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Mein Leben mit weißen Haaren: Wie hat es eigentlich begonnen?

Mein Leben mit weißen Haaren 2Mitte September 2017 in Südwestfrankreich. Das Haus in Lasserre war ein außergewöhnlicher Glücksfall. Es gab kein Telefon, kein Fernsehen, kein WLan – und diese Phase des Leerlaufs erwies sich als eine Wohltat. Unsere Freunde hatten uns ihr historisches Bauernhaus am Fuße der Pyrenäen überlassen. Im Schatten zwischen den Bäumen im Garten waren Hängematten gespannt. Mittags hielten wir unsere Siesta in einem Daybed unter den beiden riesigen Feigenbäumen, in den Nächten schliefen wir in einer zum Garten hin offenen Remise. Nach dem Aufwachen blickten wir auf einen Weinberg und die schneebedeckten Spitzen der Pyrenäen.

Die zweite Ferienhälfte wollten wir gemeinsam mit meinem australischen Cousin und seiner Frau verbringen. Sie leben in Perth und flogen von dort über London nach Paris und dann weiter Richtung Südwesten. Auf dem kleinen Regionalflughafen in Pau wollten wir sie abholen. Als ich mich vor der Abfahrt noch kurz zurechtmachte, fiel mir im Spiegel mein grauer Haaransatz auf. Wie unangenehm! Erst kurz vor unserer Abreise hatte ich die Haare färben lassen, das war gerade mal drei Wochen her. Ein Färbemittel für den Haaransatz hatte ich nicht mitgenommen, ich musste es mir unbedingt in einer Drogerie in Pau besorgen.

Der Aéroport Pau-Pyrenées liegt außerhalb der Stadt. Die kleine Maschine aus Paris landete pünktlich, die wenigen Passagiere waren schnell abgefertigt. Und schon kamen sie uns entgegen, der australische Vetter und seine Frau Josie. Wir hatten sie zwei Jahre nicht mehr gesehen. Schwungvoll betrat Josie die Halle. Sie war wie immer leicht gebräunt, der Inbegriff von Lebensfreude und doch sah sie völlig verändert aus. Statt ihrer rötlich gefärbten Kurzhaarfrisur umspielte jetzt eine lange, weiße Mähne ihre Schultern.

Wir feierten unser Wiedersehen im „Le Berry“ in Pau. Die traditionelle Brasserie am Place Georges Clemenceau ist eine Institution, berühmt für ihre saftigen Chateaubriands. Draußen auf der Terrasse war Josie die einzige Frau mit weißen Haaren, abgesehen von all den anderen, die sich, wie ich, die Haare gefärbt hatten. Während wir uns unserem Essen widmeten und uns mit einem Gläschen Sancerre zuprosteten, verdrehten sich die Männer ringsum die Hälse nach Josie. Ich sah, wie sich einer von ihnen halb aus seinem Sessel erhob, bis ihm seine Frau etwas zuraunte. Daraufhin setzte er sich wieder. Josie zog alle Blicke auf sich. Eine wirkliche Erscheinung. Man hätte meinen können, dieses strahlende Wesen sei ein großer Star, den jeder gleich erkannt hätte. Das war jedoch keineswegs der Fall. Es war Josie mit ihrer neuen alabasterfarbenen Haarpracht, die sie so unübersehbar machte.

Am Abend saßen wir unter den alten Bäumen am Haus. Josie hatte einen großen Korb voller Feigen gepflückt und sie aufgeschnitten. Dazu aßen wir frischen Ziegenkäse vom Bauern gegenüber und tranken den erdigen, roten Madiran aus dem Chateau. Nach dem Essen sprach ich Josie auf ihre Haarpracht an. „Du weißt, dass ich eigentlich genauso weiße Haare habe wie Du. Untendrunter. Was muss ich tun, um so auszusehen wie Du? Mit den Haaren, meine ich.“

Josie blickte mich amüsiert an und entgegnete: „Weißt Du, es ist ganz einfach. Man muss gar nichts tun. Nur neugierig sein und abwarten.“

Es war der Moment, in dem mir klar wurde: Hier sitzt das Vorbild, an dem ich mich orientieren würde, wenn ich selbst dereinst den Weg ginge, meine Haare nicht mehr zu färben. Später mal. In ferner Zukunft.

Die ferne Zukunft ist Gegenwart geworden. Heute ist Tag 160 seit dem letzten Besuch beim Friseur.

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6 Kommentare

  1. Katja
    01/07/2020 / 12:07

    Es wird wunderbar elfenhaft aussehen, Ursel!

  2. Ursel
    Autor
    01/07/2020 / 13:26

    Der Weg ist nicht ganz einfach. Daher herzlichen Dank für die Ermutigung, liebe Katja.

  3. Susa Berg
    02/07/2020 / 09:54

    Liebe Ursel,
    ein schöner Beitrag, ach wie gerne wäre ich jetzt dort, in Südwestfrankreich. Und eine schöne Frau auf dem Foto (tolle Tunika übrigens). Ich sende Dir auch unterstützende Grüße. Klar siehst Du anders aus als früher, Du lächelst ja auch etwas verhalten auf dem Foto. Ich sehe sie so vor mir… Josie! Nichts von verhaltenem Lächeln zu sehen, sondern der Knaller! Das volle Leben!
    Sei mutig, Du packst das. Die gute Zeit ist JETZT.
    Susa

  4. Ursel
    Autor
    02/07/2020 / 10:44

    Ich bin guten Mutes, liebe Susa, auch dank so unterstützender Rückmeldungen wie von Dir. Und ja, Josie ist wirklich der Knaller. Eigentlich wollten wir uns mit ihr und Bob Ende August wieder im Südwesten treffen. Dank Corona geht es nun in den Südwesten Deutschlands – leider ohne die australische Verwandtschaft.

  5. Steffie
    02/07/2020 / 16:51

    Liebe Ursel, du siehst so wunderbar jung aus auf diesem schönen Foto!!
    Und mir gefällt auch ganz besonders dieses tolle Kleid an dir….
    Die Farben sind toll ! Kein Schwarz mehr für dich, aber wenn es unbedingt sein muss, dann mit knallroten Lippen

  6. Ursel
    Autor
    02/07/2020 / 18:34

    Steffie!!! Danke für Dein Feedback. Ich komme Anfang August und es wäre super, wenn wir uns treffen könnten. Schöne Ferien und auf bald.

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