidungsstücke und Accessoires nähen, zeichnen, schneiden oder weben. Sie können auch, wenn sie denn mögen, selbst auf die Bühne treten und Kleider anprobieren, die in Workshops mit verschiedenen Künstlerinnen entstanden sind.
Zum Schluss noch ein besonderes Schmankerl: Der Ausstellungskatalog mit sehr guten Hintergrundtexten kommt in der Form eines Hochglanz-Modemagazins inklusive Hochglanzwerbung fürs MARTa daher. Bravo MARTa! Unter den häufig interessanten Ausstellungen dieses kleinen Kunstmuseums ist diese Ausstellung ein ganz großer Wurf!
Wo: MARTa Herford
Wann: 04.09.2021 –06.03.2022
Falls Sie sich einen weiteren Ausstellungsbesuch gönnen möchten: Sophie Taeuber-Arp ist inzwischen von Basel nach London in die Tate Modern weitergezogen und wird bald im MoMa in New York gezeigt.