Kluge Sätze der bezaubernden Isabella Rossellini über den Vorteil, den es bedeutet, als Frau nicht besonders jung und attraktiv zu sein, über den idealen BH und die Vorteile des Alters.
Mein Körper will nicht mager sein sondern rund.
Er möchte essen. Frühstück wie ein Bettelmann mit Espresso und Biscotti, aber zum Mittag und Abend immer Primero, Secondo und Dolci. Vor allem Dolci. Panna Cotta, Crema di Mascarpone, Tiramisù mit 8 Eigelb. Das Genuss-Gen hat mir mein Vater vererbt. Man Vater war lebensfroh, sinnlich und dick. In unserer Familie wurde diese Tatsache diplomatisch verbrämt. „Daddy ist nicht dick, er ist kräftig.“ Für uns Kinder war es eins unserer lieblingsspiele, uns auf Daddy zu werfen. Er legte sich auf die Seite, spielte die Muttersau, und seine 7 Kinder waren die Ferkel. Mein Vater hat immer bedauert, dass er uns nicht stillen konnte, auch wenn ich lange Zeit geglaubt habe, er sei auf Grund seines Bauchumfangs schwanger.
Mein Vater nannte mich „Sgionfabosse“, denn meine Backen waren so dick wie die eines Glasbläsers aus Murano, der in sein Rohr pustet.
Die dicken Backen habe ich mein Leben lang behalten. Manche Fotografen mochten das Runde meines Gesichts, andere versuchten, die Backen zu kaschieren. Ich selbst habe mich nie schön gefunden oder über mein Äußeres definiert. Das hat mich davor bewahrt, im Alter in die Verzweiflung zu stürzen, die Frauen, die sich in jungen Jahren auf ihre Schönheit verlassen konnten, häufig überkommt.
Mit 7 oder 8 Jahren schwor ich mir, ein Mann zu werden.
Die Welt der Frauen kam mir nicht annähernd so reizvoll, frei und lustig vor wie die der Männer. Männer wurden Rennfahrer und flogen zum Mond. Frauen trugen enge Kleider und spitze Schuhe, in denen sie sich kaum bewegen konnten. Doch mit 12 machten mir die Hormone einen Strich durch die Rechnung. Auf meiner Brust bildeten sich zwei kleine Hügel, die weh taten, wenn ich darauf drückte. Dann hatte ich meine erste Periode. Ich durfte nicht schwimmen, nicht in die Sonne, nicht in die Nähe von Wein, weil er sonst zu Essig wurde. Das Leben der Frau erschien mir wie ein einziges, großes Gefängnis.
Als ich 11 war, wurde bei mir eine Skoliose, eine Wirbelsäulenverkrümmung, festgestellt.
Ich wurde operiert und in ein Gipsbett gepackt. 6 Monate später, als der letzte Gips entfernt war, baumelte mein Kopf hin und her wie bei einem Huhn, dem man den Hals umgedreht hat, bis die Muskeln wieder trainiert waren. Das Schlimmste an der Krankheit sind die Schmerzen. Ich hatte kein Mittel gegen sie, aber ich lernte durchzuhalten, indem ich mich aufspaltete. „Ich“ – das waren meine Gedanken, Träume, Phantasien. Meinen Körper trennte ich von mir ab, er versteinerte. Er wurde zu einem Anhängsel, das ich zu ignorieren lernte.
Äußerlichkeiten bedeuten mir nicht viel.
Dass ausgerechnet ich zu einer Ikone der Kosmetik und Mode wurde, zeigt, welch wundersamen Wege das Leben geht. Ich trage kurze Haare und Anzüge im Herrenschnitt. Zuerst kaufte ich sie in Grau. Dann erweiterte ich die Palette um Schwarz, Beige und Weiß, aber Weiß wird leicht schmutzig. Ich versuchte es mit Dunkelblau und Braun, doch dann brauchte ich braune Schuhe dazu, also ließ ich es wieder. Mein Schrank wird einfach zu voll. Er ist nun mal nicht größer und soll es auch nicht werden. Auf Abendveranstaltungen trage ich einen Smoking von Hugo Boss. Aus der Herrenlinie des Hauses wohlgemerkt!
Ich besitze nur schwarze Schuhe.
Flache Schuhe, Schuhe mit niedrigem Absatz, Schuhen mit hohem Absatz (aber die sind unbequem), Stiefel, Sandalen und ein Paar Sneakers. Die flachen Schuhe sollen wie Herrenschuhe aussehen. Ich suchte eine Ewigkeit nach dem entsprechenden Modell, bis ich auf die Idee kam, mir einfach Herrenschuhe zu kaufen. Heute frage ich mich, warum ich Jahre brauchte, um auf diese naheliegende Lösung zu kommen. Meine Hemden sind weiß, sachlich und ohne jeden Schnickschnack, meine Hosen schwarz, weit und bequem. Wenn ich eine weiße Bluse oder schwarze Hose finde, die mir gefallen, kaufe ich sie gleich drei oder vier Mal. Ich suche noch immer nach der perfekten weißen Baumwollunterwäsche und den idealen Socken. Nicht zu dick, nicht zu dünn, nicht zu lang, nicht zu kurz und ganz bestimmt nicht die, die sich um die Zehen ringeln, wenn man mal etwas schneller läuft.
BHs sind ein Problem.
Aber Dolce & Gabbana haben es für mich gelöst. Ich war nie ein Freund von BHs, ich hasste sie sogar, bis D&G diesen großen, glänzenden, dicken, schwarzen BH kreierten, der an das erinnert, was eine sizilianische Witwe oder Anna Mangani in einem neorealistischen Film unter der Bluse tragen. Dieser BH ist ein Symbol meiner Herkunft.
Meine Mutter wollte nie einen Pelzmantel haben.
Aber als sie nach Hollywood kam und David O. Selznick feststellte, dass sie keinen besaß, glaubte er, seinen Augen nicht zu trauen. Jeder hatte einen Nerzmantel. Die Tatsache, dass man wegen des Klimas nie einen benötigten würde, wurde vollkommen ignoriert. So kam meine Mutter in den Besitz eines Nerzmantels., dessen einzige Funktion es war, ihn auf eine Party mitzunehmen und auf all die anderen Nerze im Schlafzimmer der Gastgeberin zu werfen. Das gleiche wiederholte sich, als sie Jahre später nach Rom zu meinem Vater kam. Hast Du denn keinen Nerzmantel? Fragte er. Den Nerz, den er ihr zum ersten gemeinsamen Weihnachtsfest schenkte, behielt sie bis an ihr Lebensende. Er diente ihr zu einem nützlichen Zweck. Sie nähte ihn als Innenfutter in einen Regenmantel ein. Unter den drei Töchtern meiner Mutter war ich dazu auserkoren, den nerzgefütterten Regenmantel zum 21. Geburtstag geschenkt zu bekommen. Meine Kinder, die der Anblick mit schrecken erfüllte, schlugen vor, ihn auf unserem Haustierfriedhof auf dem Land zu begraben. Das finde ich nun doch etwas übertrieben.
Meine Mutter war äußerst praktisch veranlagt, und ich bin es auch.
Sie ordnete vor ihrem Tod ihren gesamten Besitz. Sie hinterließ drei in Plastik gehüllte Kleider, an denen mit einer Sicherheitsnadel je ein kleiner Zettel befestigt war. Darauf stand nüchtern und trocken: „Erste Hochzeit“, „Zweite Hochzeit“, „Dritte Hochzeit“.
Nach der Trennung meiner Eltern lebten meine beiden Geschwister und ich nicht bei meinem Vater oder bei meiner Mutter und ihren neuen Partnern, sondern in Rom bei unserer Haushälterin und einer endlosen Schar von Kindermädchen, die von den besten Agenturen der ganzen Welt kamen.
Doch bei uns hielt es keine länger als ein paar Monate aus. Unsere sogenannte Kinderwohnung war von unserer Mutter nach unseren Bedürfnissen eingerichtet worden. Im Wohnzimmer gab es lediglich eine Ballettstande an der Wand, einen Sandsack und eine Tischtennisplatte. Ohne Rücksicht auf ästhetische Erwägungen kürzte Mutter sämtliche Vorhänge auf eine merkwürdige Mittellänge, damit unsere Hunde sie mit ihren Vorderpfoten nicht beschädigen konnten. So hässlich unsere Vorhänge waren, sie wurden für mich zum Inbegriff wahrer Eleganz. Unter „Stil“ verstehe ich die Manifestation eines souveränen, unabhängigen Geistes, den konsequenten, selbstbewussten Ausdruck der eigenen Persönlichkeit – ungeachtet aller Normen.
Ich wurde mit 28 Model, in einem Alter, in dem viele Frauen mit dem Modeln aufhören.
Natürlich gefiel es mir, dass Steven Meisel meine italienischen Beine 12 Zentimeter länger und meinen Bauch flacher machte. Falten wurden einfach wegretouchiert. Zu meinem Markenzeichen wurde der Zahn, den mir mein Bruder Robertino als Kind ruinierte, als er mit dem Telefon nach mir warf. Von einem bestimmten Zeitpunkt an galt mein Zahn als sexy. Er gab mir eine persönliche Note, und die Zahnlücke musste nicht mehr mit dem Wachs, mit dem Leichenbestatter die Toten vor der Aufbewahrung präparieren, kaschiert werden.
Als ich 42 geworden war, entschloss man sich, mich durch ein jüngeres Model zu ersetzen.
Ich haderte sehr damit, auch, weil damit die Zeit des leicht verdienten Geldes vorbei war. Es ist absurd und ungerecht, aber ein fetter Werbevertrag ist die zweitleichteste Art, Millionär zu werden. Die leichteste ist natürlich ein Lottogewinn.
Mein Leben war voller Überraschungen, aber die größte Überraschung hat mir das Alter gebracht.
Das Schönste am Altern ist die geistige Freiheit. Ich mache jetzt etwas, was ich immer tun wollte, aber mir nie zugetraut habe. Ich lerne. Früher hatte ich immer Angst vor Lehrern, jetzt studiere ich an der New York University. Ganz locker, pro Semester ein Kurs in Biologie und Ethik. Ohne Druck, aber mit großer Begeisterung. Tiere haben mich schon immer interessiert. Und übrigens: Auch im Tierreich hat das Altern oft Vorteile. Bei den Elefanten zum Beispiel hat die Oma das Sagen.
Isabella Rossellini wurde 1952 in Rom geboren. Sie ist die Tochter von Ingrid Bergmann und Roberto Rossellini. Ihre Eltern trennten sich, als sie 5 Jahre alt war. Sie arbeitete als Journalistin für das italienische Fernsehen und war von 1982-1994 Model für die Kosmetikfirma Lancome. 2008 präsentierte sie ihr Regiedebut mit dem Experimentalfilm „Green Porn“, in dem sie das Sexualleben von Insekten darstellt. Sie war mit dem Regisseur Martin Scorsese verheiratet, später mit dem Model Jonathan Wiedeman. Sie ist Mutter von zwei Kindern und Großmutter und lebt in New York und auf einer Farm in Long Island.
Alle Zitate stammen aus Isabella Rossellinis meisterhaft geschriebener Autobiographie „Some of me.“ München/Zürich 1999.
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Wie immer: Große Klasse !
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